Ruß unter der Haut
Tattoos gefährden die Gesundheit
06.06.2013
Noch zu wenig untersucht. Farbe bleibt nicht an der Stelle, wo sie eingestochen wird.
Ein Porträt der Mutter auf der Schulter oder Lebensweisheiten in Schnörkelschrift auf dem Handgelenk - Tätowierungen, neudeutsch: Tattoos, haben einen Siegeszug über die Körper junger Menschen gehalten. In den USA ist nach Schätzungen jeder Vierte tätowiert. In Europa sind es rund zehn Prozent der Bevölkerung, bei den 18- bis 27-Jährigen sogar 25 Prozent. Tattoos liegen im Trend - sind allerdings auch mit Gefahren für die Gesundheit verbunden.
Ruß unter der Haut
"Früher wurde geraucht, heute wird tätowiert", sagt Andreas Luch, Leiter einer Fachgruppe für Produktsicherheit am Bundesinstitut für Risikobewertung in Berlin. Der Professor für Pharmakologie und Toxikologie hat die erste internationale Konferenz zur Tattoo-Sicherheit organisiert. Am Donnerstag und Freitag wollen Wissenschafter und Interessierte an der Freien Universität Berlin diskutieren, was beim Tätowieren unter die Haut wandert. "In der Farbe Schwarz ist beispielsweise Ruß", sagt Luch.
Langfristige Folgen?
"Jeder verlässt sich darauf, dass die Behörden es richten", sagt Wolfgang Bäumler, Physiker an der Universität Regensburg und einer der Referenten. Doch das Vertrauen in die Behörden sei nicht gerechtfertigt. Es gebe kaum Wissen über die Wirkung der Farben - vor allem nicht über langfristige Folgen.
Farbe "wandert"
Bäumler hat seit Ende der 90er-Jahre zahlreiche Untersuchungen zu den Pigmenten erstellt. "Die Farben bleiben nicht an der Stelle, wo sie eingestochen werden", sagt er. Aber wohin sie im Körper abtransportiert werden, sei nicht erforscht. "Bei Tattoos in der Nähe von Lymphknoten sind diese auf jeden Fall genauso bunt wie die Tätowierung."
Bäumlers Studien flossen in die 2008 verabschiedete Tätowiermittelverordnung ein, die verbotene Inhaltsstoffe von Pigmenten auflistet. "Es ist eine Negativliste", sagt er. Doch es werden immer neue Farben entwickelt - bis hin zu Neonfarben, die in der Dunkelheit unter der Haut leuchten. "Man kann die Hersteller von Pigmenten nur bitten, Substanzen zu vermeiden, die die Gesundheit beeinträchtigen", sagt Bäumler.
Allergie
Professor Luch berichtet von einem 60-jährigen Mann, der stark allergisch auf eine Tätowierung reagierte. Sein Hautarzt überwies ihn in eine Klinik, doch ein Eindämmen der Reaktion war unmöglich. "Schließlich wurde der Hautlappen mit dem Tattoo herausgeschnitten", berichtet Luch. Bei rund 70 Prozent der Menschen gebe es akut eine "lokale Reaktion" - eine Blutung, Schwellung oder Verkrustung. "Bei etwa sechs Prozent der Fälle bleibt etwas zurück", sagt er. Das kann eine Sensibilisierung der Haut sein oder kleine Knötchen.
Auch Reaktionen des ganzen Menschen kämen vor. Luch nennt "Schwindel, Abgeschlagenheit und Fieber". Die Menge der verwendeten Pigmentmasse ist nicht unerheblich: "Bei einer Tätowierung des ganzen Oberkörpers werden rund zehn Gramm Pigment verwendet, für einen Oberarm etwa zwei Gramm", hat er errechnet.
Auf der Berliner Tagung sollen neue Technologien erörtert werden, die die Sicherheit erhöhen könnten. Das Berliner Unternehmen Surflay stellt eine Methode vor, nach der die Pigmente mit einer Schicht überzogen werden, die den Abtransport einzelner Inhaltsstoffe verhindert.