Untersuchungsausschuss
Yahoo-Chef wegen falschem Titel vor dem Aus
09.05.2012
Geschönter Lebenslauf von Scott Thompson schlägt hohe Wellen.
Für Yahoo-Chef Scott Thompson wird die Luft dünner. Nachdem ein kritischer Großaktionär aufgedeckt hatte, dass Thompsons Lebenslauf geschönt war, setzt der Verwaltungsrat des Internet-Konzerns nun einen Untersuchungsausschuss ein. Zudem scheidet aus dem obersten Konzerngremium die Frau aus, die seinerzeit für die Auswahl des neuen Chefs zuständig war.
Patti Hart werde sich auf der anstehenden Hauptversammlung nicht zur Wiederwahl stellen, teilte Yahoo am Dienstag (Ortszeit) mit. Hart sitzt seit zwei Jahren als unabhängiges Mitglied im Verwaltungsrat und war für die Suche nach einem neuen Konzernchef verantwortlich. Ihre Wahl vor einigen Monaten fiel auf den eBay-Manager Thompson.
Im Hauptberuf führt Hart den Spielespezialisten International Game Technology. Dessen Verwaltungsrat habe sie dazu gedrängt, ihr Amt bei Yahoo niederzulegen, hieß es in der Erklärung. Allerdings hatte der Druck auf Hart zuletzt zugenommen. Sie musste sich die Frage gefallen lassen, warum ihr nicht aufgefallen war, dass Thompson gar keinen Bachelor-Titel in Computerwissenschaften hat.
Druck wird größer
Der firmeneigene Untersuchungsausschuss soll genau dieser Frage nun nachgehen und zudem den akademischen Werdegang von Thompson gründlich überprüfen. Dem Verwaltungsrat sei die Dringlichkeit der Angelegenheit bewusst, erklärte Yahoo in einer gesonderten Mitteilung am Dienstag. Es ist das erste Mal, dass sich das oberste Konzerngremium öffentlich zu der Affäre geäußert hat.
Yahoo muss schnell handeln, denn Großaktionär Dan Loeb setzt das Unternehmen nach seiner Enthüllung mächtig unter Druck. Am Mittwoch forderte der Chef des Hedgefonds Third Point erneut die Absetzung Thompsons
: Es sei offensichtlich, dass dieser den falschen Titel bewusst benutzt habe, und das seit Jahren.
Loeb kontrolliert 5,8 Prozent an Yahoo und versucht seit einiger Zeit, selbst in den Verwaltungsrat einzuziehen, um die Geschicke des Unternehmens mitzubestimmen. Das wurde ihm bisher verwehrt. "Third Point hat mehr als 1 Milliarde Dollar (772 Mio. Euro) in Yahoo investiert und wir haben keine Freude daran, dieses Gemetzel mit anzusehen", erklärte der Hedgefonds.
Die Presseabteilung von Yahoo hatte in einer ersten Reaktion zu den Enthüllungen von einem "unbeabsichtigten Fehler" gesprochen. Sowohl in der Biografie Thompsons bei Yahoo als auch bei seinem früheren Arbeitgeber Ebay war der Abschluss in Computerwissenschaften aufgetaucht, obwohl Thompson nur einen Bachelor in Buchhaltung vorweisen kann.
Thompson selbst hat bislang keine Stellung zu den Vorwürfen bezogen. Er entschuldigte sich lediglich per E-Mail für den Ärger, den Unternehmen und Mitarbeiter jetzt hätten. Thompson kam erst Anfang des Jahres zu dem mit sinkenden Umsätzen kämpfenden Internet-Pionier, dem Rivalen wie Google und Facebook einen immer größeren Teil der Werbeeinnahmen weggeschnappt haben. Vor Thompson war Yahoo monatelang führungslos, nachdem Vorgängerin Carol Bartz das Unternehmen im Streit verlassen hatte.