Der Placebo-Effekt
Wenn der Glaube hilft
24.07.2015Es scheint eine Laune der Natur zu sein: Manchmal verhelfen uns Pillen ohne therapeutisch wirksame Inhaltsstoffe zu deutlicher Verbesserung bei Leiden. Was hinter dem Placebo-Effekt steckt.
Der Morgen war hektisch: Zuerst hat sie verschlafen, dann den Toast verbrannt und den Kaffee verschüttet – und dann kommen noch diese unerträglichen Kopfschmerzen dazu. Sabine P. kramt in der Schublade, findet eine Kopfschmerztablette und fährt ins Büro. Bereits nach kurzer Zeit verschwinden die Kopfschmerzen, die Tablette hat gewirkt. Abends bemerkt Sabine P.: Anstatt einer Kopfschmerztablette hat sie in der morgendlichen Eile aus Versehen eine Tablette für schöneres Haar und kräftigere Nägel geschluckt. Geholfen hat sie trotzdem. Nur: warum?
Der Placebo-Effekt
Bis heute ist der Placebo-Effekt eines der am meisten untersuchten Phänomene in der medizinischen Wissenschaft. Es gibt zahlreiche Annahmen und Vermutungen darüber, wie die Wirksamkeit von an sich wirkstofflosen Medikamenten erklärt werden kann. Der amerikanische Mediziner Herbert Benson vertritt beispielsweise die Ansicht, dass das Gehirn bestimmte Heilungsabläufe gespeichert hat. Wird eine Placebo-Pille verabreicht, dient diese als Signal, das an die „innere Apotheke“ geschickt wird und die Ausschüttung von heilenden Substanzen aktiviert. Andere Forscher gehen davon aus, dass durch Placebos nur psychisch bedingte Erkrankungen geheilt werden können, während Kritiker das Phänomen für reinen Zufall halten. Tatsache ist aber, dass er – egal, welchen Namen man ihm gibt und wie man ihn zu erklären versucht – existiert.
Der Begriff: Wörtlich übersetzt bedeutet „placebo“ so viel wie „ich gefalle“. Der Begriff kommt aus dem Lateinischen und bezeichnet Therapie- und Behandlungsformen (Tabletten, Injektionen, Kapseln etc.), die keinen pharmakologischen Wirkstoff enthalten. Ihm gegenüber- steht das sogenannte „Verum“. So werden Medikamente bezeichnet, die pharmakologische Wirkstoffe enthalten. Einsatz: Placebos kommen auf zwei verschiedene Arten zum Einsatz: Sie werden einerseits in sogenannten placebo-kontrollierten Studien verwendet, um zu sehen, wie gut ein Medikament im Vergleich zu Placebos abschneidet; andererseits finden sie auch als Therapie Verwendung. Bessern sich die Symptome dadurch, spricht man vom „Placebo-Effekt“ oder von einer „Placebo- Wirkung“. |
Faktor Zwischenmenschlichkeit
Neben dem Glauben an die Wirksamkeit einer verabreichten Therapie darf aber auch der Faktor Zwischenmenschlichkeit nicht außer Acht gelassen werden. So konnten Studien belegen, dass die bemerkenswertesten Symptomverbesserungen durch eine Gabe von Placebos dann erreicht werden können, wenn der Patient diese nach einem Arztgespräch verschrieben bekommt, er in diesem Gespräch menschliche Zuwendung bekommt. „Der Placebo-Effekt und der Arzneimittel-Effekt sind gelungene Hilfen zur Selbsthilfe und die Früchte von Liebe und Sympathie. Es ist vielleicht so einfach“ , mutmaßt der Autor Manfred Poser in seinem aktuellen Buch „Der Placebo- Effekt“ (Crotona Verlag, um 20,60 Euro; ab August).
Wirkung & Nebenwirkung
Die beste Wirkung wird mit Placebos dann erreicht, wenn der Patient nicht weiß, dass es sich um ein Placebo handelt. Ist er von der Heilkraft überzeugt, kann es mitunter aber auch zu Nebenwirkungen kommen, die jenen „echter“ Medikamente ähnlich sind. Der Körper „glaubt“ schließlich daran, dass diese eintreten können. Als besonders hilfreich hat sich der Einsatz von Placebos in der Therapie von Depressionen, psychiatrischen Störungen, Magen- und Herzbeschwerden sowie Schmerzen erwiesen. Der Medizinhistoriker Thomas Jütte kommt in einer Studie zum Schluss: „Mit dem Einsatz von Placebos lassen sich erwünschte Arzneimittelwirkungen maximieren, unerwünschte Wirkungen von Medikamenten verringern und Kosten im Gesundheitswesen sparen.“