Tragbare Technik

Wearables sind nicht mehr aufzuhalten

06.03.2014

Selbst implantierte Chips nicht mehr nur eine reine Zukunftsvision.

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© Reuters
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Für viele Miezekatzen sind elektronische Implantate bereits Alltag: Mit einem Chip vom Tierarzt im Nacken öffnen sie die Katzenklappe ihres Zuhauses, während Spielgefährten draußen bleiben müssen. Auch für Menschen träumen viele IT-Experten schon von Computerimplantaten.

IT am Körper, auf dem Körper und im Körper - so beschreibt Christian Stammel, Firmenchef der Herrschinger Wearable Technologies AG, den neuesten Traum der Branche . Weil der traditionelle PC-Absatz lahmt und mittlerweile zumindest auf den westlichen Märkten fast jeder Kunde mindestens einen Tablet-Computer und ein Smartphone besitzt, suchen die Hersteller neue Wachstumsfelder. Da kamen ihnen die Datenbrille von Google als auch die IT-Armbanduhr von Samsung gerade recht, um einen neuen Trend auszurufen: Wearable Technology (WT).

Enormer Anstieg von WT-Geräten
Noch sind viele WT-Pioniere kaum über die Startup-Phase hinausgekommen. Doch die großen IT-Konzerne rechnen fest mit einem Massentrend. Samsung-Manager Stylianos Mamagkakis schätzt, dass bis 2018 fast 600 Millionen WT-Geräte verkauft werden: "Da ist alles dabei: Von Brillen, Armbändern, Uhren bis zu Schuhen." Neben neuer Batterietechnik spielen flexible Bildschirme eine entscheidende Rolle.

Neben biegsamen OLED-Anzeigen fasziniert die Branche eine brandneue Technik aus Kohlenstoff: Graphen. Das einlagige Karbon erscheint zumindest in den Laboren der Entdecker als reinster Zauberstoff. An der Universität Cambridge drucken die Forscher bereits durchsichtige Graphen-Displays aus einem umgerüsteten Tintenstrahldrucker aus. "Das ist der Vorteil eines unsichtbaren Halbleiters", erklärt Wissenschaftler Richard Howe.

Unter den Anbietern tobt ein heißer Kampf
Die WT-Wachstumsraten erscheinen beeindruckend: Sind im vergangenen Jahr Stammel zufolge weltweit 50 Millionen WT-Geräte verkauft worden, so sollen es 2014 bereits über 75 Millionen werden. Der durchschnittliche Marktzuwachs soll über die kommenden Jahre bei mehr als 50 Prozent liegen. Aktuell stehen vor allem IT-Armbanduhren im Zentrum der Aufmerksamkeit. "Es tobt ein heißer Kampf um den Platz am Ende des Armes", formuliert es der britische Analyst Nick Hunn. Da viele Menschen aufgrund der Uhrenfunktion ihrer Smartphones keine herkömmlichen Armbanduhren mehr trügen, sei eine kostbare Fläche freigeworden.

Der Trend zur Erfassung eigener Körperfunktionen - das sogenannte Selftracking - gilt als Schlüssel, um noch größere Kundengruppen zu erfassen. Bisher waren vor allem Sportler und Freaks scharf darauf, Puls, Blutdruck oder Atmung zu messen und auszuwerten. Die Möglichkeiten werden fortlaufend erweitert, immer mehr Daten erfasst: Die Strecke, die der Nutzer am Tag zu Fuß zurücklegte etwa. "Hat er ein Prostata-Problem? Eine Infektion? Eine psychische Störung? Hatte er Sex und war noch eine andere Person mit dabei?", illustrierte Hunn die Möglichkeiten. Er denkt bereits mehrere Jahre voraus, ins Jahr 2020, wenn jeder Mensch mehrere WT-Geräte nutze. "Die Anbieter müssen aus der Hardware ein Service-Modell entwickeln, um dauerhaft an den Abonnement-Einnahmen zu verdienen."

Die Branche setzt aktuell vor allem auf "hippe" Kundschaft. Im Bereich Mode und Sportartikel wittert sie die besten Chancen, zu einer zentralen Branchenkonferenz treffen sich die Fachleute am Rande der Wintersportmesse ispo. Viel Potenzial liegt aber vor allem in der Medizintechnik. Dort sind Hilfsmittel wie Hörgeräte und Implantate seit längerem an der Tagesordnung. Und die moderne Computertechnik bietet dutzende Neuerungen. Etwa eine Kamerakapsel zum Schlucken, die Patienten eine unangenehme Magen- oder Darmspiegelung erspart. Mit dem Multi-Analysegerät Scanadu können die Besitzer neben der Körpertemperatur und dem Blutdruck auch die Sauerstoffsättigung des Blutes messen oder ihren Urin selbst testen.

Gespenstische Technik
Besonders futuristisch wirkt das Neuroheadset der Firma Emotiv. Das Gerät wird ähnlich wie ein Kopfhörer getragen und misst die Hirnströme. Mittels dieser Elektroenzephalografie (EEG) können Geübte dann beispielsweise Maschinen wie ein Rollstuhl bewegen - eine Art elektronischer Telekinese.

Allerdings arbeiten die Tüftler auch an weniger gespenstischer Technik. So schneiderte die Berliner Designerin Esther Zahn eine Kindermodekollektion mit eingearbeiteter, tragbarer Technologie. Ein Wintermantel ist mit Leitungsbahnen durchwebt, an deren Enden einzelne Leuchtdioden schillern. Ihr Kleid "Sounddress" hat sechs Berührungsfelder, mit denen die Trägerin elektronische Musik machen kann. Welche Töne die einzelnen blumigen Aufnäher bei leichtem Druck von sich geben, lässt sich per Smartphone programmieren. (Quelle: dpa)

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