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Elisabeth Mikulenko (60) im Talk: „Unwissenheit ist größter Feind!“

01.12.2016

Elisabeth Mikulenko (60) im Talk: „Unwissenheit ist größter Feind!“

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Wann und wie haben Sie sich infiziert?

Elisabeth Mikulenko: Ich bin seit ungefähr 15 Jahren positiv – ungefähr, weil ich lange Zeit nicht wusste, dass ich mich bei meinem damaligen Lebenspartner infiziert habe. Ich wusste überhaupt nicht, dass er infiziert war. Vor neun Jahren kam dann völlig unerwartet die Diagnose und ich habe sofort mit der Therapie begonnen.

Wie haben Sie damals bemerkt, dass Sie betroffen sind? Haben Sie sich zufällig testen lassen?

Mikulenko: Nein, natürlich nicht. HIV und AIDS waren für mich überhaupt kein Thema. Ich wurde krank und nicht mehr gesund – war ständig kränklich, habe abgenommen, es ging mir zunehmend schlechter und war letztendlich nur mehr Haut und Knochen. Meine Hausärztin meinte damals, ich sollte mich testen lassen. Und dann die erschreckende Diagnose: HIV-positiv.

Inwiefern hat die Diagnose, die Krankheit Ihr Leben verändert?

Mikulenko: Es hat sich alles komplett verändert. Die Lebensgemeinschaft mit meinem Partner habe ich daraufhin sofort beendet – ich war sauer, wütend und hasserfüllt. Wollte von ihm nichts mehr wissen.

Wusste er davon?

Mikulenko: Er meinte nein. Mir hat es damals aber schlichtweg an Kraft gefehlt, um mich damit auseinanderzusetzen. Es hat lange gedauert, bis ich tatsächlich realisiert habe, was sich da eigentlich abspielt. Das hat dazu geführt, dass sich meine komplette Lebenseinstellung geändert hat – ich einiges verändern müssen. Aber heute geht es mir gut, und ich habe einen geregelten Tagesablauf.

Können Sie heute noch Einschränkungen feststellen?

Mikulenko: Heute gar nicht mehr. Ich habe mich an dieses Leben gewöhnt und lebe wie jeder andere auch. So schlimm es anfänglich war, kann ich heute erleichtert sagen, dass die Krankheit ein Teil von mir ist, mit dem es sich nahezu unbeschwert leben lässt. Klar gibt es Tage, an denen das Schicksal wieder verstärkt an einem nagt – schließlich wird man täglich, wenn man die Tabletten schluckt, an seine Krankheit erinnert. Davon lasse ich mich aber nicht runterziehen. Ich bin ein fröhlicher Mensch.

Wie verläuft Ihre Therapie?

Mikulenko: Morgens zum Frühstück, das ist meine geregeltste Mahlzeit, nehme ich meine Therapie. Wichtig ist, dass ich die Tablette in einem Zeitfenster von drei bis vier Stunden und zu einer Mahlzeit nehme. Denn es braucht eine gewisse Anzahl an Kalorien, damit das Medikament seine volle Wirkung entfaltet. Dem medizinischen Fortschritt ist zu verdanken, dass es mir heute so gut geht und ich ein derart unbeschwertes Leben leben kann.

Hatten Sie damals Unterstützung – wie haben Familie und Freunde reagiert?

Mikulenko: Ich habe einen erwachsenen Sohn, zu dem ich ein sehr freundschaftliches Verhältnis habe. Er war der Erste, dem ich es gesagt habe. Er hat es mit Fassung getragen und hat mir gemeinsam mit meiner Schwester jede Unterstützung geboten, die ich in dieser schweren Zeit gebraucht habe. Anders war es im Freundeskreis – viele haben aus Unwissenheit den Kontakt abgebrochen. Die Unwissenheit der Menschen ist, auch heute noch, unser größter Feind – viele scheuen davor zurück, einen Schluck aus meiner Tasse zu nehmen oder haben Angst, mir die Hand zu schütteln. Und hier beginnt die soziale Diskriminierung …

Gutes Stichwort. Haben Sie damit zu kämpfen?

Mikulenko: Heute bin ich so weit, dass ich es kaum noch jemandem sage. Ich habe mich offiziell geoutet und das war gut so. Es ständig an die große Glocke zu hängen, führt zu nichts. Ich bin seit Jahren unter der Nachweisgrenze und somit auch nicht mehr infektiös.

Was wünschen Sie sich für die Zukunft?

Mikulenko: Viel mehr Aufklärungsarbeit. Weg von gängigen, falschen Stigmata. Und mehr Offenheit für AIDS-Tests – zur eigenen Sicherheit.

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