Strategien gegen das Coronavirus
Covid-19: Hoffnung auf Therapie
27.04.2020
Während unser Leben stillsteht, wird in Laboren weltweit auf Hochdruck an Impfstoffen und Medikamenten gearbeitet. Erfolgsmeldungen nähren die Hoffnung auf Eindämmung.
Ein Virus lässt sich nicht umbringen. Denn Viren leben nicht. Sie sind schlichtweg pure Information ohne eigenen Stoffwechsel – Erbmoleküle, die in Eiweiß verpackt sind. Das neuartige Coronavirus ist ein sogenanntes RNA-Virus (Anm.: RNA steht für Ribonukleinsäure). Sein primärer Zweck ist, wie bei allen anderen Viren auch, seine Fortpflanzung. Dafür benötigt es die lebendige Zelle. Dabei nutzt das Virus die Zellmaschinerie der befallenen Zelle aus und zwingt sie förmlich, neue Viruspartikel herzustellen. Beim Coronavirus geschieht diese Vervielfältigung vor allem im Rachenbereich – weitergehend bis in die Lunge, was zu trockenem Husten und Atembeschwerden/Atemnot bis hin zu einer schweren Lungenentzündung – einhergehend mit hohem Fieber – führen kann.
Viren lassen sich zwar nicht umbringen, aber sie lassen sich bremsen. Es ist z. B. möglich, Viren daran zu hindern, an menschlichen Zellen anzudocken. Man kann ihre Kopiermechanismen stoppen oder ihre Zusammensetzung stören. Man kann sie sogar in einer Zelle gefangen halten, um zu verhindern, dass sie weitere Zellen befallen. So werden derzeit im Kampf gegen das neuartige Coronavirus viele Ansätze verfolgt – und zwar zur präventiven (Anm.: vorbeugenden) sowie zur symptomatischen Behandlung.
Warten auf ein Schutzmittel
Bei den allermeisten Infizierten nimmt eine Erkrankung mit dem Coronavirus – in der Fachsprache Covid-19-Erkrankung – einen milden Verlauf. 14 Prozent erkranken jedoch schwer, sechs Prozent sogar kritisch – sie müssen auf einer Intensivstation behandelt werden. Wer künstlich beatmet werden muss, schwebt zwischen Leben und Tod.
Entscheidend für die Rückkehr in einen gewohnten Alltag ist daher die Entwicklung eines Impfstoffes, der in der Lage ist, Menschen vor einer Ansteckung mit den Viren namens SARS-CoV-2 zu schützen. Hinreichend Erfahrungen mit Coronaviren (darunter MERS) gibt es bereits und sie bilden eine gute Basis für eine rasche Entwicklung eines SARS-CoV-2 -Impfstoffes. Zudem existieren bereits erprobte und sichere Trägerwirkstoffe oder Impfstoffträger (Anm.: Vakzine-Vektoren), die für eine Impfstoffherstellung genutzt werden und so die Entwicklungsprozesse abkürzen können.
Den Körper wappnen
Die sogenannte Sequenz des neuartigen Coronavirus ist seit Wochen bekannt. Darin stecken alle Informationen für seine Vermehrung – aber auch für die Herstellung jener Bestandteile, auf die der Körper nach einer Impfung mit der Bildung von Antikörpern und anderen Abwehrstoffen reagiert. Vielversprechend sind Forschungsansätze, die sich auf das sogenannte Spike-Protein der Virushülle konzentrieren. Dieses Bindungsprotein, das den Viren ihr kronenförmiges Aussehen verleiht (Anm.: Corona ist lat. für Krone), wird von den Viren dazu genutzt, um an die menschliche Zelle anzudocken. Ziel einer Impfung ist es, eine Immunreaktion des Körpers hervorzurufen, die Viren darin hindert, in die Zellen einzudringen.
Die sogenannte Sequenz des neuartigen Coronavirus ist seit Wochen bekannt. Darin stecken alle Informationen für seine Vermehrung – aber auch für die Herstellung jener Bestandteile, auf die der Körper nach einer Impfung mit der Bildung von Antikörpern und anderen Abwehrstoffen reagiert. Vielversprechend sind Forschungsansätze, die sich auf das sogenannte Spike-Protein der Virushülle konzentrieren. Dieses Bindungsprotein, das den Viren ihr kronenförmiges Aussehen verleiht (Anm.: Corona ist lat. für Krone), wird von den Viren dazu genutzt, um an die menschliche Zelle anzudocken. Ziel einer Impfung ist es, eine Immunreaktion des Körpers hervorzurufen, die Viren darin hindert, in die Zellen einzudringen.
