Als "Impfung gegen Gebärmutterhalskrebs" haben zwei Impfstoffe in den vergangenen Jahren für Aufmerksamkeit gesorgt. Sie sollen Infektionen mit jenen Humanen Papillomviren vorbeugen, die vor allem mit der Entstehung von Gebärmutterhalskrebs in Verbindung gebracht werden. Ein Impfstoff der nächsten Generation, der in Wien entwickelt wird, soll das Schutzspektrum deutlich erweitern.
Er soll gegen viel mehr HPV-Typen immunisieren können. Darüber wollen die Experten auf der Frühjahrstagung der Österreichischen Gesellschaft für Dermatologie, die am Samstag (27. Februar) in Wien abläuft, unter anderem berichten.
Die an der Wiener Universitätsklinik für Dermatologie (AKH/MUW) entwickelte Impfstoff-Innovation soll in Zukunft einen Breitband-Schutz gegen viele verschiedene Typen von Humanen Papillomviren (HPV) bieten, erklärten Reinhard Kirnbauer und Christina Schellenbacher im Vorfeld der Tagung.
"Die hier präsentierten Daten zeigen einmal mehr, dass wir nicht nur auf eine große Tradition zurückblicken, sondern auch innovative Forschung an den dermatologischen Abteilungen und Einrichtungen leisten. Wir sind höchst kompetitiv im internationalen Wissenschaftswettbewerb", sagte ÖGDV-Präsidentin Beatrix Volc-Platzer (SMZ-Ost, Wien). Die Gesellschaft wurde vor genau 120 Jahren vom Wiener Dermatologen Moriz Kaposi ("Kaposi-Sarkom") gegründet.
"Eine neue Generation von HPV-Impfungen hat große praktische Relevanz. Die zahlreichen inzwischen bekannten HPV-Typen sind für Infektionen mit den unterschiedlichsten negativen Folgen verantwortlich, hier geht es um ein weit breiteres Spektrum als die bisher diskutierte Vorbeugung von Gebärmutterhalskrebs. Die Dermatologen sind auf jeden Fall für die HPV-Impfung", erklärte die Expertin.
Aktuelle Impfstoffe verhindern 30 Prozent der Krebsvorstufen nicht
"Die derzeit zugelassenen HPV-Impfstoffe können etwa 30 Prozent der Krebsvorstufen am Gebärmutterhals, der sogenannten Zervixdysplasien (Krebsvorstufen, Anm.), nicht verhindern", sagte Kirnbauer, der bereits an der Entwicklung der derzeit verfügbaren Impfstoffe federführend beteiligt war. "Ziel der nächsten Impfstoff-Generation, an der wir arbeiten, ist es, einen wirksamen Schutz gegen eine Vielzahl von onkogenen HPV-Typen zu bieten", fügte er hinzu.
Die Experten gehen davon aus, dass HPV-Infektionen für fünf Prozent aller Karzinome weltweit verantwortlich sind. Dies gilt zum Beispiel für Zervixkarzinome, die zu rund 70 Prozent durch Infektionen mit sogenannten "Hoch-Risiko"-Typen HPV16 und HPV18 verursacht werden. Darüber hinaus sind diese Typen auch für einen Teil anderer Karzinome wie Vulva-, Vaginal-, Anal-, Penis- und Mundrachenkarzinom verantwortlich. Genitalwarzen (Condylomata acuminata) werden durch "Niedrig-Risiko"-HPV verursacht.
"Die protektive Wirkung der derzeit verfügbaren HPV-Vakzine ist auf die im Impfstoff enthaltenen Typen beschränkt, mit teilweiser Kreuzprotektion gegen sehr nahe verwandte HPV-Typen", erklärt Kirnbauer. "Daher wird ein Teil der Infektionen mit anderen Hoch-Risiko-Typen nicht verhindert. Weiters besteht keinerlei Schutz gegen Hautwarzen sowie Typen, die möglicherweise eine Rolle bei der Entstehung von Hautkrebs spielen."
Anders ist das bei den neuen Impfstoffen. "In einer wissenschaftlichen Arbeit konnten wir neuartige Virus-ähnliche Partikel als HPV-Vakzine generieren. In Tiermodellen lösten diese nicht nur sehr potente neutralisierende Antikörper gegen HPV16 aus, sondern darüber hinaus auch breit kreuzneutralisierende Antikörper gegen höchst unterschiedliche ano-genitale 'Hoch-Risiko'- und 'Niedrig-Risiko'-HPV, sowie verschiedene Hauttypen", erklärte Kirnbauer. Diese neue Entwicklung stelle daher eine potenzielle HPV-Breitspektrumvakzine dar.
