Haarverlust ist nicht nur emotional belastend. Es können auch viele bedenkliche Ursachen dahinterstecken. Was Haarausfall auslösen kann und wie man dagegen vorgeht, erklärt Dr. Alice Martin in ihrem neuen Ratgeber.
Meistens ist das Thema Haare mit Emotionen behaftet, denn sie sind Teil der Identität und eng mit dem Selbstwertgefühl verbunden. Wie sensibel dieses Sujet tatsächlich ist, könnte der Zwischenfall bei der Oscarverleihung im März 2022 zeigen, schreibt Ärztin und Influencerin Dr. Alice Martin in „Alles klar beim Haar?“. Dabei kassierte Comedian Chris Rock auf offener Bühne eine Ohrfeige von Will Smith. Denn er machte einen Glatzenwitz über Smiths Ehefrau Jada Pinkett, die an kreisrundem Haarausfall leidet – in der Medizin auch „Alopecia areata“ (Alopezie) genannt.
Haarausfall! Aber warum?
Zwar halten uns Haare im Winter warm oder helfen uns im Sommer, einen kühlen Kopf zu bewahren, doch theoretisch benötigt sie der Körper nicht zum Überleben. „Haarverlust könne nichtsdestotrotz erheblichen emotionalen Stress erzeugen und zu psychischen Störungen sowie Depressionen führen“, so Dr. Martin. In ihrem Buch erläutert sie unter anderem, was die Ursachen von Haarausfall sein könnten und was man dagegen tun kann.
Verschiedene Gründe
Verliert das Haar seine feste Bindung zur Haarpapille in der Haarwurzel, von der aus es mit wichtigen Nährstoffen versorgt wurde, fällt es aus. Zwar sei Haarausfall der Ärztin zufolge per se erst einmal nichts Unnormales. Erst, wenn man täglich über den ganzen Kopf verteilt mehr als 100 Haare verliert, sprechen Mediziner:innen vom krankhaften Haarausfall – „Effluvium“ genannt. Dieser diffuse Haarausfall wird nicht immer sofort bemerkt. Die Haarbedeckung werde nur lichter, während bei „Alopezie“ sichtbare kahle Stellen entstehen.
„Egal ob diffuser Haarausfall oder kahle Stellen – wer Haare verliert, der sollte zum Hautarzt gehen und die Ursache abklären lassen“, schreibt die Ärztin. Denn eine pauschale Antwort, wie der Verlust ausgelöst wurde, gibt es nicht: „Es gibt genetische, autoimmunbedingte, stressbedingte, medikamenten- oder krankheitsbedingte, infektionsbedingte sowie hormonelle und ernährungsbedingte Ursachen“, so Dr. Martin.
Verliert man täglich über den ganzen Kopf verteilt mehr als 100 Haare, sprechen Mediziner:innen von krankhaftem Haarausfall.
Mögliche Therapien
Bei Mangelernährung entscheidet etwa der Körper die wenigen vorhandenen Nährstoffe klug zu rationieren, um möglichst lange überleben zu können. Überlebenswichtige Organe wie das Gehirn oder das Herz werden weiterhin möglichst gut versorgt – die Haare können ausfallen. Ernährt man sich wieder ausgewogen, bzw. werden die fehlenden Nährstoffe zugeführt – oft ist es Eisenmangel – kommen laut der Ärztin auch die Haare wieder zurück.
Genetisch bedingt
Die Ursache bei Haarverlust bei Frauen ist (genauso wie bei den Männern) ein erhöhter Spiegel des Geschlechtshormons Testosteron. „Der dadurch ebenfalls erhöhte Spiegel von Dihydrotestosteron führt bei Frauen mit der entsprechenden genetischen Veranlagung zur Verkleinerung des Haarfollikels und zur Verkürzung der Wachstumsphase, wodurch die Haare ausfallen bzw. an manchen Stellen nicht mehr durch die Kopfhaut kommen“, so die Medizinerin. Zur medikamentösen Therapie stehe Dr. Martin zufolge nur das Mittel Minoxidil zur Verfügung, das auf die Kopfhaut aufgetragen und einmassiert wird (funktioniert auch bei Männern).
