MedUni Wien - Thromboseforschung im Aufwind
13.10.2009International befindet sich die Forschung rund um die Blutgerinnung derzeit im Aufwind. Nach der Hämophilie-Aids-Katastrophe Mitte der 1980er Jahre bietet die moderne Molekularbiologie die Möglichkeit, ganz gezielt sowohl Blutgerinnung als auch "Blutverdünnung" mit neuen Ansätzen zu steuern.
International mit an der Spitze sind dabei Ingrid Pabinger-Fasching an der Universitätsklinik für Innere Medizin I (Abteilung für Hämatologie und Hämostaseologie) und ihr Team, hieß es Montagabend bei einem Hintergrundgespräch in Wien. Auf dem Forschungsfeld treffen derzeit neue Erkenntnisse aus der Grundlagenforschung und neue Arzneimittel der Pharmaindustrie zusammen. Das führt offenbar zu einer Aufbruchstimmung. Ingrid Pabinger-Fasching: "Wir haben natürlich den Vorteil, dass wir Blut einfach abnehmen können. Dass Organ 'Blut' und die Gerinnungsfaktoren sind der Forschung zugänglich."
Wobei es für den Organismus in jeder Lebenslage wichtig ist, dass die Balance zwischen zuviel Gerinnung (Thrombosen) und zuwenig (Blutungen) gegeben sein muss. Eindeutig: Bei manchen Krebsformen ist das in Richtung potenziell lebensgefährlicher Thrombosen verschoben. Die Expertin: "Unser Forschungsschwerpunkt ist die Thrombose bei onkologischen Patienten. Menschen mit bösartigen Hirntumoren oder Pankreaskarzinomen haben ein Risiko von 20 Prozent, auch an Thrombosen zu erkranken. Das erschwert die Therapie und verkürzt das Leben."
Hier erwartet man sich durch neue Medikamente wie Dabigatran oder Rivaroxaban als potenzieller Ersatz von niedermolekularem Heparin oder den alten oralen Antikoagulantien wie Marcoumar eine bessere Therapie bei weniger Nebenwirkungen. Diese Medikamente sind allerdings derzeit nur zur Prophylaxe von venösen Thrombosen bei Patienten nach großen orthopädischen Operationen (künstliches Kniegelenk, künstliches Hüftgelenk) zugelassen. Gute Forschungsergebnisse gibt es mit Dabigatran auch zur Prophylaxe von Schlaganfällen durch Herz-Vorhofflimmern.
Mit der Mitarbeit bei der Etablierung der Messung des Laborparameters D-Dimer zur Abklärung eines akuten Thrombose-Verdachts und der Identifizierung von "löslichem P-Selektin" als Marker für eine Erhöhung des Thromboserisikos waren die Wiener Experten ebenfalls international erfolgreich.
In Sachen Krebs wurde in Wien die "Cancer and Thrombosis Study (CATS)" begonnen. Dabei wird bei mittlerweile rund 1.300 Patienten das Thromboserisiko bestimmt. Übrigens, sehr häufige Krebserkrankungen - Mammakarzinom und Prostatakarzinom - haben kaum eine Auswirkung auf die Gefährdung durch Blutgerinnsel. Übergewicht führt ebenfalls zu einem erhöhten Thromboserisiko.
Ein sprichwörtlicher Fundus für die Wissenschaft könnte in Zukunft auch das österreichische Hämophilie-Register für Bluter werden. Ingrid Pabinger-Fasching: "Wir haben in Österreicher mittlerweile drei Viertel der Patienten aufgenommen und bekommen wahrscheinlich auch eine öffentliche Förderung durch das Gesundheitsministerium. Bei der Hälfte der Patienten konnten wir die vorliegenden Gen-Mutationen bestimmen. 50 neue Mutationen wurden entdeckt."
Das ist eine positive Nachricht nach der Aids-Tragödie Anfang der 1980er-Jahre: Damals waren 80 Prozent der schwer von Hämophilie betroffenen Patienten durch versuchte Blutgerinnungs-Präparate mit HIV-infiziert worden. 60 Prozent davon sind bisher gestorben. Was man sich wünscht: Eine Förderung der klinischen Forschung durch die öffentliche Hand in Österreich. In den USA ist das in hohem Ausmaß üblich. Gerade diese Sparte hat in den vergangenen Jahren international aufgeholt bzw. Benchmarks übertroffen. Onkologe Christoph Zielinski: "Wir waren um 40 Prozent unter Weltniveau, jetzt sind wir um 26 Prozent darüber."