Forscher:

Ursache für seltene Immunschwäche identifiziert

24.10.2016

Therapiemöglichkeit mit Contergan-Nachfolgesubstanz gefunden

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Wiener Wissenschafter haben die Ursache einer seltenen Immunschwäche entdeckt. Darüber berichten sie jetzt in "Nature Immunology". Für die Krankheit wurde durch diese Erkenntnisse auch die Suche nach einer Erfolg versprechenden Therapie möglich. Sie könnte mit einer Nachfolgesubstanz des Contergan-Wirkstoffes Thalidomid erfolgen.

Ein zwölfjähriger Patient war der Ausgangspunkt der Studie gewesen:

Das Kind hatte seit seiner Geburt mit lebensbedrohlichen Infektionen der Atemwege zu kämpfen. Immunologische Untersuchungen ergaben eine gestörte Zusammensetzung der weißen Blutkörperchen, der Lymphozyten. Drei seiner sechs Geschwister starben an vermutlich ähnlichen Komplikationen noch vor ihrem dritten Lebensjahr. Vier schwerkranke Kinder innerhalb der gleichen Familie sprachen für einen genetische Ursprung ihres Leidens.

Fällen wie diesem widmet sich das neu gegründete Ludwig Boltzmann Institute for Rare and Undiagnosed Diseases (LBI-RUD) in Wien, das von der Ludwig Boltzmann Gesellschaft zusammen mit dem CeMM (Forschungszentrum für Molekulare Medizin), der Medizinischen Universität Wien und der St. Anna Kinderkrebsforschung gegründet wurde, und im April 2016 seine Arbeit aufnahm. Leiter ist Kaan Boztug. "Unser Institut bietet das ideale Umfeld, um die molekularen Ursachen seltener - meist genetisch verursachter - Erkrankungen zu entschlüsseln, und auf dieser Grundlage mögliche zielgerichtete Therapien zu entwickeln", erklärte der Wissenschafter.

Verdacht einer genetisch verursachten Krankheit

"Die Untersuchungen, bei denen wir das Genom des Patienten analysierten, bestätigten unseren Verdacht einer genetisch verursachten Krankheit", erläuterte Elisabeth Salzer, vom CeMM und Erstautorin der Studie. Durch sogenanntes "homozygosity mapping" - eine genetische Methode, mit der krankheitsverursachende Mutationen aufgespürt werden können - stießen die Forscher auf einen Fehler in dem Gen, dessen Produkt RASGRP1, ein Schlüsselprotein für die Entwicklung von Lymphozyten, darstellt. Bei den gesunden Eltern, sowie den drei gesunden Geschwistern, lag jeweils nur eine Kopie der Mutation im Genom vor - der erkrankte Bub hatte jedoch zwei defekte Kopien von seinen Eltern geerbt.

Welche Bedeutung RASGRP1 für das Immunsystem hat, war zuvor in Mausexperimenten nur zum Teil untersucht worden. Die genaue Rolle des Proteins im Menschen war unbekannt, und nie zuvor wurde eine Mutation beschrieben, die es funktionsuntüchtig macht. In dem nun vorliegenden Fall zeigte sich, dass das Fehlen von RASGRP1 nicht nur die Funktion von T-Lymphozyten stört, sondern auch, dass RASGRP1 eine bisher unbekannte Rolle für das Zellskelett von Natürlichen Killer-Zellen (NK-Zellen) spielt. Durch eine Reihe von weiteren Experimenten gelang es den Forschern, die defekten molekularen Schaltkreise genauer zu analysieren.

Schließlich fanden die Wissenschafter mit Lenalidomid einen zugelassenen Wirkstoff, der für die Therapie der neu entdeckten RASGRP1-Defizienz infrage kommt. Lenalidomid wird zur Behandlung des Multiplen Myeloms verwendet. Er ähnelt der Contergan-Wirksubstanz Thalidomid. Die nun veröffentlichte Studie könnte ein Beispiel dafür sein, wie man die Suche nach der Krankheitsursache bei seltenen Erkrankungen mit jener nach Therapiemöglichkeiten und ihre Anwendung kombinieren könnte.

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