Psychologie
Warum entlieben wir uns?
01.10.2014
Warum ist Liebe vergänglich und warum hören wir auf jemanden zu lieben? Soziologin Eva Ilouz hat eine Erklärung dafür.
Es ist erstaunlich: Romane, Zeitschriften, Filme und Gedichte sind voll von Liebe, dem Moment in dem wir jemandem verfallen und vom Liebesrausch benommen sind. Dem Moment in dem uns klar wird: Jemand ist für uns geschaffen, jemand ist unser "Seelenverwandter". Doch viele schlechte Ehen, hohe Scheidungsraten und zerbrochene Beziehungen aus dem Umfeld machen es einem oft schwer an die große Liebe zu glauben. Zudem wissen wir wenig darüber, warum Liebe nach einer Zeit ein Ablaufdatum zu haben scheint. Über den Moment in dem von Verliebtheit nichts mehr übrig ist. Eva Ilouz, eine israelische Soziologin, erforscht gesellschaftliche Einflüsse auf die Bildung von Emotionen. Sie ist Professorin für Soziologie an der Hebräischen Universität Jerusalem und erklärte in einem ihrer Bücher mit dem gleichnamigen Titel "Warum Liebe weh tut".
Doch warum vergeht Liebe einfach?
"Liebe schwindet nicht so plötzlich wie sie kommt", erklärt llouz in einem Interview. Einer der Gründe dafür ist ihrer Meinung nach, dass man in einer Beziehung versucht sein Selbstbild bestätigt zu bekommen. Wird das nicht mehr bestätigt merkt man, dass der Partner nicht mehr den eigenen Ansprüchen genügt. "In den Anfängen der Liebe ist das ja so: Da fühlt man sich vom anderen erkannt - so wie man sich selbst sehen möchte. So soll es immer bleiben.", so Ilouz. Wir sind in einer kapitalistischen Konsumgesellschaft ständig auf der Suche nach Bestätigung - sind wir schön, fit und gut genug für den Partner? Der permanente Konkurrenzkampf und Vergleiche mit anderen können einem zu schaffen machen - denn obwohl man sich eine Zeit lang in einer Beziehung "sicher" fühlen kann, droht von außen immer Gefahr von einer anderen Person ersetzt werden zu können.
Das Gefühl von Einzigartigkeit
Wenn Liebe schwindet, so Ilouz, hängt das oft damit zusammen, dass der Mensch auf seinen Nutzen reduziert wird. Werden die eigenen Bedürfnisse noch befriedigt? Brauche ich den anderen noch? "Liebe schwindet also dann, wenn offenbar wird, wie schwierig es ist, ein Gefühl von Einzigartigkeit zu schaffen. Das Gefühl von Einzigartigkeit, das man braucht, um jemanden weiterhin zu lieben." Dass Liebe vergeht, hängt laut Ilouz jedoch vielmehr vom Charakter und der Moral eines Menschen ab.
Eigene Liebesgeschichte erhalten
Um die Liebe zu erhalten sollte man in einer Beziehung eine eigene Mythologie entwickeln - eine Geschichte, an die man glaubt und eine eigene Moral. "Nach dieser Mythologie kann man leben - wie auch Kulturen sich Geschichten zu ihrer eigenen Selbstvergewisserung erzählen. Und ja, anders als die meisten Menschen finde auch ich: Man muss sich eben nicht der Realität anpassen - sondern man muss auf der Fähigkeit beharren, die eigene Liebesgeschichte weiterzuerzählen. Die gute Geschichte zwischen zwei Menschen. Daran muss man glauben."
Ilouz vergleicht Liebe mit einem religiösen Glauben und sagt: "Ich liebe, solange ich daran glaube, dass diese Person etwas darstellt, was mir wichtig ist: ihre Güte, ihre Integrität oder ihre Liebe. Irgendwann hören die Menschen auf, an diese spezifische Liebesgeschichte zu glauben, und denken: Ich glaub nicht mehr daran, dass du dieser großartige Mensch bist, besser als all die anderen; ich glaub nicht mehr, dass unsere Geschichte einzigartig ist; ich seh überall Leute mit besseren Geschichten. Sich zu entlieben heißt, aufzuhören, an den zu glauben, der Geliebter sein wollte!"