Experten-Talk über das Wundermittel

Kardashian & Musk setzen auf diese Fett-Weg Spritze

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Bis zu 3 Größen weniger! Ein neues Medikament gilt als großer Hoffnungsträger für Menschen mit Adipositas. Dr. Kiefer verrät, wie es wirkt, welche Nebenwirkungen es hat und warum es nicht für Lifestyle-Zwecke missbraucht werden sollte. 

Ein einziger Tweet löste vor wenigen Wochen einen weltweiten Hype um ein neuartiges Medikament aus. Exzentriker Elon Musk twitterte über sein Abnehmexperiment mit neuartigen Substanzen, die eigentlich Menschen mit Diabetes Typ 2 und starkem Übergewicht vorbehalten sein sollten. 13 Kilo habe er mit einer Kombination aus Fasten und einer Abnehmspritze – genauer gesagt der Substanz Sema-glutid – abgenommen.

Auch hinter Kim Kadashians berühmter Sanduhrförmigen-Figur steckt wie vermutet ein Wundermittel. Der Reality-Star spritzte sich das Adipositas- und Diabetes-Medikament Tirzepatid (noch nicht in Österreich erhältlich) und verlor alleine letztes Jahr für die Met Gala mit Hilfe des Wundermittels fast 10 Kilogramm. 

Vergleich: Kim Kardashian

Die Wirkstoffe bilden ein körpereigenes Sättigungshormon nach, senken den Blutzucker (wichtiger Faktor beim Abnehmen) und zügeln Gelüste sowie Hunger. Menschen mit Diabetes Typ 2 therapieren damit nicht nur ihre „Zuckerkrankheit“, sondern schützen mit den Substanzen auch ihre Gefäße und verlieren deutlich an Gewicht. Bei Menschen mit Adipositas kommen die Substanzen in etwas höherer Dosierung zum Einsatz, was in wenigen Monaten einen Gewichtsverlust von bis zu 15 Prozent des Ausgangsgewichts ermöglichen kann – zwei bis drei Kleidergrößen. 

Trotz aller positiven Effekte sei die Abnehmspritze mit Vorsicht einzusetzen, so Adipositas-Spezialist Dr. Florian ­Kiefer. Von einem reinen Lifestyle-Einsatz bei Normalgewichtigen rät er ab. 

