Spanische Musikbranche klagt Seitenbetreiber auf 13 Mio. Euro Schadenersatz
Pablo Soto verkörpert den Traum jedes Computerfreaks - oder den Alptraum. Mit 16 Jahren verließ der Madrider die Schule, um mit Programmieren seine Familie zu unterstützen. Vor acht Jahren gründete er in der Wohnung seiner Großmutter Blubster, eines der populärsten Peer-to-Peer-Portale für den Austausch von Daten. Und jetzt ist er deswegen der einzige Angeklagte in der jüngsten Runde des scheinbar endlosen Rechtsstreits, den die Musikbranche gegen Internet-Piraten führt.
Verband der Musikbranche
"Wir attackieren Unternehmen, die davon
profitieren, dass sie Anwendungen entwickeln, die für die Verbreitung von
Raubkopien verwendet werden", sagt der Präsident des spanischen
Plattenverbands Promusicae, Antonio Guisasola. Der Verband, der in Spanien
unter anderem die Interessen von Sony, Universal, Warner und EMI vertritt,
hat Soto wegen unfairen Wettbewerbs auf 13 Millionen Euro verklagt. Er
hofft, dass das noch im Juni in Madrid erwartete Urteil gegen Blubster auf
der gleichen Linie liegt wie 2001 gegen Napster in den USA und in diesem
Jahr gegen Pirate Bay in Schweden. Der Fall Blubster wird auf beiden Seiten
des Atlantiks aufmerksam verfolgt, weil Spanien als Hochburg der
Internet-Piraterie gilt.
Vorbild Frankreich und Schweden
Der Streit bekommt zunehmend
politische Dimensionen. In Frankreich verfolgt die Regierung weiter ihren
Plan eines Gesetzes, das zeitlich befristete Sperren des Internet-Zugangs
als Strafe für hartnäckige Internet-Piraterie vorsieht - trotz eines Spruchs
des Verfassungsrats, das den Zugang zum Internet als Menschenrecht einstuft.
Und in Schweden erhielt die Piratenpartei unter dem Eindruck der Haftstrafen
gegen die Betreiber von Pirate Bay bei der Europawahl 7,1 Prozent der
Stimmen.
Promusicae kritisiert Soto als einen Internet-Parasiten, der Künstler und Plattenfirmen um ihren Lohn bringt, indem er den illegalen Download von Musik und anderen urheberrechtlich geschützten Werken erleichtert. Aber der 29-jährige Soto macht geltend, dass seine Entwicklung nicht nur für den illegalen Musik-Download verwendet werden kann. "Das File-Sharing mit Peer-to-Peer hat einen viel breiteren Verwendungszweck." Als Beispiele nennt er den Download von freier Musik und Public-Domain-Werken wie Bücher, deren Urheberschutz abgelaufen ist.
Legal oder doch nicht?
Blubster sei eine völlig legale
Internet-Anwendung, sagt Soto. Er könne nicht verantwortlich gemacht werden
für das, was die Nutzer mit seinem Programm anstellten. Ursprünglich habe er
Blubster aus reiner Neugier entwickelt und den Download-Link an Freunde
weitergegeben. Innerhalb weniger Tage stellte er dann aber fest, dass
Millionen Menschen in aller Welt Interesse an dem Programm hatten. "Wenn sie
gewinnen, mache ich dicht", sagt Soto. "Wenn ich gewinne, kann ich endlich
wieder in Ruhe schlafen." Eine Strafe von 13 Millionen Euro würde für ihn
lebenslänglich das finanzielle Aus bedeuten, klagt der Beschuldigte. Er habe
zwar Einnahmen aus Online-Werbung erzielt. Aber er habe kein Vermögen
verdient, nie mehr als 15.000 Euro auf dem Konto und betreibe Blubster nach
wie vor in der Wohnung seiner Großmutter. Für seine Anhänger ist Soto
so etwa wie ein Held der Freiheitsbewegung im Internet geworden. Die
"Copyleft"-Bewegung tritt dafür ein, Musik und Filme frei verfügbar zu
machen. Die Unterhaltungsbranche gehe nur deswegen gegen Leute wie Soto vor,
weil sie um ihr traditionelles Geschäftsmodell fürchte.
In Spanien nehmen Raubkopien stark zu
Der Download von
urheberrechtlich geschützten Werken ist auch in Spanien illegal, aber keine
Straftat. Die Gerichte haben Klagen wiederholt zurückgewiesen, wenn bei der
Verbreitung von Raubkopien keine kommerzielle Absicht nachzuweisen war. Das
hat sogar in den USA Irritationen ausgelöst. "Die Internet-Piraterie in
Spanien hat epidemische Ausmaße erreicht", hieß es kürzlich in einem
Untersuchungsbericht des US-Kongresses. Und der US-Handelsbeauftragte führt
Spanien weiter auf seiner "Watch List" von Ländern mit massiven Verstößen
gegen Urheberrechte auf.Nach Angaben der Branchenvereinigung International
Intellectual Property Alliance, der auch der Verband Promusicae angehört,
wurden im vergangenen Jahr in Spanien zwei Milliarden Musiktitel illegal
heruntergeladen, aber nur 2,2 Millionen rechtmäßig gekauft. "Spanien kann
nicht in der G-8 der industrialisierten Staaten sein wollen und gleichzeitig
in der G-10 der Internet-Piraten", sagt Verbandspräsident Guisasola. Unter
dem wachsenden Druck auch aus den USA wird erwartet, dass die spanische
Regierung ein Gesetz gegen die Internet-Piraterie auf den Weg bringt.
Sotos Anwalt Javier de la Cueva macht geltend, dass die genannten Zahlen nur auf Erhebungen der Branche beruhten und nicht von unabhängiger Seite überprüft seien. Der in der Copyleft-Bewegung engagierte Jurist räumt zwar ein, dass Peer-to-Peer-Angebote wie Blubster der Musikbranche Schaden zufügten, ruft diese aber zu grundlegenden Änderungen ihres Geschäftsmodells auf. "Man kann diese Bewegung nicht stoppen, es gibt eine neue soziale Realität", sagt De la Cueva. Die Branche muss technologische Entwicklungen annehmen und darf sie nicht bekämpfen."