Endlich schmerzfrei

Den Rücken selbst heilen

11.03.2016

Multimodaler Ansatz zur Schmerztherapie

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Eine Operation verspricht ein schmerzfreies Leben – propagieren gängige Rückentherapiekonzepte. Dr. Marianowicz, eine Koryphäe der Rückengesundheit, weiß, dass die Psyche entscheidend ist.

Weniger als 50 Prozent aller Patienten mit akuten Rückenschmerzen werden adäquat behandelt
Wussten Sie, dass nicht einmal die Hälfte aller  Patienten mit akuten Rückenbeschwerden eine adäquate Therapie erhalten? Und dass eine Rückenoperation so gut wie nie notwenig wäre? Warum? Das erklärt Dr. Martin Marianowicz, Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Schmerztherapie:

„Für den Rückenschmerz braucht es immer zwei Faktoren: den Rücken – der allerdings nicht immer beteiligt ist – und das Gehirn, das ausnahmslos am Schmerz beteiligt ist. Denn Schmerz wird nicht nur im Kopf wahrgenommen, er kann auch dort entstehen. Das zeigt ein Beispiel aus der Praxis: Bei vielen Patienten bleibt eine Bildgebung ohne Befund und dennoch leiden sie seit geraumer Zeit an Rückenschmerzen. Bei wiederum 92 Prozent aller 70-Jährigen zeigt die Bildgebung organische Schäden, nur 15 Prozent davon haben jedoch Schmerzen. Deshalb gilt, ein Bild mit Befund ohne persönliches Leid ist eine Erkenntnis der Orthopädie und keine Erkrankung, die zwingend operiert gehört. Andererseits ist eine Person ohne Befund mit starken Schmerzen nicht ihrem Schicksal überlassen, sondern darf auf adäquate Behandlung zählen. Denn der Schmerz als Symptom kann sich im Laufe der Zeit zur alleinstehenden Krankheit, dem Rückenleid, entwickeln – es kommt zur Chronifizierung.“

Deshalb propagiert der Münchner Top-Arzt und Leibarzt vieler Promis: Bei der Diagnose eines Rückenleidens sollte auch immer die Psyche des Patienten miteinbezogen werden. Sprich: Der Mediziner beschäftigt sich nicht nur mit den körperlichen Ursachen, sondern setzt sich zusätzlich mit der Psyche seiner Patienten auseinander. Aus dieser Verschmelzung von Körper und Geist entwickelte sich die multimodale Schmerztherapie. Bewegung, Medikation und vor allem psychotherapeutische Schmerztherapie verhelfen in nur drei Schritten zu reduziertem Leid und mehr Lebensqualität. Wie das genau gelingt, verrät er in gesund&fit.



Vom Symptom zur Krankheit
„Häufige Opfer von Chronifizierung werden die Übertherapierten, die ungenügend Therapierten (Anm.: Ursache wird nicht gefunden) und die OP-Opfer – 40 Prozent aller Operierten kehren innerhalb eines Jahres mit wiederkehrenden, teils stärkeren Schmerzen in die Therapie zurück“, so der Experte. Wer länger als drei Monate an Rückenschmerzen leidet, gilt als chronisch krank. „Jedoch: Nur weil jemand zwölf Wochen lang nicht hinreichend behandelt wurde“, so Dr. Marianowicz, „muss er nicht ein Leben lang leiden.“



Die multimodale Schmerztherapie
Die gute Nachricht: Rückenleid ist eine gesunde Krankheit. „Hat man derartige Beschwerden, sind diese weder lebensbedrohlich, noch verkürzen sie die Lebenserwartung. Aber dennoch können die Schmerzen die Lebensqualität dramatisch einschränken“, erklärt Dr. Marianowicz, dessen 3-Schritte-Programm auf den neusten wissenschaftlichen Erkenntnissen aus Neurologie, Psychologie, Physiotherapie sowie Schmerzforschung basiert und die physischen, psychischen und sozialen Einflussfaktoren berücksichtigt. Wer sich generell in einer psychisch belastenden Lage befindet, leidet stärker – im wahrsten Sinne des Wortes: Der Schmerz wird mit stärkerer Intensität wahrgenommen. Das wiederum führt meist zu Krankenständen, Antriebslosigkeit und letztendlich zur vollständigen sozialen Isolation, was die Schmerzen noch mehr verschlimmert, da man sich auf diese verstärkt fokussiert. So kann bereits Ablenkung der erste Weg zur Besserung sein.

Es gilt, den Schmerz anzunehmen, sich mit seiner Krankheit und den vielfältigen Ursachen anzufreunden. Denn dadurch gestaltet der Patient nicht mehr den Alltag um den Schmerz, sondern integriert diesen – er wird mobiler, der Körper wird gestärkt und durch Ablenkung gerät der Schmerz in den Hintergrund. Das versteht man unter Selbstheilung. Und so geht’s: In der ersten Phase gilt es, die akuten Schmerzen zu bekämpfen. Wichtig: „Die medikamentöse Schmerztherapie muss über längeren Zeitraum durchgezogen werden, ehe man beginnt, die Medikamente langsam ausschleichen zu lassen, um einen Rückfall in sein Schmerzschema zu verhindern – die Psyche ist weiterhin auf Schmerz eingestellt“, so der Experte. Hat man die akuten Schmerzen erstmal im Griff, gilt es, den im Schmerzgedächtnis verankerten Restschmerz anzunehmen, idealerweise auszulöschen und die Ursache zu finden. Um den Schmerz dauerhaft abzustellen, kommt es in Schritt drei zu Lebensstiländerungen, die zu mehr Wohlbefinden im Alltag führen.
Wichtig: Versteifen Sie sich nicht auf einen Therapieansatz. Denn in Sachen Rücken gilt: „Was heilt, hat recht“, so der Experte.

 

© GU-Verlag


Den Rücken selbst heilen
Schmerzfrei werden und bleiben – das ganzheitliche Programm. Von Wirbelsäulenexperte Dr. Martin Marianowicz. Erschienen im GU-Verlag um 20,60 Euro.
Dr. Martin Marianowicz
Facharzt für Orthopädie, Chirotherapie, Sportmedizin und Schmerztherapie, Buchautor.
www.marianowicz.de

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