Experten-Talk
Statt Ozempic: Die neue Fett-weg-Spritze Mounjaro ist viel effektiver
13.08.2024Das Diabetes- und Adipositas-Medikament mit dem Wirkstoff Tirzepatid ist laut neuer Studie die wirksamste aller Abnehmspritzen. Seit Juni bekommt man sie auch in Österreich. Der Experten-Talk.
Die „Spritze gegen Fett“ hat die Diabetes-Typ-2- und Adipositas-Therapie revolutioniert. Was gemeinhin als „die Abnehmspritze“ tituliert wird, steht für eine Reihe innovativer Wirkstoffe, die in mittlerweile weltberühmten Medikamenten stecken. Die derzeit bekanntesten unter ihnen heißen Wegovy und Ozempic. In beiden ist der Wirkstoff Semaglutid enthalten, mit dem unter anderem Elon Musk ordentlich abspeckte. Semaglutid hat mittlerweile starke Konkurrenz bekommen.
Eine neue Abnehmspritze erobert den Markt
Das neueste und derzeit interessanteste Abnehmmedikament am Markt trägt den klingenden Namen Mounjaro und wurde in einer neuen Studie zu der derzeit wirkungsvollsten Abnehmspritze „gekürt“. Der enthaltene Wirkstoff Tirzepatid hat nämlich eine Mehrfachwirkung. Er sei dadurch noch effizienter in Sachen Gewichtsreduktion als Wegovy & Co. Während mit Semaglutid (ein Mono-Agonist) im Rahmen einer mehrmonatigen Therapie durchschnittlich bis zu 17 Prozent des Körperfetts schmelzen, sind es mit Mounjaro (Dual-Agonist) 22 Prozent. Sogenannte Superresponder, so Expertin Dr. Bianca Itariu, hätten mit dem Medikament sogar 30 Prozent Körperfett verloren.
Mounjaro seit Juni in Österreich
Seit einigen Wochen ist das Medikament, das Ende 2023 in der EU zugelassen wurde, auf Rezept in den österreichischen Apotheken erhältlich. Österreich ist damit das dritte EU-Land nach Deutschland und der Schweiz, in dem das Medikament zur Verfügung steht. Adipositas- und Diabetes-Spezialistin Dr. Itariu beschäftigt sich bereits seit Anfang des Jahres intensiv mit der innovativen Arznei und kann bereits über erste Erfahrungen mit Mounjaro sprechen. Wer das neue Medikament von ihr bekommt, welche Wirkung und Nebenwirkungen sie in der Praxis gesehen hat und ob sie Wegovy & Co. da überhaupt noch verschreibt, verrät die Wiener Internistin im Talk:
Was unterscheidet Mounjaro?
Dr. Bianca Itariu: Die Wirkstoffe Semaglutid und Liraglutid sind GLP-1-Rezeptoragonisten. Dabei handelt es sich um ein synthetisch hergestelltes Sättigungshormon.Bei Menschen mit Übergewicht und Adipositas kann die Ausschüttung des Hormons GLP-1 gestört sein, weswegen sich kein ausreichendes Sättigungsgefühl einstellt. Mounjaro enthält nicht nur einen GLP-1-Rezeptoragonisten, sondern zusätzlich noch das GIP. GIP ist ebenfalls ein Sättigungshormon. Die GIP-Wirkung lässt dadurch sehr effizient das gefährliche Fett schmelzen. Auch das ungesunde viszerale Bauchfett, das sich zwischen und um die Bauchorgane ablagert, wird leichter abgebaut. Zusammengefasst: Semaglutid und Liraglutid sind mit einem Wirkstoff sogenannte Mono-Agonisten. Mounjaro ist mit zwei Wirkstoffen ein Dual-Agonist und es wird an Triple-Agonisten gearbeitet.
Verschreiben Sie die „reinen“ GLP-1-Rezeptoragonisten wie Semaglutid oder auch Liraglutid überhaupt noch?
