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Doktor Smartwatch: Wie gut sind die Wearables wirklich?
12.11.2024In Österreich gab es im Jahr 2022 fast 800.000 Nutzer:innen von Wearables - Tendenz steigend. Wearables sind immer besser für die Gesundheit nutzbar. Mit einigen Modellen kann sich nun sogar jeder selbst ein EKG anfertigen.
SmartWATCH – dabei handelt es sich nur noch am Rande um eine Uhr. Eigentlich sind es vielmehr Minicomputer im Armbanduhren-Stil, die mittlerweile neben Schritten und Kalorien zählen, sogar schon EKGs erstellen und den Blutdruck messen können.
Die Deutsche Gesellschaft für Kardiologie stellte die kleinen Alleskönner auf die Probe. Sind die aufgezeichneten, medizinischen Daten einer Smartwatch vertrauenswürdig? Die Antwort ist: Ja. 95 Prozent der untersuchten Patient:innen mit klinisch dokumentiertem Vorhofflimmern diagnostizierte auch die Apple Watch richtig. Die „Watch AF“-Studie mit einer Samsung Gear Fit II Smartwatch lieferte ähnlich gute Werte für das Erkennen von Vorhofflimmern. Und auch die Wissenschaftler:innen des Deutschen Zentrums für Herz-Kreislauf-Forschung kamen nach ihrer Studie, an der über 500 Personen mit und ohne Vorhofflimmern teilgenommen hatten, zum selben Ergebnis: Smartwatches können seriöse, medizinische Daten aufzeichnen.
Der Kardiologe Priv.-Doz. Dr. Max-Paul Winter (tätig im Herz Zentrum Währing, kardiologe-winter.at) warnt trotzdem: „Wenn es um wichtige Diagnosen wie Vorhofflimmern geht, müssen wir die Ergebnisse nochmal beim Arzt überprüfen.“ Von Selbstdiagnosen mit der Smartwatch rät er dringend ab. Ein großes Risiko liegt nämlich beim Menschen selbst. Uns als Otto-Normal-Verbraucher:innen können bei der Messung leicht Fehler passieren: Die Sensoren können verschmutzt sein, wir sind nicht komplett ruhig usw.
Egal also, wie genau die Smartwatch ist, sie kann nur damit arbeiten, was wir ihr geben. Die neue technologische Entwicklung der Wearables bringt gleichzeitig aber auch große Vorteile für die Kardiologie. Dr. Winter verrät im Interview mit gesund&fit, wie die Medizin von den Smartwatch-Messdaten profitieren kann und welche Erfahrungen er in seiner Ordination damit gemacht hat.
Smartwatches werden zunehmend zur Erhebung persönlicher Gesundheitsparameter eingesetzt. Für wie sinnvoll halten Sie diese Entwicklung?
Dr. Winter: Das ist in der Tat ein zweischneidiges Schwert. Einerseits finde ich es positiv, dass Menschen Smartwatches nutzen, um ein Bewusstsein für ihre Gesundheit zu entwickeln. Andererseits besteht die Gefahr, dass Nutzer:innen so sehr in diese Überwachung eintauchen, dass sie kleine Auffälligkeiten überinterpretieren und sich unnötig Sorgen machen.
Welche Funktionen der Wearables halten Sie für besonders relevant und nützlich?
Dr. Winter: Eine Funktion, die ich als sehr hilfreich erachte, ist das EKG. Viele Patient:innen kommen mit Herzrhythmusstörungen zu uns. Wenn während unserer Untersuchungen keine Auffälligkeiten auftreten, wissen wir nicht genau, was los ist. Mit einer Smartwatch mit EKG-Funktion kann man Daten regelmäßiger aufzeichnen. Patient:innen nehmen diese dann zum nächsten Termin mit. Am meisten Erfahrung haben wir mit Daten der Apple Watch, da diese am weitesten verbreitet ist. Allerdings muss man beachten, dass die Aufzeichnungen nicht diagnostisch sind. Sie sind professionellen EKGs weit unterlegen. Wenn es um wichtige Diagnosen wie Vorhofflimmern geht, müssen wir die Ergebnisse noch einmal mit einem medizinischen Gerät überprüfen. Was bei der Apple Watch jedoch sehr gut funktioniert, ist die automatische Erkennung von unregelmäßigem Herzschlag. Wir haben bereits einige Patient:innen gesehen, bei denen die Uhr im Screening Vorhofflimmern richtig erkannt hat.
Inwiefern unterscheidet sich das EKG der Smartwatch von einem medizinischen?
Dr. Winter: Das Smartwatch-EKG ist ein Ein-Kanal-EKG, während wir in der Klinik 12-Kanal- (Standard) bzw. Drei-Kanal-EKGs (Langzeit) verwenden. Auch die Aufzeichnungsdauer unterscheidet sich stark. Jene der Smartwatches dauert nur 30 Sekunden – das ist deutlich kürzer als unsere Untersuchungen, die bis zu 24 Stunden lang dauern können. Außerdem haben wir spezielle Software zur Unterstützung der Befundung. Bei den Wearables wird das EKG „einfach“ als PDF gespeichert. Dieses selbst zu interpretieren ist übrigens nicht sinnvoll, denn selbst ein gut aufgezeichnetes EKG zu interpretieren, erfordert viel Erfahrung. Wenn jemand Bedenken hat, sollte er sein EKG einem/r Ärzt:in zeigen.
Wenn wir einen Blick in die Zukunft werfen: Was erwarten Sie als Kardiologe von den zukünftigen Entwicklungen bei Smartwatches?
Dr. Winter: Um ehrlich zu sein, sind wir mit den derzeit verfügbaren Funktionen der Smartwatches schon an der Oberkante dessen angekommen, was sinnvoll ist. Die Ableitungen sind relativ einfach. Wenn es um konkrete Diagnosen geht, werden wir auch in Zukunft zur Ärztin, zum Arzt gehen müssen. Ein Bereich, der jedoch zunehmend an Bedeutung gewinnen wird, ist die Blutdruckmessung.
Blutdruck messen mit einer Smartwatch? Wie funktioniert das?
Dr. Winter: Smartwatches können Pulswellen aufzeichnen, indem sie den Sauerstoffsensor nutzen. Man kann klar erkennen, wie eine Pulswelle durchläuft, und anhand der Eigenschaften dieser Pulswelle kann die Software rückrechnen, wie hoch der Blutdruck gewesen sein muss. Allerdings funktioniert das nur, wenn die Uhr zuvor mit einem herkömmlichen Gerät geeicht wurde. Das bedeutet, man misst seinen Blutdruck mit einem Blutdruckmessgerät und gibt der Uhr zu dem Zeitpunkt an: „Ich hatte 120/80 mmHg.“ Diese Kalibrierung muss regelmäßig erfolgen. Diese Geräte werden von uns allerdings noch nicht empfohlen, da die Technologie sehr neu ist und wir bisher nur wenige Patient:innen haben – meist junge Menschen, die besonders technikaffin sind.