Raffinierte Online-Händler

Wie Kunden zum Kauf verführt werden

29.11.2013

Kaufverhalten wird mit Gesichtsscannern, Wärmesensoren und Messgeräten analysiert.

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© AFP
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Im Internet ist die Überwachung längst gang und gäbe: Ob Amazon, Otto oder Zalando, viele Online-Händler durchleuchten die Einkaufsgewohnheiten ihrer Kunden, um Werbung gezielter einsetzen zu können. Nun hält der Trend auch Einzug in den klassischen Einzelhandel vor Ort: Mit ausgeklügelten Techniken wie Gesichts-Scannern, Wärmesensoren und Messgeräten werden die Kunden und ihr Kaufverhalten analysiert.

Zahlreiche Tricks und Methoden
Was bei Datenschützern die Alarmglocken läuten lässt, das wird von vielen Verbrauchern bereitwillig angenommen. So erfreuen sich nicht nur Kundenkarten großer Beliebtheit, auf dem Vormarsch sind auch mobile Bezahlmöglichkeiten und andere Anwendungen (Apps) für Smartphones. Durch sie erfahren die Händler nicht nur etwas über die Produktvorlieben ihrer Kundschaft, die mobilen Geräte geben auch wertvolle Auskünfte über den Standort des Kunden.

Um den Käufer anzulocken und besser kennenzulernen, nutzen die Händler immer neue Techniken. Längst wird nicht mehr nur mit Gewinnspielen oder lockenden Düften gearbeitet. Das Modehaus Hugo Boss etwa nutzt Wärmesensoren, um zu verfolgen, wo sich die Kunden in seinen Geschäften besonders gerne aufhalten - dort werden dann Premiumprodukte platziert.

Der Luxusschokolade-Hersteller Godiva hat Messgeräte installiert, die die Kunden zählen, um zu Stoßzeiten ausreichend Personal im Shop zu haben und die Attraktivität von Schaufenstern zu testen. Dies habe dem Godiva-Geschäft in der Londoner Regent Street zehn Prozent mehr Geschäft in sechs Wochen gebracht, erklärt die in Chicago ansässige Firma ShopperTrak, die Godiva die Zähler verkauft. "Unsere Kunden versuchen ihre Läden oder Einkaufszentren effizienter zu betreiben", erklärt Bill McCarthy, der für Europa und den Mittleren Osten zuständige Manager bei ShopperTrak.

Das Unternehmen hat auch in Video- und Telefon-Verfolgungssysteme investiert, um zu analysieren, wie sich Kunden und Mitarbeiter in den Geschäften verhalten. Eine Verletzung der Privatsphäre sieht McCarthy darin nicht. "Die Informationen, die wir sammeln, sind strikt anonym." Das Unternehmen sei bemüht, sicherzustellen, dass nichts gespeichert werde, was Rückschlüsse auf Personen zulasse.

Tesco will Gesichter scannen
Auch der weltweit drittgrößte Einzelhändler Tesco sieht keine Verletzung des Datenschutzes bei seinen Plänen, die Gesichter von Kunden zu scannen, die in der Schlange stehen. Tesco speichere weder die Bilder noch persönliche Daten, erklärt der Konzern, der schon vor zwei Jahrzehnten mit der Einführung seiner Kundenkarte den Weg in die Nachverfolgungswelt ging.

Doch nicht alle Einzelhändler seien so verantwortungsbewusst, geben die Tesco-Berater zu Bedenken. "Zu viel passiert ohne die Einwilligung der Kunden", sagt Simon Hay, Chef von Dunnhumby, einem zu Tesco gehörenden Marktforschungsinstitut, das hinter den Kundenkarten des Konzerns steckt. "Du musst transparent umgehen mit Daten, den Menschen sagen, was du damit machst und ihnen dafür etwas zurückgeben."

Kundenbindungssystemen gewinnen an Bedeutung, weil in ihnen immer mehr Daten stecken und sie sich mit neuen Medien wie dem Smartphone verbinden lassen. Ein britischer Konsument hat im Schnitt über sein Handy Zugang zu sechs Kundenbindungssystemen, zusätzlich trägt er vier Kundenkarten in seiner Brieftasche, wie eine Studie des mobilen Bezahldienstes CloudZync zeigt.

Selbst wenn ein Kunde sein Telefon gerade nicht nutzt, können die Händler dennoch über Wi-Fi-Signale seinen Standort bis auf drei Meter genau feststellen, erklärt Darren Vengroff, Chefforscher des US-Datenunternehmens RichRelevance. "Jeder Einzelhändler will seine Kunden besser verstehen", ergänzt Vengroff, der früher bei Amazon Kunden wie Wal-Mart oder Marks and Spencer half, Werbung zielgerichteter einzusetzen. "Die Herausforderung ist, es wirklich persönlich zu machen." So könne etwa einem Premium-Kunden, der über sein Telefonsignal beim Betreten des Ladens erkannt worden sei, ein persönlicher Verkäufer zur Seite gestellt werden.

Sogar in einer anonymen Welt sei es möglich, ein Kaufprofil eines Kunden zu erstellen, wenn dieser einen Laden betrete oder mit seinem Mobiltelefon online sei, sagt John Sheldon von eBay. Der britische Lebensmittelhändler Wm Morrison etwa nutzt Telefondaten der o2-Mutter Telefonica, um zu analysieren, wie weit potenzielle Käufer zu einem Shop fahren würden. Dadurch konnte Wm Sparcoupons effizienter verteilen.

Kunden lässt das ziemlich kalt
Trotz der Datenschutzbedenken haben viele Kunden ihre Zurückhaltung gegenüber den neuen Technologien schon längst abgelegt. So zieht eine Plattform, die Werbeangebote macht und mobile Bezahldienste anbietet, viele Nutzer an. "Das System ist selbstlernend: Es testet die Antwortrate, um sicherzugehen, dass die Menschen keine Nachrichten bekommen, die für sie nicht relevant sind", erläutert Robin Bevan von Javelin.

Die Software erweist sich auch in Deutschland als populär, wo der Datenschutz groß geschrieben wird. So hat Lufthansa die Anwendung in sein Kundenbindungsprogramm "Miles & More" integriert. Seither haben sich mehr als 400.000 Nutzer für die App angemeldet. Am Valentinstag bot Lufthansa Männern zwischen 20 und 50 Jahren für das Swarowski-Geschäft im Frankfurter Flughafen einen zwanzigprozentigen Rabatt. 30 Prozent der Beworbenen nutzten ihn auch, mehr als bei normalen Promotionen.

Der Trend zu solchen Aktionen sollte die Ausgaben für mobile Werbung bis 2018 von 13 Mrd. Dollar (10 Mrd. Euro) in diesem Jahr auf 39 Mrd. Dollar treiben, schätzt Sian Rowlands, Analystin der Beratungsfirma Jupiter. Den Nutzer dann anzusprechen, wenn er bereits beim Einkaufen sei, bringe viel mehr, als ihm Werbung zu schicken, wenn er zuhause sei, erklärt sie. Dan Wagner, Chef des Onlinehandelsunternehmens Powa Technologies, sieht hierin einen entscheidenden Vorteil gegenüber dem Internet. Händler könnten die Kunden über die Mobiltelefone informieren, wo der nächstgelegene Laden liege, und ihm sagen, welche Produkte dort vorrätig seien. "Amazon kann das nicht."

 

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