Gehörlose hörend machen

10.11.2009

Eines von 1.000 Kindern wird taub geboren. In Österreich gelingt es mit Hilfe von implantierbaren Hörsystemen möglichst im ersten Lebensjahr bei praktisch allen Betroffenen, ein ausreichendes Hörvermögen und gleichzeitig einen weitgehend normalen Spracherwerb zu gewährleisten. Dies erklärte der Vorstand der Universitätsklinik für HNO-Erkrankungen am Wiener AKH (MedUni Wien), Wolfgang Gstöttner, bei einem Hintergrundgespräch.

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Über einen Mangel an Patienten brauchen sich die HNO-Spezialisten nicht zu beklagen. 55 Prozent der über 60-Jährigen haben eine Hörschädigung. 15 Prozent der 20- bis 69-Jährigen haben beispielsweise in den USA eine durch Lärm bedingte Schwerhörigkeit (USA). 17 Prozent der Gesamtbevölkerung weisen ein ramponiertes Hörvermögen auf.

Bereits taub geboren wird eines von 1.000 Babys. Hier haben implantierbare Hörsysteme eine Revolution hervorgerufen. Spezialisten der HNO-Universitätsklinik waren von Anfang der Entwicklung dabei. Mittlerweile werden an der Wiener Klinik pro Jahr rund 80 solcher Eingriffe durchgeführt, bei denen eine Stimulationssonde in die Hörschnecke eingesetzt und über elektrische Signale und die dadurch hervorgerufene Stimulation des Hörnervs ein akustisches Signal verursacht wird.

Gstöttner: "Das Chochlea-Implantat ist ein Chip, eine Prothese, die das Gehirn stimuliert. Das ist die erfolgreichste Methode zur Neurostimulation. Bei einer Implantation im ersten Lebensjahr hören die Kinder schließlich wie normal hörende Kinder." Das ist der Plastizität des Gehirns der Babys zu verdanken, das sich einfach dem künstlich geschaffenen Hörerlebnis anpasst. Dadurch können sie aber nicht nur hören, sie haben auch einen weitestgehend normalen Spracherwerb. Je älter die Kinder, desto schlechter ist das Ergebnis.

Der Experte: "Wir können praktisch alle betroffenen Kinder so versorgen." Hier kommt es auf den Spracherwerb an. Ist die Sprachentwicklung aber einmal abgeschlossen, kann nach einem beidseitigen Hörsturz etc. ein solches System ebenfalls implantiert werden - dann wird der Defekt ebenfalls überbrückt. Was das Gehirn an Sprachverständnis einmal gelernt hat, "vergisst" es nicht.

Neue Operationsmethode

Eine Neuentwicklung - hier ist die Wiener HNO-Universitätsklinik offenbar weltweit führend - betrifft Menschen, die zwar noch stabil tiefe Töne hören können, aber einen Verlust des Hochton-Hörens aufweisen. Bei der herkömmlichen Implantation von Hörsystemen beseitigt man den Inhalt der Hörschnecke und ersetzt ihn. Doch damit würde man bei diesen Patienten etwas ruinieren, was noch funktioniert. Deshalb wurde eine Operationsmethode entwickelt, bei der die Elektrode für die Stimulierung des Hörnervs so schonend verlegt werden kann, dass das noch vorhandene Hörvermögen erhalten bleibt, der Patient aber danach wieder Hörreize von hohen Tönen "empfangen" und verarbeiten kann. Das geschieht, indem man die eröffnete Schnecke mit Cortison-haltiger Lösung so "abdeckt", dass die in ihr enthaltene Flüssigkeit bewahrt wird.

Dieses buchstäblich minimal-invasive Operationsverfahren en könnte in Zukunft auch zur lokalen und womöglich besser wirksamen Therapie von schweren Hörschädigungen eingesetzt werden. Cortison scheint nämlich beispielsweise zu einer Regeneration der Haarzellen im Innenohr beitragen können. Beim Hörsturz wird es längst eingesetzt, doch die Wirkung ist bei Einnahme via Infusionen etc. beschränkt. Direkt im Innenohr scheint der Effekt größer zu sein.

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