Studien zeigen: Bei Schlaganfällen tragen Frauen mehr Schäden davon.
Nach Schlaganfällen
scheinen Frauen mehr bleibende Behinderungen davonzutragen als Männer. Obwohl viele Jahre lang Neurologie und Psychiatrie durch die gemeinsame Ausbildung der Ärzte verbunden war, werden psychische Probleme von Neurologie-Patienten oft nicht berücksichtigt, hieß es jetzt beim Europäischen Neurologenkongress (bis 3. Juni) in Istanbul.
Große Herausforderung
Der Schlaganfall
hat mit jährlich rund 600.000 Neuerkrankungen in Europa epidemische Ausmaße erlangt. "In Europa werden jährlich zwischen 250 und 280 Schlaganfälle pro 100.000 Einwohner verzeichnet. Trotz großer Fortschritte in der Behandlung stellt uns diese epidemisch auftretende Krankheit immer noch vor große Herausforderungen, nicht nur in der Akutbehandlung, sondern auch in der Prävention und Rehabilitation", sagte Franz Fazekas (Universitätsklinik für Neurologie, Graz) bei dem Kongress.
Alter spielt Rolle
Eine österreichische Studie zeigte auf, dass Frauen im Falle eines akuten Hirninfarkts oder einer transitorischen ischämischen Attacke nicht anderes versorgt werden als Männer, obwohl sie unterschiedliche Voraussetzungen mitbrachten. Laut Studiendaten waren Frauen zum Zeitpunkt des Schlaganfalls im Durchschnitt mehr als sieben Jahre älter als Männer, wiesen in einem höheren Ausmaß bereits bestehende Behinderungen auf und hatten schwerere Schlaganfälle.
Sterblichkeit geringer
Ein Kernpunkt der Ergebnisse: Trotz identer Akutversorgung und einer vergleichbaren Neurorehabilitationsrate fiel bei den Frauen das funktionelle Behandlungsergebnis schlechter aus, ihre Sterblichkeit war allerdings geringer. "Auch wenn noch weitere Studien zusätzlich die sozioökonomische Situation der Patienten nach dem Schlaganfall beleuchten sollten, liefern diese Ergebnisse deutliche Hinweise, dass genderspezifische Behandlungskonzepte die Therapieerfolge verbessern könnten", betonte Fazekas. Die Studie basiert auf den Daten von mehr als 47.000 Personen aus dem österreichischen Schlaganfall-Register, die zwischen 2005 und 2012 in einer der 35 österreichischen Stroke Units behandelt worden waren. Knapp die Hälfte davon (47 Prozent) waren Frauen.
Völlig unterschätzt werden offenbar die psychischen Begleitumstände von neurologischen Erkrankungen. 60 Prozent der Menschen mit Epilepsie leiden unter psychischen Begleiterkrankungen wie Angstzuständen oder Depression, werden aber oft nicht adäquat behandelt, kritisierten Experten in Istanbul. Eine Reihe aktueller Studien hätten dazu neue Erkenntnisse geliefert. Besonders schlecht gehe es Menschen mit Epilepsie, deren neurologische Grunderkrankung nicht behandelt wird. Tests sollen die Früherkennung von Angststörungen verbessern.
"Diese Situation ist sehr bedauerlich, denn das mangelnde Bewusstsein dafür steht letztlich der Entwicklung entsprechender Hilfsangebote für die betroffene Personengruppe entgegen und führt vielfach zu einer inadäquaten Versorgung," betonte Hannah Cock (St. George's University, London).
Epilepsie
Eine in Istanbul vorgestellte norwegische Studie bestätigte, dass Epilepsie tendenziell mit seelischen Leiden einhergeht, ganz besonders dann, wenn die Grunderkrankung nicht ausreichend behandelt wird. Junge Männer mit Epilepsie (Durchschnittsalter 31,8 Jahre) leiden demnach im Vergleich zu gleichaltrigen gesunden Altersgenossen deutlich öfter unter Depressionen (3,9 Prozent versus 2,5 Prozent), leben unter ungünstigeren sozioökonomischen Bedingungen und zeigen sich häufiger mit ihrem Leben unzufrieden.
"Nur ein gutes Drittel (36,9 Prozent) nahm Antiepileptika, der Rest war unbehandelt", berichtete Nils Erik Gilhus (Universität Bergen). "Das bekam ihnen allerdings schlecht. Bei allen Aspekten, welche die psychische Gesundheit betrafen, schnitten unbehandelte Männer mit Epilepsie schlechter ab als behandelte." Konkret litten sie häufiger unter Angstzuständen (sieben versus 4,6 Prozent), Aufmerksamkeitsstörungen (3,4 versus 0,4 Prozent), bipolaren Störungen (2,2 versus 0,3 Prozent), unspezifischen psychiatrischen Störungen (5,6 Prozent versus 2,3 Prozent) und schlechtem Selbstwert (2,5 versus 1,3 Prozent).