Zufallsentdeckung
Möglicher Durchbruch bei Alzheimer-Therapie
05.06.2014Große Hoffnung in als Placebo verabreichte Substanz. Krankheit kann gestoppt werden.
Das Wiener Biotech-Unternehmen Affiris hat einen neuen Wirkstoff gegen die Demenzerkrankung Morbus Alzheimer
entdeckt: Erstmals erreichte eine Alzheimer-Substanz die Stabilisierung der Gedächtnisleistung und verhinderte ein weiteres Schrumpfen des Hippocampus, informierten die Vorstände Walter Schmidt und Frank Mattner in einer Pressekonferenz am Mittwoch in Wien.
Wie die Ergebnisse der klinischen Phase-II-Studie zeigen, erreichte die Substanz AD04 bei 47 Prozent der Behandelten eine Stabilisierung des Krankheitsverlaufs über einen Zeitraum von mindestens 18 Monaten. Die Wirkung war dosisabhängig und zeigte den größten Effekt bei sehr frühen Patienten.
Zufallsentdeckung
Dabei war es eine echte Zufallsentdeckung: Im Rahmen der klinischen Phase-II-Studie zur bisherigen Lead-Substanz AD02 mit 332 Patienten wurde ein Placebo gesucht, das eine ähnlich trübe Optik aufwies wie AD02. Die normalerweise verabreichte Kochsalzlösung ist klar und hätte Verblindungsprobleme mit sich gebracht. Also wurde die Lösung um eine - als wirkungslos erachtete und oft als Placebo, etwa im Zusammenhang mit Grippestudien eingesetzte - Substanz angereichert.
Zur Überraschung der Studienautoren zeigten zwar zwischen 25 und 31 Prozent der mit AD02 behandelten Patienten eine Stabilisierung des Krankheitsverlaufs. Doch bei 47 Prozent der Patienten der eigentlichen Placebo-Gruppe korrelierte dieser positive Effekt darüber hinaus noch statistisch signifikant mit der Stabilisierung und dem Erhalt des Volumens des Hippocampus - also jener Region im Gehirn, in der Kognition und Gedächtnis sitzen. Auch Verhaltensauffälligkeiten der Patienten sowie die Lebensqualität der pflegenden Angehörigen blieben stabil. Damit habe ein Alzheimer-Wirkstoff erstmals die Anforderungen der US-Zulassungsbehörde FDA (Food and Drug Administration) und ihres europäischen Pendants EMA (European Medicines Agency) für "Disease Modification" erfüllt, hieß es.
Zur nun AD04 getauften Substanz hielt man sich aufgrund von geplanten Patentanmeldungen bedeckt. Nur so viel: Es handle sich um einen medizinischen Wirkstoff, der bekannt sei, aber nicht in diesem Zusammenhang. Er führe nicht zur Antikörperbildung, sondern wirke als "Immunmodulator". Weil die Substanz in der Studie jedoch wie ein Impfstoff behandelt wurde, gelte es nun, Hausaufgaben zu machen. Mattner betonte: "Dosierung und Applikation waren sicher nicht optimal. Wir arbeiten nun an einem klinischen Entwicklungsplan, wir brauchen für AD04 natürlich auch eine Placebogruppe." Der nächste Schritt könne der Aufbau einer Phase-II-Studie, in der verschiedene Dosierungsarme aufgesetzt würden, sein. Keinesfalls fallen lassen will man zudem den Wirkstoff AD02.