Neue Therapie

Nie wieder Migräne

15.10.2019

Eine neue Therapie soll vorbeugend gegen die belastenden Kopfschmerzen und Begleiterscheinungen helfen. Wie die Methode wirkt und was für Migräne verantwortlich ist – wir haben mit einem Neurologen gesprochen.

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Pochende, einseitige Kopfschmerzen, Übelkeit, Licht- und Lärmempfindlichkeit – eine Migräne kommt plötzlich und knockt die Betroffenen buchstäblich aus. In Österreich leiden rund 12 Prozent an der sogenannten episodischen Migräne, Frauen sind dabei dreimal häufiger betroffen als Männer. Früher hat man sich allein auf die Bekämpfung der Symptome spezialisiert, heute weiß man, dass die Prävention der Schlüssel gegen Kopfschmerzen ist. Eine neue Therapieform gibt nun Hoffnung, sodass es erst gar nicht zu einer Migräneattacke kommt – wir haben bei Ao. Univ.-Prof. Dr. Fritz Leutmezer, FA für Neurologie an der Wiener Privatklinik, nachgefragt, was die neue Methode kann.

Das passiert im Kopf
Die Ursachen für Migräne sind so individuell wie die Betroffenen selbst. Häufige Auslösefaktoren, sogenannte „Trigger“, können eine Veränderung des Schlaf-wach-Rhythmus, das Auslassen von Mahlzeiten, Lebensmittelzusätze wie Glutamat, Stress, Saunabesuche, Wetterwechsel, hormonelle Schwankungen (besonders während der Menstruation) oder die Einnahme von Hormonen sein. Im Kopf passiert dann Folgendes: Am Beginn einer Migräne produzieren die Nervenzellen eine Überdosis an Botenstoffen, das ist u. a. Serotonin, welches die Adern verenget und Entzündungsprozesse hemmt. Der Körper versucht nun, diese Überdosis an Botenstoffen abzubauen, und zwar so stark, dass nur noch wenig Serotonin übrig bleibt. Die Folge: Die Hirnhautgefäße weiten sich, werden durchlässig für gewebefeindliche Stoffe und es entstehen kleine Entzündungen, die dann die Migräneattacke verursachen. Typisch für Migräne sind dabei die bereits genannten pochenden, einseitigen Kopfschmerzen, oftmals begleitet durch Übelkeit und Erbrechen sowie Lärm-, Geruchs- und Lichtempfindlichkeit. 

Die Phasen der Migräne
In der Frühphase berichten rund 30 Prozent der Migränepatienten von Vorboten bzw. Prodromi. Diese können wenige Stunden vor dem Migräneanfall entstehen, sich aber auch Tage davor ankündigen. Uncharakteristische Beschwerden wie Müdigkeit, Geräuschempfindlichkeit, Magen-Darm-Beschwerden oder Heißhungerattacken sind typisch in dieser Phase. 10 bis 15 Prozent berichten dann von einer Auraphase, bei der es zu Sehstörungen mit flimmerndem Licht oder Teilerblindung bzw. Missempfindungen wie Kribbeln in Armen und Beinen kommt. Sie ist Folge einer umschriebenen Funktionsstörung in hinteren Gehirnabschnitten und dauert in der Regel 30 bis 60 Minuten. Nun kommt es zur Kopfschmerzphase, die bei Erwachsenen vier bis 72 Stunden andauern kann. Bei der vierten und letzten Phase – der Erholungsphase – klingen die Beschwerden langsam ab, die Betroffenen fühlen sich müde, erschöpft und teilweise sogar in depressiver Verstimmung. 

Richtig therapieren
Der Arzt stellt die Diagnose zur Migräne bei einem ausführlichen Gespräch sowie einer Schmerzbeschreibung des Patienten. „Bei der Migräne therapieren wir nicht nur die akute Schmerzattacke, sondern spezialisieren uns auch auf die Prävention“, erklärt Dr. Fritz Leutmezer. Die klassischen medikamentösen Maßnahmen zeigen meist eine gute Wirkung, jedoch nur, wenn die Präparate schon bei den ersten Kopfschmerz-Anzeichen eingenommen werden. Prinzipiell sollte man aber laut Ärzten nur sechs- bis zehnmal pro Monat Medikamente ob Kopfschmerz nehmen. Dr. Leutmezer fügt hinzu: „In der Akutphase hilft in vielen Fällen bereits, wenn man sich in einen ruhigen, abgedunkelten Raum zurückzieht und ein bis zwei Stunden schlafen kann. Auch das Kühlen des Kopfes, Auftragen von Pfefferminzöl auf den Schläfen und andere ,Hausmittel‘ können im Einzelfall schnell helfen.“ 
 
Die Migränevorbeugung ist dennoch von besonderer Bedeutung. Je nach Auslöser kann die Senkung des Stresslevels, erholsamer Schlaf oder die Vermeidung von bestimmten Lebensmitteln viel zu einer Anfallsprävention beitragen. Auch die Akkupunktur erzielt laut Mediziner gute Erfolge, eine wiederholte Behandlung ist dabei sinnvoll und hilfreich. Ebenfalls effektiv: Die Elektrostimulation, bei der elektrische Impulse die schmerzleitenden Nerven stimulieren. Sowohl die Akkupunktur als auch die Elektrostimulation können so die Anfälle reduzieren und auch die Schmerzintensität abschwächen.

