Das Anästhetikum Ketamin als Nasenspray verstärkt offenbar die Wirkung herkömmlicher Medikamente bei Menschen mit schlecht behandelbaren Depressionen.
Das hat eine klinische Studie mit Beteiligung der Wiener Universitätsklinik (AKH) ergeben, die am vergangenen Donnerstag im "New England Journal of Medicine" erschienen ist.
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Wiener Uniklinik beteiligt
Die Ergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung unter Leitung von Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie in Frankfurt, und mit Co-Autorenschaft des Wiener Psychiaters Richard Frey (Universitätsklinik für Psychiatrie/MedUni Wien, AKH) werden aktuell auch bei der Jahrestagung des European College of Neuropsychopharmacology in Barcelona präsentiert.
Millionen Betroffene
Der Hintergrund: Weltweit dürften rund 320 Millionen Personen depressiv sein. In Österreich wird die Häufigkeit mit etwas weniger als acht Prozent der Bevölkerung angegeben. Die Dunkelziffer ist hoch. Die herkömmlichen Antidepressiva - vor allem sogenannte Serotonin- und/oder Noradrenalin-Reuptake-Hemmer (SSRI oder SNRI) -, welche die Konzentration der Nervenbotenstoffe Serotonin und/oder Noradrenalin im synaptischen Spalt zwischen Nervenzellen im Gehirn erhöhen, entwickeln erst nach rund zwei Wochen ihre Wirkung.
Esketamin seit 2019 zugelassen
Doch das größte Manko liegt darin, dass etwa zwei Drittel aller Patienten mit einer Major Depression auf den ersten Versuch einer konventionellen medikamentösen Therapie nicht ansprechen. Bei einem Drittel bleibt auch ein zweiter Behandlungsversuch mit den Arzneimitteln ohne ausreichenden Erfolg. Für diese Menschen gab es bisher vor kurzem vor allem die zusätzliche Gabe eines atypischen Antipsychotikums (z.B. Quetiapin) als Behandlungsmöglichkeit. Seit 2019 ist in der EU aber auch das vom Anästhetikum Ketamin abgeleitete Esketamin als Nasenspray für die Therapie "resistenter" Depressionen zugelassen.
So lief die Studie ab
Die an der wissenschaftlichen Studie beteiligten Psychiater von 171 Krankenhäusern in 24 Staaten führten eine erste Vergleichsstudie zwischen den beiden Strategien durch. "Die Patienten waren zwischen 18 und 74 Jahre alt. Sie befanden sich im Durchschnitt seit mehr als 60 Wochen in ihrer aktuellen Episode der Major Depression. Die Symptome hatten sich unter einer Behandlung mit einem SSRI oder SNRI nicht wesentlich gebessert.
"Für zwei Drittel der Patienten war es bereits der dritte Behandlungsversuch", schrieb das Deutsche Ärzteblatt zu der wissenschaftlichen Studie. Das dritte Drittel der insgesamt 676 Probanden hätte schon bis zu sechs verschiedene Behandlungsversuche unternommen. Die Patienten waren zwischen 18 und 74 Jahre alt und hatten seit mindestens 60 Wochen an einer schweren Depression gelitten.
Im Verhältnis eins zu eins nahmen die Patienten im Verlauf der Studie die herkömmlichen Medikamente weiter ein und verwendeten zusätzlich das Antipsychotikum Quetiapin (340 Probanden) oder den Esketamin-Nasenspray (336 Probanden). Die Ergebnisse sprechen laut den Wissenschaftern für den Nasenspray. "Mehr Patienten aus der Esketamin-Gruppe als aus der Quetiapin-Gruppe zeigten eine Remission (Verschwinden der Symptome; Anm.) nach acht Wochen (91 von 336 Patienten oder 27,1 Prozent versus 60 von 340 Patienten oder 17,6 Prozent)", heißt es im New England Journal of Medicine (DOI: 10.1056/NEJMoa2304145).
Eine Hürde für Patienten
Mit der Dauer der Behandlung nahm die Wirkung offenbar zu. "In Woche 32 befanden sich in der Esketamin-Gruppe 49 Prozent der Patienten und 33 Prozent in der Quetiapin-Gruppe in Remission", schrieb das deutsche Ärzteblatt. Ein mögliches Problem für die Esketamin-Therapie liegt darin, dass die Patienten dafür zumeist einmal wöchentlich in eine Klinik kommen müssen.