Aktuell können rund 80 Prozent der Patientinnen in einem frühen Erkrankungsstadium geheilt werden.
Bei etwa gleichbleibenden Neuerkrankungsraten geht die Mortalität durch Brustkrebs zurück. Innerhalb der vergangenen 30 Jahre betrug diese Reduktion rund 30 Prozent. In Zukunft werden individualisierte Behandlung und das Vermeiden von "Übertherapie" noch wichtiger werden. Darüber diskutieren kommende Woche rund 5.000 Spezialisten in Wien bei der St. Gallen Brustkrebskonferenz (15. bis 18. März).
Hauptanteil der Betroffenen ist über 70 Jahre alt
Die in internationalen Fachkreisen vor allem durch die Erstellung von Leitlinien für die Betreuung von Mammakarzinompatientinnen bekannte Veranstaltung wurde vor zwei Jahren zum ersten Mal nicht in der Schweiz, sondern im Austria Center Vienna abgehalten. An der Übersiedlung war an federführender Stelle der Vorstand der Universitätsklinik für Chirurgie der MedUni Wien (AKH), der Brustkrebsspezialist Michael Gnant, beteiligt.
"Auch wenn man immer wieder von jungen Frauen hört, die an Brustkrebs erkrankt sind, ist der Hauptanteil an Betroffenen in der Regel über 70 Jahre alt. Gründe sind unter anderem der westliche Lebensstil, weniger Kinder pro Frau, aber auch die Hormonüberflutung, zum Beispiel bei Wechselbeschwerden, der jedoch in den letzten Jahren entgegengesteuert wurde", wurde Gnant am Donnerstag in einer Aussendung zitiert. Mit einem vorsichtigeren Umgang mit der Hormonersatztherapie bei Frauen nach dem Wechsel hat sich die Situation auf diesem Gebiet offenbar verbessert.
80 Prozent können bei rechtzeitiger Diagnose geheilt werden
Aktuell können rund 80 Prozent der Patientinnen in einem frühen Erkrankungsstadium geheilt werden. Es gibt aber weiterhin mehrere Diskussionspunkte in der Fachwelt und in der breiten Öffentlichkeit in Sachen Brustkrebs. So wird beispielsweise die genetische Vorbelastung beim Mammakarzinom überschätzt: nur etwa fünf Prozent der Brustkrebserkrankungen sind gesichert genetisch bedingt.
Von Operationen wie bei Angelina Jolie ist in den meisten Fällen abzuraten
Durch die mediale Aufmerksamkeit für solche vorbelasteten Frauen wie Angelina Jolie steige aber die Nachfrage nach Brustentfernungen. Dies sei aber - außer bei gesichertem Vorliegen eines relevanten Brustkrebsgens - keine Vorsorge, sagte Gnant, er ist auch Präsident der österreichischen Studiengesellschaft für Brust- und Dickdarmkrebs (ABCSG): "Eine so radikale Operation ist immer eine körperliche und seelische Belastung, daher raten wir in den meisten Fällen davon ab. Grundsätzlich ist es leider so, dass Brustkrebs kaum zu 'verhindern', aber in 95 Prozent der Fälle früh erkennbar ist." Frauen sollten in angemessener Weise an den Vorsorgeuntersuchungen teilnehmen und sich nicht von Hysterie anstecken lassen. "Die Verweigerung der Bedeutung der Krankheit ist genauso kontraproduktiv wie zu viele Sorgen."
Individualisierte Behandlung immer wichtiger
Gerade wegen der verbesserten Früherkennungsmöglichkeiten wird eine individualisierte Behandlung immer wichtiger. In mehr als 90 Prozent der Fälle ist eine brusterhaltende Operation Teil des interdisziplinären Gesamttherapieplans. Der Trend geht daher weg von der allgemeinen Standardtherapie hin zur Therapie von Subtypen von Krebs. Ziel ist zum Beispiel, Patientinnen mit einem sogenannten "Duktalem Karzinom in situ" (DCIS), also einem Tumor, der noch auf die Milchgänge beschränkt und so gut zu operieren ist, eventuell gar nicht notwendige Therapien zu ersparen. Die Wahrscheinlichkeit, dass der Tumor wiederkehrt, liegt bei bis zu 30 Prozent. Umgekehrt bedeutet das in diesen Fällen, dass wahrscheinlich längst nicht immer eine antihormonelle Behandlung, eine Strahlen- oder Chemotherapie nach der Operation notwendig sein dürfte.
Übertherapie vermeiden
"Die sogenannte Übertherapie, also ein unkritisches Einsetzen von Medikamenten oder Strahlentherapie, bringt für die Betroffenen oft massive Nebenwirkungen ohne therapeutischen Nutzen. Wir hinterfragen am Kongress daher gemeinsam mit internationalen Experten, wie die optimale Therapie von operativ gut behandelbaren Tumoren gestaltet sein muss", sagte Gnant. Man wolle Brustkrebserkrankungen genauer in biologische Subtypen unterteilen, um diejenigen Betroffenen besser herausfiltern zu können, die nach der Operation keine weitere Therapie mehr benötige. "Mithilfe von Studien versuchen wir so nicht nur Heilungsraten zu verbessern, sondern diese auch besser anzupassen, sagte der Spezialist, der auch Präsident der österreichischen Studiengruppe für Brust- und Dickdarmkrebs (ABCSG) ist.