Hormonell bedingt
Hormonschwankungen nach der Schwangerschaft, das Absetzen von Hormonen (z. B. die Pille) oder die Wechseljahre bei Frauen können zu einem hormonbedingten Haarausfall führen. Hatten die Haarprobleme mit der Entbindung zu tun, kann sich das Haarwachstum wieder auf das vorgeburtliche Niveau einpendeln, sobald der ursprüngliche Hormonspiegel erreicht wird. Denselben Effekt gibt es beim Absetzen der Pille. Bei Haarverlust im Klimakterium spielt die genetische Veranlagung eine Rolle (Therapie s. oben unter „genetisch bedingt“). Laut der Ärztin bekommen nicht alle Frauen in den Wechseljahren dünneres Haar.
Als Therapie bei genetisch und hormonell bedingtem Haarausfall hat sich das Mittel „Minoxidil“ bewährt.
Autoimmunbedingt
Wendet sich das Immunsystem plötzlich gegen den eigenen Körper und greift dabei die Haare an, spricht man vom autoimmunbedingten Haarausfall. Zwei Prozent aller Menschen sind in ihrem Leben davon betroffen, informiert Dr. Martin. Die Symptome treten ab dem 25. Lebensjahr auf, Kinder und ältere Menschen können auch betroffen sein. Erbliche Faktoren und sogenannte Triggerfaktoren wie Stress oder Viren können dafür verantwortlich zeichnen. Die häufigste Form des autoimmunbedingte Haarausfalls ist „Alopecia areata“ (Krankheit von Jada Pinkett Smith). Dagegen kann man durch externe Mittel wie z. B. Glucocorticoide wie Cortison und interne Arzneien wie Biologica vorgehen.
Stressbedingt
„Zwischen Stress und Haaren gibt es einen Zusammenhang“, schreibt die Ärztin. Der Körper werde bei chronischem Stress in einen dauerhaften Alarmzustand versetzt und könne sich kaum oder gar nicht mehr erholen. Dabei wird viel Blut zu den lebenswichtigen Organen im Körperinneren wie dem Herzen und dem Gehirn geschickt und die Haut wird aufgrund der Verengung der Blutgefäße nicht mehr gut durchblutet. Dadurch werden die Haare schlechter mit Nährstoffen versorgt und können ausfallen. Neben Stressabbau hilft eine Versorgung mit Vitalstoffen. Besteht die Belastung über viele Jahre, können die Haarfollikel jedoch nicht mehr regenerieren und der Haarzustand kann der Medizinerin zufolge entsprechend bestehen bleiben.
Krankheitsbedingt
Störungen der Schilddrüse (Hashimoto) oder Diabetes können Haarausfall begünstigen. Das liege an einer Mangelversorgung der Kopfhaut mit wichtigen Nährstoffen. Auch hier fokussiert der Körper seine Ressourcen auf die überlebenswichtigen Organe, wobei die Haare oft zu kurz kommen. Auch hier kann man den Haarwuchs durch eine Versorgung mit fehlenden Vitalstoffen wieder fördern.
Infektionsbedingt
Gerät das Mikrobiom der Haut aus dem Gleichgewicht, kann es zu Infektionen kommen – ausgelöst durch Eindringlinge wie Bakterien oder Pilze. Die Follikulitis, eine Entzündung der Haarfollikel, ist die bedeutendste Form der bakteriellen Haar-Infektion. Leichte Formen müssen nicht behandelt werden. Bei schweren Follikulitis-Formen werden Cremes oder Tabletten mit Antibiotika verschreiben. Mit Antimykotika (Antipilzmittel) in Form von Shampoos, Cremes oder Tabletten behandelt man Pilzinfektionen.
Alopecia medicamentosa. Auch einige Medikamente können Haarausfall begünstigen (siehe re. oben), der allerdings mit dem Absetzen wieder nachlässt.