Aufhebung durch VfGH?
Vorratsdatenspeicherung: Experten erwarten Aus
10.04.2014
Heimische Juristen fordern klare Rechtsvorschriften und Evaluierung.
Nachdem der Europäische Gerichtshof (EuGH) am Dienstag die umstrittene Vorratsdatenspeicherung gekippt hat
, wird sie Experten zufolge auch in Österreich bald fallen. Der Verfassungsgerichtshof (VfGH) werde "die Speicherung selber als verfassungswidrig innerstaatlich aufheben", sagte Jurist Christof Tschohl am Donnerstag in Wien. Das Urteil sei eine "klare Absage" an das bisherige Konzept.
"Juristisch ist das damit das Aus", kommentierte Tschohl das Urteil des EuGH bei einer Pressekonferenz mit mehreren Experten, die an der Einreichung der Klage mitgearbeitet haben. Auch politisch rechnet der Jurist nur mit "geringem Widerstand". Tschohl zufolge sei keine "grundrechtschonende Umsetzung der Richtlinie" in Österreich möglich gewesen. Schon bei der Speicherung der Daten müsste man wissen, auf welche Berufsgruppen man dabei Rücksicht nehmen müsse - wie etwa Ärzte. Die Verbreitung einer Liste mit den Betroffenen sei ein "datenrechtliches Unding, das fast so schlimm wäre als die Vorratsdatenspeicherung".
Auch der Leiter des Boltzmann-Instituts für Menschenrechte, Hannes Tretter, äußerte sich positiv: "Der gläserne Mensch ist durch das Urteil nun verunmöglicht worden." Die Richtlinie hätte im Kampf gegen den Terrorismus hilfreich sein sollen. Dieses Ziel der Maßnahme sei jedoch verfehlt worden und hätte hauptsächlich Auswirkungen auf die Freiheit des Einzelnen gehabt.
Chance auf Regress sei klein
Auf die Frage, ob man Chancen auf Regress habe, wenn man aufgrund der Vorratsdatenspeicherung zu Unrecht verurteilt wurde, waren Tschohl und Rechtsanwalt Ewald Scheucher grundsätzlich gleicher Ansicht. Scheucher: "Auf einer abtrakt-theoretischen Ebene ja, praktisch kann ich's mir nicht vorstellen".
Hinsichtlich des Umgangs mit Daten durch internationale Geheimdienste - Stichwort NSA - brauche es den Experten zufolge "klare Rechtsvorschriften"und eine Abschaffung von Ausnahmen, die mit Erfordernissen nationaler Sicherheit begründet werden. Außerdem gebe es in Österreich kein Kontrollorgan, das die Überwachungsaktionen durch Geheimdienste im Auge behalten würde, beklagte Scheucher. Gefordert sei ein ordentliches Datenschutzrecht sowohl auf österreichischer als auch auf europäischer Ebene.
Für die Zukunft forderten die bei der Pressekonferenz anwesenden Experten eine Evaluierung der Instrumente zur Strafverfolgung. "Eine Hygiene der Strafverfolgung wäre angebracht, bevor man neue Maßnahmen erlässt", forderte Andreas Krisch vom Arbeitskreis Vorratsdatenspeicherung (AK Vorrat) im Hinblick auf die vom Justizministerium veröffentlichten Zahlen zur Vorratsdatenspeicherung. Demnach hätten von den Anfragen seit der Einführung der Richtlinie in Österreich im Jahr 2012 nur ein Bruchteil terroristische Verdachtsmomente als Grundlage gehabt.