Wahr oder falsch?

Neurodermitis: Die größten Mythen im Faktencheck

13.08.2024

Ein Leben ohne Juckreiz? Viele Menschen mit Neurodermitis haben den Glauben daran verloren. Auch, weil sich um das Thema viele Mythen ranken. Eine Expertin klärt auf und stellt moderne Behandlungsmöglichkeiten vor.

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Wenn die Haut ungewöhnlich trocken und gerötet ist, quälend juckt und teilweise nässende, blutige Stellen bildet – steckt vielleicht Neurodermitis dahinter. Eine chronisch entzündliche Hauterkrankung, von der in Österreich etwa zwei bis fünf Prozent der Erwachsenen und bis zu 20 Prozent der Kinder betroffen sind. Auch wenn Neurodermitis keine seltene Erkrankung ist, wissen Betroffenen oft wenig darüber. Die Dermatologin Dr. Katharina Medek der Praxis „Fiebiger & Eiler Hautärzte“ in Salzburg klärt über die Erkrankung und mögliche Behandlungen auf und möchte die häufigsten Mythen über die atopische Dermatitis, so der medizinische Fachbegriff, entkräften.


Mythos 1: Harmloser Ausschlag

Falsch. Neurodermitis ist eine Systemerkrankung und betrifft daher nicht nur die Haut. Dr. Medek erklärt: „Bei Neurodermitis handelt es sich um eine dauerhaft anhaltende, nicht ansteckende Hauterkrankung. Wichtig zu wissen ist, dass es eine Systemerkrankung ist. Das bedeutet, die Symptome sind nicht nur auf die Haut begrenzt. Ein Zusammenspiel von Überaktivierung von Immunzellen, Hautbarrierefunktionsstörung und Fehlbesiedelung der Haut führt zur Ausschüttung von entzündungsfördernden Botenstoffen.

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Die Folge sind unter anderem typische Hautveränderungen wie trockene Hautstellen und gerötete, entzündete, trockene oder nässende Ekzemstellen an Körper und Kopfhaut, welche mit massivem Juckreiz einhergehen. Neben körperlichen Beschwerden sind die damit psychischen Belastungen wie Schlafmangel oder Konzentrationsprobleme nicht außer Acht zu lassen.“

Mythos 2: Kinderkrankheit

Falsch. Was stimmt ist, dass Kinder häufiger darunter leiden und bis zur Pubertät werden viele betroffene Kinder die Erkrankung wieder los, die Neigung dazu bleibt jedoch bestehen. Darüber hinaus gibt es Neurodermitis-Patient:innen, die in der Kindheit keine Symptome hatten und erst im Erwachsenenalter erkranken, sog. Late-Onset-Neurodermitis. Schätzungen zufolge sind zwischen zwei und fünf Prozent aller erwachsenen Österreicher:innen an Neurodermitis erkrankt. Das bedeutet, dass alleine hierzulande mindestens   180.000 Erwachsene mit der Diagnose Neurodermitis leben.

Mythos 3: Schwaches Immunsystem

Falsch. Die Ursache einer Neurodermitis ist kein schwaches Immunsystem. „Es ist umgekehrt“, so Neurodermitis-Spezialistin Dr. Medek. „Das Immunsystem reagiert aufgrund eines bestimmten Reizes überschießend. Dadurch wird die Entzündung im Körper ausgelöst, es beginnt zu jucken. Durch Kratzen entstehen dann Ekzeme.“ Wichtig sei, so Dr. Medek, die Unterscheidung von Ursachen und Auslösern der Neurodermitis. Zu den Ursachen zählen – neben dem überschießenden Immunsystem – genetische Faktoren sowie eine durchlässigere Hautbarriere. Die Auslöser von Neurodermitis-Schüben sind vielfältig: Umwelteinflüsse wie z. B. der Kontakt der Haut mit Allergenen, Wolle, Tierhaaren oder chemischen Mitteln können dahinterstecken. Stress kann die Beschwerden einer Neurodermitis verschlimmern.

Mythos 4: Nur Kortison hilft

Falsch. Auch wenn Kortison häufig bei der Neurodermitis-Behandlung zum Einsatz kommt, ist es nicht die einzige Behandlungsform. Die Forschung hat in den letzten Jahren Fortschritte gemacht. Für mittelschwere bis schwere Neurodermitis gibt es moderne Therapien, die den Juckreiz rasch und deutlich lindern und für ein neues Hautgefühl sorgen können. Damit gibt es heute für alle Grade von Neurodermitis eine geeignete Behandlung – von der Basispflege über anti-entzündliche Salben, Lichttherapien bis hin zu modernen systemischen Therapien mit Biologika als Injektion oder Januskinase-Hemmer (sogenannte „kleine Moleküle“) in Tablettenform.

„Die modernen Systemtherapien beeinflussen gezielt das Immunsystem und unterbrechen so den Entzündungsprozess. Damit können Patient:innen beschwerdefrei werden. Sie wirken meist rasch auf den quälenden Juckreiz, reduzieren Anzahl und Schwere der Schübe und lassen Haut-Ekzeme abheilen,“ so Dr. Medek.

Mythos 5: Damit abfinden

Falsch. Die quälenden Symptome sind nicht nur körperlich, sondern auch psychisch sehr belastend. Das Jucken und dessen Folgen, wie Schlafstörungen können sehr fordernd sein und beeinträchtigten Alltag und Berufsleben. „Neurodermitis ist mit großen Schamgefühlen verbunden und kann zu sozialem Rückzug führen“, weiß auch Dr. Medek. „Die körperlichen Beschwerden beeinflussen das psychische Wohlbefinden. Auch Folgeerkrankungen wie Angstzustände und Depressionen sind möglich. Dies wiederum beeinflusst die Hautsymptome negativ und schon läuft der Teufelskreis.“ Umso wichtiger ist es, sich laufend über den Therapiefortschritt zu informieren und mit Hautärzt:innen über die passende Lösung zu sprechen.

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