Itariu: Ja! Die Wahl des Medikaments ist immer ein gemeinsamer Prozess mit den Patient:innen. Was schlussendlich zum Einsatz kommt, hängt von den individuellen Bedürfnissen, der Erkrankung und den Wünschen ab. Und es ist auch eine Preisfrage.
Laut Studie lassen sich mit Mounjaro über 20 Prozent Gewicht verlieren – im Durchschnitt wohlgemerkt. Mit welchen Erwartungen sollte man in so eine Therapie gehen?
Itariu: Mit Wegovy lassen sich laut Studien an die 17 Prozent abnehmen. Mit Mounjaro sind es über 20 Prozent im Durchschnitt. Es gibt sogenannte ,Superresponder‘, also die Bestansprecher, die mit egal welcher Substanz fast die 30 Prozent Gewichtsreduktion „knacken können“. Aber die Zahlen muss man differenziert betrachten. Diese Effekte der Mounjaro-Studie wurden mit Menschen erzielt, die gecoacht wurden in Bezug auf Ernährung und Bewegung.
Das bedeutet: Ein derart gutes Ergebnis lässt sich nur gemeinsam mit einer Lebensstiländerung erzielen. Diese macht etwa acht Prozent vom Gesamtergebnis aus. Aber die Medikamente wirken auch für sich alleine – jedoch nicht in diesem Ausmaß. Eine Studie mit Wegovy, die die Wirkung auf das Herz untersuchte, zeigte, dass ohne Lebensstiländerung etwa ein 10-prozentiger Gewichtsverlust erreicht werden kann. Das Herz-Kreislauf-Risiko ist übrigens um 20 Prozent gesunken. Bei Mounjaro ist so eine Studie noch ausständig, es wird aber vermutlich auch gut abschneiden.
Was wäre eine realistische Erwartung?
Itariu: Mit einer hohen Dosierung kann man sich schon 15 bis 20 Prozent Gewichtsverlust erwarten.
Wo liegen die Nachteile bei Mounjaro?
Itariu: Mounjaro in seiner derzeitigen Form ist bei uns nicht als Pen erhältlich. Man bekommt es in der Apotheke in einem Fläschchen und dazu Einwegspritzen und zieht die Flüssigkeit mit der Spritze aus der Flasche auf. Das ist etwas aufwendiger als die Verabreichung mit Pen wie bei Saxenda, Wegovy oder Ozempic. Ein Nachteil ist auch der hohe Preis.
Wieviel kostet es genau?
Itariu: In Österreich kostet jede Monatspackung 541 Euro. Ich verschreibe das Medikament seit Anfang des Jahres, da Apotheken Medikamente für ihre Kundinnen und Kunden aus Deutschland importieren können und dort ist es ja bereits seit Anfang 2024 verfügbar. Das importierte Produkt war damals um ca. 100 Euro günstiger, als jenes das in Österreich aktuell verfügbar ist.
Der Betrag ist privat zu bezahlen.
Itariu: Genau. Im ASVG stehen Abnehmmedikamente seit über 20 Jahren auf der ,schwarzen Liste‘ – das bedeutet, sie sind nicht erstattungsfähig und müssen aus eigener Tasche bezahlt werden. Vor zwei Jahrzehnten war das gerechtfertigt, da die damaligen Medikamente nicht ausgereift waren und immer wieder vom Markt genommen werden mussten. Aber heutzutage ist das ist nicht mehr zeitgemäß und eine soziale Ungerechtigkeit! Die neuen Medikamente sind Gamechanger, die langfristig die Gesundheit und Lebensqualität übergewichtiger bzw. an Diabetes erkrankter Menschen verbessern.
Wie steht es um den Jo-Jo-Effekt? Bei Wegovy geht das Gewicht nach Absetzen ja wieder rauf.
Itariu: Das wurde auch bei Mounjaro beobachtet und ist völlig „normal“.