Reportage
Neue Wege zum Wunschbaby
12.12.2014
Ab 2015 soll sich im Bereich der künstlichen Fortpflanzung in Österreich viel verändern.
Ein Kind als Lebenstraum. Für viele bleibt dieser jedoch unerfüllt. Immer noch ist jedes fünfte Paar in Österreich ungewollt kinderlos. Gründe dafür liegen in vielen Fällen nicht nur beim Mann oder bei der Frau. Meist ist es ein Zusammenspiel mehrerer Faktoren, das eine Schwangerschaft unmöglich macht: Verklebte Eileiter, Spermien von schlechter Qualität oder Hormonstörungen bei der Frau.
Wenn die Hormone durcheinander sind
Tanja Jankovic (29) aus Wien kämpfte mit gleich zwei Problemen, die ihr den Kinderwunsch verwehrten: beide Eileiter verklebt und eine Hormonstörung – das polyzystische Ovarialsyndrom, kurz PCO-Syndrom. Von diesem sind in Österreich über 100.000 Frauen betroffen. Das Problem bleibt häufig unerkannt oder wird zu spät diagnostiziert. Die Ursachen für diese Hormonstörung sind bisher unbekannt. Angenommen wird, dass es eine Kombination aus genetischen Faktoren und Umwelteinflüssen ist. Frauen mit dem PCO-Syndrom haben oft zu viele männliche Geschlechtshormone im Blut, was sich in vermehrtem Haarwachstum, Hautunreinheiten oder auch Haarausfall äußern kann. Mehr als 70 Prozent aller Frauen mit PCO-Syndrom sind übergewichtig, aber auch schlanke Frauen können von der Hormonstörung betroffen sein. Die erhöhte Konzentration männlicher Hormone behindert auch die Eizellreifung und den Eisprung – Regelblutungen treten dadurch unregelmäßig oder gar nicht auf. Baby aus dem Reagenzglas Die letzte Anlaufstelle nach mehreren erfolglosen Versuchen, schwanger zu werden, ist für viele eine Kinderwunschklinik. Tanja Jankovic brachte mithilfe des Teams um Dr. Leonhard Loimer, Frauenarzt und Gründer der KinderWunschKliniken in Wien, Wels und Linz, 2014 ihren kleinen Sohn Nico gesund zur Welt. Nach zwei fehlgeschlagenen Versuchen war die In-Vitro-Fertilisation (IVF) schließlich erfolgreich.
Vom Babywunsch zum Wunschbaby
Gründe, weshalb Paare auf natürliche Weise nicht schwanger werden können, gibt es viele. Glücklicherweise kann dank moderner Medizin der Natur auf die Sprünge geholfen werden. Mittels künstlicher Befruchtung kann Paaren, denen ein Baby bisher verwehrt blieb, zum Familienglück geholfen werden. Bereits vor 30 Jahren wurde in Österreich das erste private In-Vitro-Fertilisationszentrum gegründet. Bisher war die Gesetzgebung rund um künstliche Befruchtung hierzulande sehr streng, so durften homosexuelle Frauen beispielsweise nicht künstlich befruchtet werden.
Da das derzeitig gültige Gesetz aus dem Jahr 1992 stammt, mussten auch in Österreich liberalere Regeln her. So ist es nun Justizminister Wolfgang Brandstetter und Gesundheitsministerin Sabine Oberhauser gelungen, Neuerungen durchzusetzen. Das sind die Gewinner und Verlierer der Novelle:
Homosexuelle Paare
Für lesbische Paare soll es ab Jänner 2015 möglich sein, durch eine künstliche Befruchtung Eltern zu werden. Welche Methode (IVF oder IUI) dafür gewählt wird, wird nach medizinischen Gesichtspunkten beurteilt, rechtlich gesehen, sind beide Varianten möglich. Lesbische Frauen können sich weiterhin gegenseitig keine Eizellen spenden. Schwieriger bleibt die Situation weiterhin für homosexuelle Männer. Da die Leihmutterschaft verboten bleibt, gibt es für schwule Männer außer der Adoption eines Kindes auch in Zukunft keine legale Möglichkeit, Eltern zu werden.