Gemeinhin werden für die Entwicklung von Impfstoffen dreizehn bis 15 Jahre veranschlagt. Da die Forschung im Kampf gegen SARS-CoV-2 laut Experten jedoch nicht bei null ansetzen müsse, sondern auf vorhandene Entwicklungsprojekte zurückgreifen könne und es sich bei einer Pandemie um eine Krisensituation handle, lasse sich eine Zulassung beschleunigen. Ein Zeitpunkt, wann mit einer wirksamen präventiven Impfung zu rechnen sei, lasse sich derzeit jedoch noch nicht festmachen. Forscher der Universität Oxford überraschten kürzlich mit einer Meldung, einen massentauglichen Impfstoff innerhalb der nächsten fünf Monate auf den Markt bringen zu können. Zurückhaltender sind die Stimmen aus der Politik. Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sagte im Rahmen einer Pressekonferenz: „Ich wäre sehr überrascht, wenn wir im heurigen Jahr einen Impfstoff hätten.“ EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sprach am Osterwochenende vorsichtig optimistisch von „Ende 2020“.
Arbeit an künstlichen Wirkstoffen zur Symptombehandlung
Ein Medikament, das in schweren Fällen wirkt und so Intensivstationen entlasten könnte, wäre bereits eine große Erleichterung. Noch gibt es kein zugelassenes Mittel, das schwer Erkrankten zu einer (rascheren) Genesung verhelfen könnte. Doch es gibt Lichtblicke.
Die Vermehrung hemmen
Einiges erhoffen sich Wissenschafter von antiviralen Wirkstoffen, die bereits zur Behandlung anderer Krankheiten eingesetzt werden: So etwa das Ebola-Medikament Remdesivir. Derartige Wirkstoffe kommen derzeit in Notfällen im Zuge experimenteller Therapien zum Einsatz. Mediziner greifen also zu einem Mittel, das nicht für das aktuelle Leid entwickelt wurde, von dem sie sich aber begründete Hilfe versprechen. So etwas nennt sich „Off-Label-Use“ – ein individueller Heilversuch. Antivirale Medikamente könnten – so die Annahme – das neue Virus an seiner Weitervermehrung hindern. So wird etwa Remdesivir bei der Virusvermehrung in Zellen als falscher Baustein in die entstehende RNA-Erbsubstanz eingebaut und stoppt dann die Bildung neuen Virus-Erbguts. Die Ergebnisse einer laufenden Studie sollen im Mai oder Juni vorliegen.
Einiges erhoffen sich Wissenschafter von antiviralen Wirkstoffen, die bereits zur Behandlung anderer Krankheiten eingesetzt werden: So etwa das Ebola-Medikament Remdesivir. Derartige Wirkstoffe kommen derzeit in Notfällen im Zuge experimenteller Therapien zum Einsatz. Mediziner greifen also zu einem Mittel, das nicht für das aktuelle Leid entwickelt wurde, von dem sie sich aber begründete Hilfe versprechen. So etwas nennt sich „Off-Label-Use“ – ein individueller Heilversuch. Antivirale Medikamente könnten – so die Annahme – das neue Virus an seiner Weitervermehrung hindern. So wird etwa Remdesivir bei der Virusvermehrung in Zellen als falscher Baustein in die entstehende RNA-Erbsubstanz eingebaut und stoppt dann die Bildung neuen Virus-Erbguts. Die Ergebnisse einer laufenden Studie sollen im Mai oder Juni vorliegen.