Zukunftstherapie
Bei einigen Betroffenen schlagen diese Präventionsmaßnahmen jedoch nicht an. Hoffnung gibt es jedoch auch für diese Patienten, denn Experten tüfteln seit ein paar Jahren an einer Therapie mit sogenannten monoklonalen Antikörpern. Diese Antikörper hemmen die Aktivität des Neuropeptides CGRP (Calcitonin Gene-Related Peptide), welches an der Entstehung von Migräne beteiligt ist. Sie wirken vorbeugend und werden – je nach Schweregrad der Migräne – ein- oder zweimal im Monat injiziert. 
„Bei diesen monoklonalen Antikörpern, die einen sehr spezifischen Angriffspunkt im Gehirn besitzen, stehen erstmals Medikamente zur Verfügung, die in den Prozess der Migräne eingreifen. Aufgrund sehr hoher Kosten sind diese Präparate aber nur Patienten vorbehalten, die trotz einer prophylaktischen Therapie weiterhin zumindest fünf Kopfschmerztage pro Monat klagen“, klärt der Neurologe auf.
 
Sollten auch Sie mehrere Tage im Monat mit pochenden Kopfschmerzen verbringen, ist eine Abklärung beim Arzt ratsam. Migräne ist zwar eine Volkskrankheit, aber dank immer innovativeren Methoden sagen die Ärzte dem Kopfschmerz den Kampf an!
 
 
 
Tipps zur Prävention:
✏ Stress reduzieren
Stress ist einer der Hauptauslöser von Migräne. In der Arbeit als auch im Alltag sollte man deshalb das Stresslevel niedrig halten – so brummt auch der Kopf nicht!
 
✏ Auf Ernährung achten
Bestimmte Käsesorten, bestimmte Nüsse, Schokolade, Kaffee und Alkohol können ebenfalls zu einer Migräne beitragen. Achten Sie auf eine zuckerreduzierte, natürliche Ernährung.
 
✏ Viel Schlafen
Sieben bis acht Stunden Schlaf sind optimal. 
 
Dr. Fritz Leutmezer über Migräne und neue Therapien
Ao. Univ.-Prof. dr. fritz leutmezer FA für Neurologie an der Wiener Privatklinik; 
www.wpk.at
 
 

Ab wann spricht man von Migräne?
Dr. Fritz Leutmezer: Eine Migräne ist definiert durch das wiederholte Auftreten von Kopfschmerzepisoden, welche charakterisiert sind durch halbseitigen Kopfschmerz mittlerer bis starker Intensität, von pulsierendem oder pochendem Charakter, der durch körperliche Aktivität verstärkt wird. Zusätzlich muss mindestens ein vegetatives Symptom (Übelkeit, Erbrechen, Licht-, Lärmempfindlichkeit) vorhanden sein. 
Bei einem Teil der Patienten geht der Kopfschmerzphase ein Vorbote (sog. Aura) in Form von Sehstörungen, Gefühlsstörungen, in seltenen Fällen aber auch Lähmungen oder Sprachstörungen voraus.
 
Welche Therapieformen gibt es und was bringt die zukunft? 
Dr. Leutmezer: Man unterscheidet zwischen der Therapie der akuten Schmerzattacke und der vorbeugenden Therapie. Im Akutstadium helfen Medikamente gegen Übelkeit (Metoclopramid, Domperidon) in Kombination mit unspezifischen Schmerzmedikamenten aus der Gruppe der Nichtopioidanalgetika. Präventiv helfen neben nicht medikamentösen Strategien wie Akupunktur, autogenes Training oder Stressreduktion auch Medikamente wie Betablocker, Topiramat, trizyklische Antidepressiva, Flunarizin sowie zahlreiche Nahrungsergänzungsmittel. Bei Versagen dieser Therapien und hoher Attackenfrequenz stehen seit kurzer Zeit auch migränespezifische Medikamente aus der Gruppe der Calcitonin Gene-Related Peptide (CGRP) zur Verfügung. Die Kosten dafür sind jedoch ­relativ hoch und vor allem für Patienten ­gedacht, die trotz Präventionsmaßnahmen öfter als fünf Mal im Monat an Migräne ­leiden.
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