Ich setze mir regelmäßig mittels Pen selbst eine Spritze und nehme mühelos bis zu 15 Prozent meines Gewichts ab. Ist Abnehmen wirklich so einfach geworden?
Dr. Florian Kiefer: Nach der Nahrungsaufnahme schütten wir ein Sättigungshormon, das GLP-1, aus. Die Medikamente Liraglutid und Semaglutid imitieren die Wirkung dieses Sättigungshormons. Die Substanzen wirken direkt im Appetitzentrum und stellen ein Sättigungsgefühl ein. Hunger wird damit reduziert. Vor allem bei Patient:innen mit Heißhungerattacken und Gelüsten wirkt diese Therapie besonders gut. Menschen kommen mit kleineren Portionsgrößen aus und können längere Abstände zwischen den Mahlzeiten einhalten, was für eine Gewichtsabnahme sehr relevant ist. Die GLP-1 Rezeptoragonisten Liraglutid und Semaglutid wirken also über die Drosselung der Kalorienzufuhr. Sie sind aber nicht in der Lage, den Energieumsatz zu steigern. Deshalb ist es wichtig, dass man parallel dazu auch seinen Lebensstil anpasst – mehr Bewegung macht, um zusätzlich den Gesamtenergieumsatz zu steigern.
Musks Post über die Abnehmspritze sorgte einerseits für einen Hype und andererseits für Empörung bei Spezialist:innen. Denn es ist nicht zu Lifestylezwecken gedacht. Wer bekommt die Abnehmspritze in Österreich?
Dr. Kiefer: Es gibt zwei Kriterien für diese Art der medikamentösen Adipositas-Therapie. Das erste ist ein Body Mass Index (BMI) über 27 kg/m2 in Kombination mit Übergewicht-assoziierten Begleiterkrankungen, z. B. Bluthochdruck, hohe Blutfette, Prädiabetes oder Typ-2-Diabetes. Das zweite Kriterium ist ein BMI über 30 kg/m2. Da kann das Medikament auch verschrieben werden, wenn es keine Begleiterkrankungen gibt. Diese Therapie ist aber nur zugelassen als Ergänzung zu Lebensstilmaßnahmen Das heißt: entsprechende Ernährung und Bewegung. Das Medikament fungiert dabei als Krücke. Es ist als Unterstützung zu sehen und kein Ersatz für einen gesunden Lebensstil. Die Therapie soll dabei helfen und dazu motivieren, den Alltag entsprechend anzupassen.
Wie wird das Medikament verabreicht?
Dr. Kiefer:
Nach entsprechender Aufklärung über die möglichen Nebenwirkungen sowie einer Einschulung verabreicht sich der Patient, die Patientin die Substanz mittels Pen zunächst über drei bis vier Monate. In Österreich ist derzeit nur die Substanz Liraglutid für die Adipositas-Therapie am Markt. Liraglutid wird täglich gespritzt. Semaglutid, das derzeit nur für die Therapie des Typ-2-Diabetes zur Verfügung steht, wird einmal wöchentlich verabreicht. Das Minimalziel ist eine Gewichtsreduktion von fünf Prozent vom Ausgangsgewicht. Wird dieses Ziel in dieser sogenannten Testphase erreicht, sprechen wir von einem ausreichenden Therapieerfolg und man kann die Therapie weiter verordnen.
Wie lange wird gespritzt?
Dr. Kiefer:
Diese Wirkstoffe sind durchaus zur Langzeittherapie geeignet. Den größten Abnehmerfolg verzeichnet man in den ersten sechs Monaten. Die Abnehmkurve wird dann mit der Zeit flacher. Sobald ein Plateau erreicht wird, reduziere ich die Dosis und wir schauen, ob die Person mit der geringeren Dosis in der Lage ist, ihr Gewicht zu halten. Wenn das klappt, versuche ich in manchen Fällen – nach etwa einem Jahr – die Therapie ganz abzusetzen, mit dem Ziel, das Gewicht ausschließlich mit Lebensstilmaßnahmen zu halten.
Mit welchen Nebenwirkungen ist zu rechnen?
Dr. Kiefer:
Übelkeit tritt etwa bei einem Viertel der Patient:innen auf – wobei zumeist nur in den ersten Wochen der Therapie. In schweren Fällen kann es auch zu Erbrechen, Verstopfung oder Durchfall kommen. Bei Menschen, die bekannte Bauchspeicheldrüsen- oder Gallenblasenerkrankungen haben, sollte man mit einer Anwendung zurückhaltend sein.
Mit dem Post von Elon Musk avancierte die Therapie zum Lifestyle-Medikament. Ist das gesund?
Dr. Kiefer:
Wenn Normalgewichtige diese Medikamente anwenden, um ein paar Kilo zusätzlich abzunehmen, ist das Off-Label-Use (Anm.: ein nicht bestimmungsgemäßer Gebrauch). Das bedeutet: Falls Komplikationen bei Menschen auftreten, die die Verschreibungskriterien nicht erfüllen, muss man als verordnende/r Ärztin/Arzt auch die Konsequenzen tragen können. Ich rate von einer Verwendung ohne medizinische Notwendigkeit absolut ab. Es handelt sich schließlich um ein Medikament mit potenziellen Nebenwirkungen. Abgesehen davon kann es durch häufige Off-Label-Anwendungen im schlimmsten Fall auch zu Engpässen in der Patientenversorgung z.B. bei der Behandlung von Typ-2-Diabetes kommen.
An Adipositas-Therapien wird mittlerweile auf Hochtouren geforscht. Welche anderen wirksamen Behandlungen gibt es? Und was ist in der Pipeline?
Dr. Kiefer:
Im medikamentösen Bereich sind die beiden GLP-1-Rezeptoragonisten Liraglutid und Semaglutid die derzeit besten Therapien, was Verträglichkeit und Wirksamkeit angeht. Eine langfristige Gewichtsabnahme von 15 Prozent und mehr war früher nur mit bariatrischen Eingriffen (Anm: chirurgische Magenverkleinerung) möglich. Es gibt ständig neue Entwicklungen auf diesem Gebiet, so etwa das Medikament Tirzepatid, für das Kim Kardashian via Social Media „warb“. Diese Substanz ist bereits in den USA und in den Vereinigten Arabischen Emiraten am Markt und kommt frühestens Ende des Jahres 2023 nach Österreich. Tirzepatid ist im Vergleich zu Liraglutid und Semaglutid noch potenter in der Blutzuckersenkung bei Typ-2-Diabetes sowie auch in der Gewichtsreduktion bei Adipositas.  

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