Neuartige Coronaviren „aufsaugen“ will der österreichische Genetiker Josef Penninger (Forscher und Gründungsdirektor des IMBA/Institut für Molekulare Biotechnologie der Ö. Akademie der Wissenschaften). Der Co-Gründer des Wiener Biotech-Unternehmens Apeiron und sein Team sammeln bereits seit 2005 wichtige Erkenntnisse über Coronaviren, wie jenen die 2003 für den Ausbruch der Lungenkrankheit SARS sorgten. Auf dieser Forschung wurde nun rasch aufgebaut. Im Fokus der Forscher steht der Medikamentenkandidat APN01 (rhACE2). Dabei handelt es sich um ein synthetisches Enzym mit dem Potenzial, die Infektion von Zellen durch das neuartige Virus SARS-CoV-2 zu blockieren. Der Wirkstoff sei in der Lage, die Viren zu binden und wie eine Art Schwamm aufsaugen, sodass sie keine Zellen mehr infizieren können. Gleichzeitig sollen durch das Enzym schädliche Entzündungsreaktionen in der Lunge reduziert und ein Schutz vor akutem Lungenschaden und einem Atemnotsyndrom aufgebaut werden. An Organoiden (Anm.: winzige, organähnliche Strukturen, die man aus menschlichen Stammzellen kultivieren kann) wurde bereits getestet, wie das neuartige Coronavirus menschliches Gewebe befällt und wie man es mit dem Wirkstoff stoppen kann. „Im Rahmen der Phase-II-Studie sollen 200 schwer an Covid-19 erkrankte Patienten behandelt werden“, hieß es in eine Aussendung des Unternehmens. Ergebnisse könnten mit Sommer zu erwarten sein.
Blutplasma als Heilmittel
Hilfe für schwer Erkrankte könnte auch vonseiten der Genesenen kommen. In Wien sollen mit einem der beteiligten Entwicklungszentren des Pharmakonzerns Takeda wesentliche Arbeiten für ein schnelles Gegenmittel gegen schwere Covid-19-Erkrankungen entwickelt werden: Gearbeitet wird an Hyperimmunglobulin-Präparaten, die hoch konzentriert Antikörper gegen SARS-CoV-2 enthalten. Gewonnen werden diese aus Blutplasma von Patienten, welche die Erkrankung überstanden haben. Binnen neun bis 18 Monaten könnte dieses Medikament zur Zulassung gebracht werden. Bis die ersten Kandidaten die Ziellinie passiert haben, müssen sich die Körper der Erkrankten selbst zu helfen wissen. Welche Fortschritte die Medizin bei der symptomatischen Behandlung macht, verrät der Leiter der Intensivstation der Innsbrucker Univ.-Klinik für Innere Medizin, Univ.-Prof. Dr. Michael Joannidis.
Welche Fortschritte konnten im Bereich der Behandlung von Intensivpatienten verzeichnet werden?
Prof. Dr. Michael Joannidis: Es konnten schonende Beatmungsformen entwickelt werden. Hervorzuheben ist zudem eine verbesserte Technik und Sicherheit im Einsatz der Extrakorporalen Life-Support-Systeme (z. B. ECMO = extrakorporale Membrane Oxygenation). Weiters: eine verbesserte Technik bei der Nierenersatztherapie.
Was sind derzeit die größten Herausforderungen?
Prof. Joannidis: Es gilt, antivirale Therapiemöglichkeiten zu verbessern, mit neuen Antibiotikaresistenzen umzugehen und die Therapie der Sepsis weiterzuentwickeln. (Anm. zu Sepsis: Was im Volksmund als Blutvergiftung bezeichnet wird, ist eine Überreaktion des Körpers, die zu einem Mehrfachorganversagen und/oder zu einem septischen Kreislaufversagen und damit zum Tod führen kann.)
Viel wird über den experimentellen Einsatz diverser antiviraler Medikamente berichtet. Wann könnte es ein zugelassenes Heilmittel geben?
Prof. Joannidis: Die Wirksamkeit der unterschiedlichen antiviralen Substanzen bei Covid-19-Patienten ist bislang nicht sicher einzuschätzen. Vieles beruht auf einzelnen Fallberichten. Es laufen derzeit mehrere große Studien, die diese Frage systematisch untersuchen.
Ist bekannt, welche Folgeschäden das Virus verursachen könnte?
Prof. Joannidis: Es ist noch zu früh, um hier verlässliche Aussagen zu treffen. Eine Langzeitschädigung der Lunge ist möglich, je nachdem, wie schwer das Organ vom Virus befallen ist, wie schwer die damit verbundene Entzündungsreaktion ausfällt und wie lange es nötig ist, die Patienten aus diesem Grund zu beatmen. Seltener könnten auch Probleme in der Herzfunktion (Anm.: bei einer Herzbeteiligung), der Nierenfunktion oder des Nervensystems auftreten.
Univ.-Prof. Dr. Michael Joannidis. Leiter der Internistischen Intensivstation der MedUni Innsbruck; www.i-med.ac.at
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