Ernährung
Vegan essen: Der neue Trend
09.05.2014
80000 Menschen in Österreich ernähren sich ausschließlich pflanzlich. Tipps, Tricks und Rezepte für Vegan-Einsteiger.
Ab heute bin ich Veganerin!“ Als die niederösterreichische Angestellte Manuela Pawelka (44) vor gut einem Jahr Familie und Freunde über ihren Entschluss informierte, erntete sie erst mal ungläubige Blicke. Gut, fast jeder kennt inzwischen jemanden, der sich vegetarisch ernährt, der also bewusst auf Fleisch, Wurst und Fisch verzichtet. Aber muss es denn gleich vegan sein, wo tierische Inhaltsstoffe komplett verpönt sind – ebenso wie Lederschuhe, -jacken und nicht-vegane Kosmetika? „Manche dachten wohl, das ist nur eine Spinnerei“, erzählt Pawelka, die ihre Ernährung nach einer Reihe von Fernsehdokus über Massentierhaltung umgestellt hat.
Weit gefehlt! Heute ist die Niederösterreicherin überzeugter denn je von ihrem neuen Ernährungsplan. Die Eierspeise am Sonntag bereitet sie jetzt eben mit Tofu zu. Statt Schlagobers wandert Mandelmus in die Pastasauce. Und Obst und Gemüse hat sie ohnehin schon immer gern gegessen. Pawelka kann sich derzeit nicht vorstellen, nochmal in ein Wurstsemmerl zu beißen oder ihr Müsli mit Kuhmilch zu mixen. Und sie ist damit in bester Gesellschaft.
80000 Veganer in Österreich
Denn vegan sein gehört inzwischen nicht nur im Showbusiness fast zum guten Ton. Neben prominenten Aushängeschildern wie Paul McCartney, Elijah Wood, Liv Tyler, Pamela Anderson und Bryan Adams springen auch immer mehr „Normalos“ auf den rein pflanzlichen Zug auf.
Ihr persönlicher Test: Wie viel vegan ist gut für Sie? Finden Sie es heraus!
In Österreich verzichten inzwischen rund 80000 freiwillig auf tierische Lebensmittel aller Art – Tendenz stark steigend. Vor allem in Wien schießen vegane Supermärkte, Cafés und Lokale wie Schwammerl aus dem Boden. Vegane Kochfibeln, wie etwa von „Vegan-Guru“ Attila Hildmann (siehe Interview und Rezepte rechts) halten sich seit Monaten ganz oben in den Bestseller-Listen. „Vegan ist mehr als ein Trend“, sagt Vegan-Papst Hildmann, der Schnitzel und Weißwurst vor 13 Jahren entsagt hat.
Die Zeiten, in denen „Pflanzenfresser“ mitleidig belächelt wurden, sind damit endgültig vorbei. „Die meisten bewundern mich heute“, erzählt Pawelka vom Veganer-Alltag, die aus ihrem alten Leben „gar nichts“ vermisst. „Sogar meine Eltern haben meine Entscheidung voll akzeptiert, obwohl ich als Kind zu Hause noch gelernt habe, Hühner auszulösen und Blutwürste zu machen.“ Viele sind neugierig, wenn Pawelka ihre veganen Kuchen und Aufstriche auftischt: „Meine Kochbücher machen im Freundeskreis die Runde. Eine Kollegin ernährt sich seit Kurzem auch ausschließlich vegan.“
Kein Fleisch, kein Ei, kein Leder
Doch was bedeutet das nun eigentlich konkret? Und ist rein pflanzliche Kost wirklich gesund? Vegan sein ist für die meisten mehr als nur ein Ernährungskonzept. Neben dem offensichtlichen – Fleisch, Wurst, Fisch oder Eier sind aus dem Speiseplan verbannt – achten die Anhänger penibelst darauf, keinerlei versteckte tierische Zutaten zu sich zu nehmen. „Ich schaue bei allem, was ich kaufe, genau auf die Zutatenliste“, sagt Pawelka, die inzwischen fast ausschließlich in veganen Supermärkten, Reformhäusern und bei regionalen Händlern einkauft. Gibt es zu Hause einmal auch tierisches Essen, etwa für ihre Tochter, benützt sie für ihre vegane Variante Extra-Besteck.
Auch im Kleider- und Kosmetikschrank haben tote Tiere nichts verloren. Denn Veganer lehnen es nicht nur ab, Tiere zu essen, sondern auch zu tragen. Pawelka: „Ich werfe meine Lederschuhe und -jacken nicht weg, aber es kommen eben keine neuen mehr dazu. Außerdem verwende ich vegane Kosmetika.“
Risiken und Nebenwirkungen
Während Zweiteres noch einfach zu bestreiten ist, birgt die ausschließlich vegane Ernährung auch Risiken. Vegetarier und Veganer leiden laut Statistiken zwar grundsätzlich seltener an hohem Blutdruck, an Übergewicht und sogar Krebs als Fleischesser. Ärzte warnen aber immer wieder, dass ein nicht penibel durchdachter, abwechslungsreicher Speiseplan auch schnell zu ernsthaften Mangelerscheinungen führen kann. Vor allem Einsteiger sind gefährdet (Stichwort: Nudeln-mit-Tomatensauce-Diät!). Gerne genannt in diesem Zusammenhang wird Vitamin B12, das dem Aufbau der roten Blutkörperchen und der Funktion des Nervensystems dient – und das fast ausschließlich in tierischen Produkten enthalten ist. Knapp zwei Drittel der Veganer leiden laut einer deutschen Studie an einem Mangel. Herzerkrankungen, Depressionen und neurologische Schäden können die Folge sein. Auch Eisen wird oft nur unzureichend aufgenommen. 40 Prozent der weiblichen Studien-Probanden wiesen einen zu geringen Spiegel auf.
Ernährungsexperten empfehlen, unbedingt auf eine ausreichende Versorgung zu achten: Soja- und Reis-Drinks sowie speziell mit B12 angereicherte Lebensmittel (z. B. Hefe) können die Speicher kurzzeitig auffüllen. Praktikabler und längerfristig wirkungsvoller sind allerdings Vitamin B12-Tabletten. Bei Eisenmangel empfehlen sich Hülsenfrüchte und Sojaprodukte. Ärzte raten Veganern, sich regelmäßig auf etwaige Mangelerscheinungen testen zu lassen.
Echte und Teilzeit-Veganer
Nicht zuletzt deshalb werden viele Veganer irgendwann auch wieder zu Teilzeit-Veganern. Für Manuela Pawelka ist das derzeit kein Thema. Den Trend mancher Aktivisten, Abtrünnige zu bekehren, lehnt sie aber rundweg ab: „Ich will niemanden missionieren. Jeder soll essen, was er will. Wenn jemand zwei Jahre lang vegan war und dann wieder ab und zu Fleisch isst, hat er auch schon eine Menge Tiere gerettet.“