Österreich hat sich bisher im Gegensatz zu vielen anderen Ländern nicht zur kostenlosen Bereitstellung der HPV-Impfung für Mädchen entschließen können. Kommende Woche hält sich der Entdecker des Zusammenhangs zwischen Papilloma-Viren und Gebärmutterhalskrebs, der deutsche Medizin-Nobelpreisträger des Jahres 2008, Harald zur Hausen, in Wien auf.
Umprogrammierte Gene gegen Hautkrankheiten
Aus anderen Disziplinen berichten Dermatologen über neue Therapiestrategien, die direkt bei den geschädigten Genen ansetzen. Diese könnten bei verschiedenen schwer behandelbaren Hautkrankheiten, die erblich bedingt sind oder auf Störungen des Immunsystems zurückgehen, künftig eine neue Therapieperspektive bieten. Bei "Schmetterlingskindern" hat man in Salzburg erste Erfolge mit der innovativen Gentherapie erzielt. Auch für Patienten mit Schuppenflechte ist der neue Ansatz eine Option. Darüber sollen Experten auf der Frühjahrstagung der Dermatologen ebenfalls sprechen.
Die Epidermalysis bullosa ("Schmetterlingskinder") ist derzeit eine unheilbare Erkrankung. Doch aus der Molekularbiologie könnten neue Ansätze kommen, die eventuell auch bei anderen schweren Hauterkrankungen - zum Beispiel bei der Psoriasis helfen könnten, berichtet Johann Bauer von der Salzburger Universitätsklinik.
"Das menschliche Genom ist vor Eindringlingen gut geschützt. Spezielle Schutz-Eiweisse und eine effiziente Verpackungsstruktur verhindern, dass Bakterien und Viren ihre Fremd-DNA in die menschliche Erbsubstanz einbringen können", erklärte Bauer wichtige Voraussetzungen des neuen Behandlungsansatzes. Nur in ganz bestimmten Momenten wird diese Barriere aufgehoben: Unter anderem im sogenannten Spleiß-Prozess. Dabei wird die "unreife" RNA, welche durch Abschrift aus der Erbsubstanz (DNA) entsteht, in "reife" RNA überschrieben.
Man kann diese Abläufe auch mit den Abläufen in einer Bibliothek vergleichen. Die Buchstaben der Bücher stellen die Information dar. Sie sind mit der DNA, der Erbsubstanz, vergleichbar. Werden die Informationen aus den Büchern gebraucht, werden sie kopiert. Diese Kopien entsprechen der RNA, welche zunächst noch "unreif" ist. Das heißt, es sind zu viele Buchstaben kopiert worden. Erst durch den Spleiß-Prozess entsteht dann die fertige RNA, die "reife" RNA, in welcher die Zahl der Buchstaben korrekt ist. Diese "reife" RNA wird dann zur Zusammensetzung der Proteine des Körpers verwendet.
Nutzung der "Schwächephase"
Diese "Schwächephase" nutzen Forscher gezielt für medizinischen Zwecke, indem sie in den Spleiß-Vorgang eingreifen - die Methode wird "trans-splicing" oder "Trans-Spleißen" genannt. "Wir untersuchen derzeit zwei Möglichkeiten des Trans-Spleißens", erklärte Bauer.
Beim ersten Ansatz werden schadhafte Bereiche der reifen RNA eines Patienten durch korrigiertes Material ersetzt. Bei Patienten mit Epidermolysis bullosa sind Abschnitte in jenem Gen, das für die Produktion bestimmter Eiweiße zuständig ist, krankhaft verändert. Mit Hilfe der neuen Technologie werden die korrigierten RNA-Abschnitte durch Gen-Schiffe in schadhafte Körperzellen eingebracht. So können diese Zellen fehlende Proteine wieder produzieren."
Ein weiteres Einsatzgebiet sind Erkrankungen des Immunsystems wie die Schuppenflechte (Psoriasis). "Hier werden bestimmte Proteine der Hautgefäße, die bei dieser Erkrankung vermehrt produziert werden, durch Zytokine ersetzt. Das sind Botenstoffe, welche die überschießenden Immunreaktionen bei der Psoriasis unterdrücken können", erklärte Bauer.