Expertenwissen
Was tun bei Neurodermitis?
28.09.2023Neurodermitis ist eine chronisch-entzündliche und schubweise verlaufende Hauterkrankung. Sie ist gekennzeichnet durch massiven Juckreiz.
Trockene, rissige, rote und vor allem juckende Haut ist typisch bei Neurodermitis. Diese chronisch-entzündliche, nicht ansteckende Hauterkrankung kann sich z. B. an Händen, Armbeugen, Beinen oder im Gesicht manifestieren. Die Symptome treten dabei in Schüben auf – sie werden meist ausgelöst durch Allergene wie Pollen, Hausstaub oder chemische Substanzen. Verursacht werden kann atopische Dermatitis etwa durch ein fehlgeleitetes Immunsystem oder Störungen der Hautbarriere und des Mikrobioms.
Darum wird die Hauterkrankung immer häufiger
Etwa zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen sind hierzulande von der Hautkrankheit betroffen, weltweit steigt die Häufigkeit. Wie eine Literaturstudie mit globalen Daten zeigt, führte schlechte Luftqualität in vielen Gegenden der Welt in den letzten Jahren offenbar zu einem deutlichen Anstieg der neurodermitisbedingten Krankenhauskontakte. Betroffene sollten laut den Forschenden daran denken, dass sich bei hoher Schadstoffkonzentration in der Luft ihre Symptome verschlimmern können.
Psychische Belastung
Die Lebensqualität von Menschen mit Neurodermitis wird auch oft massiv beeinträchtigt, wie eine internationale Studie zeigt. Über Juckreiz an mindestens drei Tagen in der Woche klagen demnach 71,4 Prozent der Patient:innen. „Dieser Juckreiz ist enervierend und dadurch leiden die Betroffenen unter permanentem Stress, der sich im Alltag zeigt: Der Nachtschlaf wird gestört, die Betroffenen sind oft sehr nervös und ungeduldig“, so Dr. Sylvia Perl-Convalexius, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten.
Die Beschwerden können in manchen Fällen auch zu Depressionen führen. Darüber hinaus ziehen sich 69,4 Prozent der Betroffenen aufgrund ihres Aussehens aus der Gesellschaft zurück. In Österreich ist aber der Dermatologin zufolge der Zugang zu Therapien sehr einfach und hilft Betroffenen rasch, den Juck-Kratz-Kreislauf zu durchbrechen und damit die Lebensqualität zu verbessern.
Moderne Therapien
In den vergangenen Jahren konnten große Fortschritte in der Neurodermitis-Behandlung verzeichnet werden. Auch wenn die chronische Hauterkrankung noch immer nicht heilbar ist, kann man durch innovative Behandlungsmethoden – wie etwa durch den Einsatz von „Systemtherapien“ – die Beschwerden deutlich lindern und somit die Lebensqualität der Patient:innen wesentlich optimieren. Expert:innen sind allerdings der Meinung, dass die Betroffenen in puncto Behandlungsoptionen besser aufgeklärt werden müssen.
Expertenwissen
Dr. Sylvia Perl-Convalexius, Fachärztin für Haut- und Geschlechtskrankheiten, verrät im gesund&fit-Interview, welche Therapieoptionen derzeit zur Verfügung stehen.
Wie wird Neurodermitis behandelt?
Dr. Sylvia Perl-Convalexius: Die Therapie richtet sich immer nach der Schwere der Erkrankung. Es gibt leichtere Formen der Neurodermitis, bei denen es nur zu einzelnen Ekzem-Stellen kommt. Sind größere Flächen betroffen, spricht man von mittelschwerer Neurodermitis. Schwere atopische Dermatitis ist durch schwer ausgeprägte Ekzeme gekennzeichnet. Die Basis der Neurodermitisbehandlung – unabhängig vom Schweregrad der Erkrankung – bildet immer eine intensive Hautpflege mit rückfettenden, pflegenden Cremen, Salben oder Lotionen. Damit werden die fehlenden Lipide der Haut ersetzt. Je nach Entzündungsstadium kommen dann auch z. B. Calcineurin-Inhibitoren oder kortisonhaltige Cremen zum Einsatz. Bei mittelschwerer und schwerer Neurodermitis wird systemisch behandelt mit sogenannten Januskinase-Inhibitoren in Tablettenform (gehören zu den kleinen Molekülen) oder Biologika (große Moleküle) als subkutane Injektion.
Was bedeutet „systemische Behandlung“?
Dr. Perl-Convalexius: Die atopische Dermatitis ist eine systemische Erkrankung, das heißt sie betrifft den ganzen Körper, daher wird sie auch „systemisch“ therapiert. Moderne Systemtherapien wirken innerlich, sie werden oral eingenommen oder gespritzt – im Gegensatz zur topischen Behandlung (lokal z. B. als Salbe). Sie beeinflussen gezielt das Immunsystem und unterbrechen so den Entzündungsprozess. Dadurch kommt es zu einer deutlichen Reduzierung der typischen Beschwerden. Durch den Einsatz von Biologika – wie etwa den Wirkstoff Dupilumab (zugelassen ab 6 Monaten) konnte man eine starke Therapie-Verbesserung erwirken. Biologika sind die ersten Arzneien, die systemisch gegeben werden konnten und sie haben geringe Nebenwirkungen. Diese monoklonalen Antikörper blockieren die Entzündung. Die Januskinase-Inhibitoren (kleine Moleküle) wie etwa Baricitinib (ab 18 Jahren), Upadacitinib (ab 12 Jahren) und Abrocitinib (ab 18 Jahren) stellen eine weitere Verbesserung der Behandlung dar. Sie werden oral eingenommen, greifen ebenfalls in den Entzündungskreislauf ein und blockieren ihn.
Welche Maßnahmen können noch helfen?
Dr. Perl-Convalexius: Jede psychologische Unterstützung zur Stressreduktion, um den Alltag in ein gewisses Gleichgewicht zu bringen, ist begrüßenswert. Yoga und autogenes Training sind hilfreich, doch Sportarten, bei denen man viel schwitzt, sind kontraproduktiv. Allerdings müssen das die Patient:innen für sich entscheiden. Urlaub am Meer oder in den Bergen wird auch empfohlen, da es dadurch zur Stressreduktion kommt und durch die klimatische Veränderung die Entzündung gehemmt wird. Auch die Lichttherapie hilft, die schwere Entzündung zu durchbrechen.