Forscher:

Infusion soll gegen Kohlenmonoxid-Vergiftung helfen

15.03.2017

Wissenschafter der Universität Pittsburgh in den USA könnten ein schnell wirksames Gegenmittel gefunden haben.

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Kohlenmonoxidvergiftungen gehören zu den gefährlichsten Intoxikationen. Dies vor allem, weil das Gas, das bei unzureichender Verbrennung von Gas, Öl oder Kohle entsteht, geruchslos ist und sehr stark am Hämoglobin im Blut bindet. Wissenschafter der Universität Pittsburgh in den USA könnten ein schnell wirksames Gegenmittel gefunden haben: ein gentechnisch verändertes Sauerstoff-Transportprotein.

Schnelle Hilfe bei Kohlenmonoxidvergiftungen

"Unsere Vision ist es, Rettungsmannschaften bei Brandeinsätzen ein Kohlenmonoxid-Antidot in die Hand zu geben. Die Sanitäter könnten mit einem Finger-Pulsoximeter bei Betroffenen testen, ob sie erhöhte CO-Werte im Blut haben und ihnen dann noch am Einsatzort das Gegenmittel verabreichen. (...) Es geht ja darum, die Kohlenmonoxid-Konzentration im Blut möglichst sofort zu verringern, um den Sauerstofftransport zu verbessern. Könnte man den Kohlenmonoxid-Spiegel im Blut um 15 bis 25 Prozent verringern, würde das schon vielen Vergifteten helfen", wurde Mark Gladwin vom Institut für Herz-Kreislauf-Medizin und Pneumologie der Medizinischen Fakultät der Universität Pittsburgh von US-Medien zitiert. Auch der deutsche Ärzte-Informationsdienst DocCheck brachte vor einigen Wochen dazu eine Story.

Der Faktor Zeit

Bei einer Kohlenmonoxidvergiftung gelangt das geruchlose Gas in die Lunge und lagert sich am Hämoglobin an. Die Bindungskraft von CO am Sauerstofftransport-Protein der roten Blutkörperchen ist 300 Mal stärker als jener von Sauerstoff. Nach einer Vergiftung ist es auch sehr schwierig, das Kohlenmonoxid wieder vom Hämoglobin zu entfernen. Bei einer Beatmung mit hundert Prozent Sauerstoff sinkt die Halbwertszeit bei der Eliminierung des CO von sonst fünf Stunden auf 80 Minuten. Können Vergiftungsopfer in einer Überdruckkammer mit hundert Prozent Sauerstoff versorgt werden, reduziert sich die Halbwertszeit von Kohlenmonoxid im Blut auf 20 Minuten. Doch bei der Wiederherstellung der Sauerstoffversorgung nach Kohlenmonoxidvergiftungen spielt für die Rettung der Betroffenen der Zeitfaktor eine entscheidende Rolle. Wirksame Hilfe sollte noch am Unfallort verfügbar sein.

Infusion könnte in Zukunft Leben retten

Die neuen Erkenntnisse kommen aus der akademischen Forschung der US-Wissenschafter. Um die Jahrtausendwende war nämlich das Protein Neuroglobin entdeckt. Bis dahin hatte man Hämoglobin und Myoglobin als die einzigen Sauerstofftransportproteine gekannt. Neuroglobin dürfte hingegen bei der Blutversorgung im Gehirn und in der Netzhaut eine Rolle spielen. Es bindet Sauerstoff stärker als Hämoglobin, ebenso aber Kohlenmonoxid.

Die Wissenschafter veränderten das ursprüngliche Neuroglobin (Nrg) gentechnisch zu der Variante Nrg-H64Q-CCC. Sie besitzt eine 500-fach höhere Affinität zu Kohlenmonoxid als zu Hämoglobin und kann als Infusion verabreicht werden. An roten Blutkörperchen im Labor zeigten die Wissenschafter, dass man die Eliminations-Halbwertszeit von Kohlenmonoxid durch Beigabe der Nrg-Variante von 500 Minuten bei Zuführung von Sauerstoff auf weniger als eine Minute reduzieren konnte.

Die weiteren Tests liefen an Mäusen im Labor. Sie wurden 50 Minuten lang einem Kohlenmonoxid-Luftgemisch ausgesetzt, bis etwa 60 Prozent der Sauerstoff-Bindungsstellen des Hämoglobins mit CO besetzt waren, was eine schwere Intoxikation darstellt. Dann erhielten die Tiere die Neuroglobin-Variante. Bereits 30 Sekunden später war die CO-Bindung am Hämoglobin um 30 Prozent gesunken. Bei einer Kontrollgruppe von Tieren ohne diese experimentelle Behandlung betrug die Reduktion nur 13 Prozent, unter Sauerstofftherapie 27 Prozent. 60 Minuten nach Verabreichung von Neuroglobin waren bereits 90 Prozent des Kohlenmonoxids im Harn der Tiere, waren also ausgeschieden worden. Auch bei einer sonst tödlichen Dosis von Kohlenmonoxid für Mäuse zeigte sich ein 90-prozentiger Schutzfaktor durch das Neuroglobin. Die US-Wissenschafter haben jedenfalls bereits ein Patent angemeldet. Klinische Studien an Probanden sind aber noch nicht erfolgt.

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