Alleinstehende Frauen
Auch sie gehören zu den Verlierern der Reform. Für sie gibt es auch in Zukunft keine Möglichkeit, sich künstlich befruchten zu lassen. Es muss ein Partner oder eine Partnerin vorhanden sein, sonst wird der Eingriff nicht vorgenommen.
Heterosexuelle Paare
Für heterosexuelle Paare war eine künstliche Befruchtung unter bestimmten Voraussetzungen immer schon möglich. Dank der Gesetzesnovelle soll es ihnen in Zukunft noch leichter gemacht werden, sich fortzupflanzen. War bisher etwa die Eizellenspende nicht möglich, darf diese nun vorgenommen werden, solange die Empfängerin nicht älter ist als 45 Jahre, die Spenderin nicht älter als 30.
Bisher verboten war es außerdem, dass sich ein Paar von einem Dritten Samenzellen spenden lässt. Das hieß in der Praxis: Paare, bei denen der Mann sich als unfruchtbar herausstellte, mussten bisher für eine künstliche Befruchtung ins Ausland fahren.
Menschen mit erblichen Risiken
Generell bleibt die sogenannte PID (Präimplantationsdiagnostik) verboten, außer, es besteht der Verdacht, das Kind könnte mit einer genetisch vererbbaren Erkrankung zur Welt kommen, oder nachdem die Mutter bereits drei Fehlgeburten oder drei Fehlversuche, mittels IVF schwanger zu werden, hinter sich hat.
Es handelt sich dabei um eine Untersuchung des befruchteten Embryos, bevor dieser in den Körper der Mutter eingesetzt wird. Bei dieser kann festgestellt werden, ob der Embryo genetisch gesund ist oder nicht. Dadurch können nicht nur genetisch vererbbare Krankheiten vermieden, sondern auch die Überlebenschancen für den Embryo beurteilt werden. Besonders nach häufigen Fehlgeburten kann den werdenden Müttern so der Embryo eingesetzt werden, der die höchsten Überlebenschancen hat. So versucht man, der Mutter eine erneute Fehlgeburt und das damit verbundene psychische und physische Leid zu ersparen.
Wer übernimmt die Kosten?
Für die Kostenübernahme durch den IVF-Fonds müssen in Österreich folgende Voraussetzungen gegeben sein: Die Frau muss unter 40 Jahre und der Mann unter 50 Jahre alt sein. Einer der beiden muss eine Fruchtbarkeitsstörung haben, beide müssen in Österreich versichert sein und einen Daueraufenthaltstitel vorweisen können. Außerdem muss das Paar in einer Ehe oder eheähnlichen Beziehung leben. Treffen diese Kriterien zu, übernimmt der IVF-Fonds 70 Prozent der Behandlungskosten, allerdings maximal für vier Zyklen einer IVF-/ICSI-Behandlung und die dafür notwendigen Medikamente. Nicht bezahlt wird eine Intrauterine Insemination (IUI). Werden diese Kriterien nicht erfüllt, so belaufen sich die Kosten für eine Behandlung auf rund 3.000 Euro in einer öffentlichen Krankenanstalt.
Moralische Aspekte
Die geplante Änderung des Fortpflanzungsgesetzes ist jedoch nicht unumstritten. So etwa spricht Mediziner und Theologe Johannes Huber sogar von einer „Sturzgeburt“, die die Verantwortung gegenüber der Schöpfung außer Acht lasse – nicht nur im religiösen Sinn, sondern auch in der ethischen und gesellschaftlichen Dimension.
Einen weiteren Streitpunkt stellt die Frage dar, was mit überzähligen Embryonen geschehen soll. Denn diese seien für manche mehr als nur eine „Ansammlung von Zellen“, müssen aber laut Gesetz entsorgt werden.