Jede zehnte Frau leidet an der angeborenen Fettverteilungsstörung Lipödem. Wie Sie die „Reiterhosen“-Erkrankung erkennen und bekämpfen. Plus: eine Betroffene erzählt.
Die zahllosen jahrelangen Diäten manifestierten sich in einer schweren Essstörung, ohne auch nur den geringsten Erfolg zu zeigen: Schauspielerin Madlen Kaniuth (40) aß kaum noch etwas, ihre Beine, vor allem die Oberschenkel – auch Oberarme – wurden trotzdem stetig dicker, während der Oberkörper gleichbleibend schmal war. 20 Jahre dauerte es, bis dem deutschen Soap-Star („Alles was zählt“) die Diagnose Lipödem gestellt wurde. Lipödem (Adiposis dolorosa), im Volksmund Säulenbeine und Reiterhosen-Syndrom genannt, ist eine genetisch bedingte Fettverteilungsstörung. Die krankhafte, stetige Vermehrung von Fettgewebszellen betrifft fast ausschließlich Frauen. Das Lipödem tritt nach der Pubertät, nach einer Schwangerschaft oder in der Menopause auf.
Krankheitsbild
Die Krankheit resultiert in atypischen und symmetrischen Häufungen von Fettgewebe an Hüften und Oberschenkeln – oft an Oberarmen. Neben dem ästhetischen Problem leiden Patientinnen unter Druckschmerzen. Gefäße verlieren ihre Durchlässigkeit und werden brüchig. „Infolge des verschlechterten Lymphabflusses entstehen Flüssigkeitsansammlungen, die weitere Beschwerden verursachen“, so Kaniuth. Durch kleinste Verletzungen entstehen Blutergüsse. „Im Körper“, so Lipödem- und Venen-Experte, Dermatologe Dr. Matthias Sandhofer (www.lipoedem.at) , „ besteht ein fließendes Gleichgewicht. Doch durch die Vermehrung der Fettzellen an den Beinen, ein autonomes Geschehen, kommt es zu einer Verminderung der Schilddrüsenfunktion und des Grundumsatzes. Der Patient wird schließlich adipös und immer müder – wird sozusagen allmählich in einen Winterschlaf versetzt.
Lipödem verläuft in drei Stadien (siehe unten). „Ich war im zweiten Stadium. Im Bereich des betroffenen Gewebes wurde mehr Lymphe produziert, die sich zwischen den Zellen ansammelte. Der Lymphabfluss war bereits verhindert“, so Kaniuth.
Diagnose
Erst 2014 hatte Kaniuth die Gewissheit, dass sie chronisch krank war. Die Erkrankung wurde zuerst – wie in vielen Fällen – fehldiagnostiziert. Spezialisierte Dermatologen (z. B. Lymphklinik Wolfsberg; www.lkh-wo.at) können jedoch mittels Fettmessung und Ultraschallverfahren eine zuverlässige Diagnose stellen. Rechts finden Sie einen Blitzcheck.
Hilfe bei Lipödem
Die wirksamste Therapie ist eine „sehr vielschichtige, komplizierte Fettabsaugung“, so Dr. Sandhofer. Sanfte Unterstützung bieten Lidocain-Infusionen und Lymphdrainagen.
Je früher ein Eingriff stattfindet, desto besser für die Gesundheit. Die Absaugung, für die sich auch Kaniuth entschied, wird nicht als Beauty-OP betrachtet. „Die lymphschonende Liposculptur“, so Dr. Sandhofer, „stellt die richtige Relation zwischen Fettzellenanzahl und dem Lymphsystem her. Dann ist das Signalzeichen an den Körper unterbunden, mehr Fettzellen zu produzieren. Nach einem halben Jahr stellt sich das körperliche Gleichgewicht wieder her. Sport und Diät werden wirksam.“ „Und“, so Kaniuth, „auch die Seele wieder heil.“
Lipödem verläuft in drei Stadien. Die Diagnose wird meist sehr spät gestellt. Der Blitzcheck kann helfen.
1. Sind Ihre Beine (beziehungsweise Arme und Beine) symmetrisch verändert, also gleichmäßig von einer Vermehrung des Fettgewebes betroffen?
Auswertung: Schon wenn Sie nur eine dieser Fragen mit Ja beantwortet haben, ist es ratsam, einen Facharzt aufzusuchen. Sportler und wenig schmerzempfindliche Menschen neigen oft dazu, vorhandene Beschwerden nicht wahrzunehmen oder auszublenden. Empfindungen, mit denen man sozusagen aufgewachsen ist, werden Teil der eigenen Körperwahrnehmung. Sollte sich Ihr Verdacht erhärtet haben, wenden Sie sich an einen Experten und sprechen Sie ihn gezielt auf Lipödem an. |
Buchtipp: „Dicke Beine trotz Diät“ von Madlen Kaniuth (mvg Verlag, 18 Euro).