Blutegel lindern chronische Schmerzen

03.03.2010

Es ist nur ein zartes Zwicken an der Haut - mehr spürt der Patient vom Biss eines Blutegels nicht. Nach einer guten halben Stunde hat sich der Egel so mit Blut vollgesogen, dass er abfällt. Über seinen Speichel hat er in dieser Zeit im Gegenzug etliche schmerzstillende und entzündungshemmende Stoffe abgegeben. Einige lokale Schmerzen lassen sich auf diese Weise ohne große Nebenwirkungen behandeln.

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Vor allem bei Arthrosen am Knie, dem Daumen oder der Schulter können Blutegel helfen. Auch lokale Schmerzen am Rücken oder ein Tennisellenbogen lassen sich mit den kleinen Blutsaugern lindern. "Überall dort, wo Schmerzen chronifizieren, sind Blutegel immer ein guter Versuch", sagt Prof. Andreas Michalsen von der Charité Universitätsmedizin in Berlin. Der Effekt halte zwischen mehreren Monaten und einem Jahr an.

"Bei Arthrose ist die Wirkung wissenschaftlich am besten belegt", erläutert Michalsen. Im Jahr 2002 hat er an der Universität Duisburg-Essen erstmals in einer Studie die Wirkung von Blutegeln nachgewiesen, weitere Untersuchungen folgten. Pharmakologen haben zwischen 30 und 100 arzneilich aktive Substanzen im Blutegel-Speichel ermitteln. "Die Stoffe können relativ tief ins Gewebe eintreten." Das sei anders als bei einem Mückenstich, der nur oberflächlich wirkt.

Neben den Speichelsubstanzen gebe es weitere Ansätze, die als "Gesamtpaket" die Wirkung erklärten: Da sei zum einen die traditionelle naturheilkundliche Begründung der Blutentleerung - Lymphe tritt aus, Gewebe wird entstaut, Entzündungen und Schwellungen gehen zurück. "Auch der Placebo-Effekt ist nicht zu unterschätzen." Und außerdem sei denkbar, dass "der Egelbiss an sich" einen Gegenschmerzreiz auslöst und den schon vorhandenen Schmerz überdeckt.

Die Therapie mit kleinen Blutsaugern ist schon Jahrtausende alt - Heilpraktiker haben sie nie ganz aus den Augen verloren. "In der Schulmedizin sind Blutegel oft das letzte Mittel", bedauert der Facharzt für Rehabilitation und Experte für Naturheilverfahren Franz Milz aus Bad Grönenbach (Bayern). "In der Naturheilkunde haben sie dagegen einen guten Stellenwert bei bestimmten Indikationen, oft in Kombination mit anderen Ausleitenden Heilverfahren." Er plädiert daher für einen gezielten Einsatz mit den kleinen Tieren, auch wenn die Behandlung sehr zeitaufwendig ist.

Zwei bis drei Stunden muss der Patient in der Praxis verbringen. Denn nachdem die Egel abgefallen sind, sickere über längere Zeit Blut und Lymphe nach, erläutert Milz. Nach einer Stunde wird ein fester Verband mit viel saugfähiger Watte angelegt, solange muss der Patient liegenbleiben. Am nächsten Tag wird der Verband gewechselt. Nach zwei bis drei Tagen kann die Bissstelle wieder gewaschen werden.

Die Egel haben drei sternförmig angeordnete Sägeleisten mit jeweils etwa 80 Kalkzähnchen, mit denen sie sich vorsichtig durch die Haut raspeln, erläutert Manfred Roth. Zwischen den Zähnchen befinden sich kleine Öffnungen, durch die der wirkstoffhaltige Speichel ins menschliche Gewebe gelangt. Der Biologe und Limnologe züchtet seit 20 Jahren in Biebertal (Hessen) Blutegel. Sie wachsen zwei bis drei Jahre in überdachten Teichen, ehe sie mit einem Gewicht von 0,8 bis 4 Gramm verkauft werden. In der Regel müssen Patienten die rund 150 Euro teure ambulante Behandlung mit bis zu 12 Tieren selbst zahlen.

Bevor die Egel zum Patienten kommen, dürfen sie laut BfArM 32 Wochen lang nicht gefüttert worden sein. Denn das zum Füttern verwendete Blut könnte Krankheitserreger enthalten, die noch Monate im Egel überleben können. Aus ähnlichem Grund sollte man die Egel auch nicht gewaltsam abnehmen, erklärt Roth. "Wenn sie gequetscht werden, können sie ihren Mageninhalt in die Wunde erbrechen - das kann zu einer kleinen, lokalen Infektion führen."

Außer einem Bluterguss, gelegentlichem Juckreiz und Hautrötungen sind laut Michalsen keine weiteren Nebenwirkungen bekannt. Nicht eingesetzt werden dürfen die Egel unter anderem bei einer Allergie auf eine der Egel-Substanzen oder schweren Durchblutungsstörungen.

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