MADONNA-Redakteurin Alexandra Stroh auf einer sehr spirituellen Reise.
Herrlich, so mein erster Gedanke, nachdem der Ayurvedaaufenthalt in Südindien gebucht war. 16 Tage erholen, ausspannen, täglich eine Ölmassage – Wellness pur. Dachte ich. Zwei Monate danach und meine erste Ayurvedakur später war ich eines Besseren belehrt. Ayurveda hat mit Wellnessurlaub so viel zu tun wie Lady Gaga mit einem Ashram.
Eingangsdiagnose
Zu Beginn unseres Aufenthalts (ich reise mit Herzensmann, mutig, wie sich im Verlauf des Aufenthalts herausstellen soll) erstellt der freundliche Ayurvedaarzt eine Erstdiagnose. Befragt zu meinen Lebensgewohnheiten (Kaffee auf nüchternen Magen in der Früh, tagsüber gemüsearmes Essen vor dem Computerbildschirm, etc. – ich ernte Kopfschütteln), zur psychischen und körperlichen Verfassung und nach eingehender Untersuchung wird ein spezielles Programm für mich erstellt. Es inkludiert die drei wesentlichen Säulen der Ayurvedakur: Öl- und Kräutertherapien, Ernährung und Yoga und Meditation.
Die ersten Tage sind o.k. Ich darf Reis, diverse Gemüsesorten und Bananenbrei essen. Dazu literweise „Venga-Water“ (ein indisches Kräuterwasser und Tee). Verboten ist Pfefferminztee am Abend, weil der Arzt meint, er wühle mich zu sehr auf. Hm.
Drei Temperamente
Denn bei der Ayurveda-Heilkunst (Ayurveda ist Sanskrit und bedeutet übersetzt „Lebensweisheit“) werden drei Lebensenergien („Doshas“) unterschieden, die es in Einklang zu bringen gilt. Es sind dies die Temperamente Vata (Luft, Äther, Wind – das Bewegungsprinzip), Pitta (das Feuer- bzw. Stoffwechselprinzip) und Kapha (Wasser, Phlegma – das Strukturprinzip). Mein Arzt, Dr. Viswanathan hat Medizin und ayurvedische Medizin studiert, so wie es in seiner Familie schon generationsübergreifend Tradition ist. Er erkennt in mir den Mischtypen Vata/Pitta, was so viel heißt, wie: Ich bin die Luft, die dauernd das Feuer anheizt, was wiederum bedeutet: Ich muss mal ganz ordentlich runterkommen, mich tiefenentspannen, bei mir sein. Er verordnet Einzelmeditation (!) und Shirodhara (Stirnguss mit warmem Sesamöl).
Ausnahmezustand
Was er mir nicht verrät, ist der Umstand, dass die warmen Ölgüsse die Neurotransmitter im Vorderhirn und somit allerlei verdrängte Gefühlszustände anregen und an die Oberfläche tragen. Für mich alles andere als entspannend. Mich überkommen das heulende Elend und Reminiszenzen aller Art. Dazu gesellt sich ein stabiles Hungergefühl, denn die Reis-Gemüsevariationen, die ich entsprechend meiner Doshas zu mir nehmen darf, schmecken nach einigen Tagen nicht mehr. Ich halluziniere Schinkenbrote, bin dauermüde und aufgewühlt vom Stirnguss. Es dauert eine Woche, bis ich die Stirngussbilder verdaut habe (mein Arzt versichert, Shirodhara sei wie ein „Seeleneinlauf“, ergo ist das Traumatische raus aus mir), mich an Ernährung, Tagesablauf und die gefühlten zwei Liter Sesamöl samt diversen Kräutertinkturen gewöhnt habe, deren Konsistenz und Geruch penetrant an mir haften. Ich entspanne und bin bereit für die nächste Stufe: die Darmreinigung...
Dafür muss ich am Abend ein Pulver in heißem Wasser auflösen und trinken. Der Rest passiert von allein. Mein Herzensmann und ich teilen im Ayurveda-Resort ein nettes Zimmer inklusive offenen Badezimmers, getrennt durch eine Glastür. Ich kann sagen, dass wir uns in diesen 16 Tagen noch viel besser kennen gelernt haben.
Angekommen
Nach zehn Tagen bin ich assimiliert. Das Hungergefühl wird von der Freude über drei abgelegte Kilo überdeckt, statt Öl-Stirnguss bekomme ich einen mit Kräutermilch, der mich in traumhafte Wach-Schlafzustände katapultiert. Meine Augen sind klar, mein Körper gereinigt. Mir geht’s gut, ich bin tiefenentspannt, mein Ruhepuls liegt bei gefühlten 50. Fazit: Ich werde die Strapazen einer Ayurvedakur – diesmal sehenden Auges – sicher wieder auf mich nehmen, denn die nachhaltige Wirkung ist noch jetzt, drei Monate später, spürbar. Zwar befolge ich (leider!) die wenigsten der vom Arzt erteilten „Lifestyle-Regeln“ für zu Hause, aber immer wieder versuchen der Herzensmann und ich portionsweise Ayurvedisches zu integrieren.
Beim nächsten Mal also machen wir es noch besser, mein Schatz, hm?