Im Labor nachgewiesene Sensibilisierung wird oft mit Allergie gleichgesetzt.
Allergien sind beim Menschen relativ häufig auftretende Gesundheitsprobleme. Daran besteht kein Zweifel. Aber die aktuelle Wahrnehmung dazu greift offenbar viel zu hoch. "Oft werden Befund (Allergietest mit Hinweis auf mögliche allergische Beschwerden, Anm.) und Krankheit verwechselt", stellte am Freitag der Allergie-Spezialist der Wiener Universitäts-Kinderklinik Szolt Szepfalusi, beim 39. Internationalen pädiatrischen Symposium in Obergurgl in Tirol (bis 19. Jänner) fest.
Haben Sie eine Allergie oder Intoleranz?
Übertriebene Maßnahmen
Ein Fallbeispiel des Experten: Ein junges Mädchen, das nach einem lang zurück liegenden Hautausschlag während eines Urlaubs und einer milden atopischen Dermatitis zum "Allergietest" ins Labor geschickt wurde. Dort wurden IgE-Antikörper festgestellt, die einen Hinweis - nicht mehr - auf eine Ei-Allergie geben können. Doch: Sofort gab es die Empfehlung, auf Eier zu verzichten und einen Provokationstest durchführen zu lassen. Dabei hatte das Kind bis dahin Eier gut vertragen. Der Kinderarzt: "Wir haben aus einem gesunden Kind ein ordentlich krankes Kind gemacht."
- Baumpollen im Frühjahr
- Gräserpollen im Sommer
Insgesamt dürfte sowohl in der Allgemeinbevölkerung als auch bei vielen Ärzten die Rate der echten Allergien regelmäßig viel zu hoch angesetzt werden. Szepfalusi: "Atopische Dermatitis - zehn bis 15 Prozent der Kinder haben das." Aber oft seien die Beschwerden durchaus mild, könnten mit guter Hautpflege beherrscht werden. Nur in 50 Prozent der Fälle lasse sich ein Hinweis auf eine allergische Komponente (Atopie) durch Nachweis von IgE-Antikörpern im Blut finden (nur in 20 Prozent eine Beteiligung von Nahrungsmitteln).
"Bioresonanz" unwirksam
In 60 Prozent der Fälle aber komme es zum spontanen völligen Verschwinden der Symptome. Die wissenschaftlich am besten belegten Therapien für schwere Fälle sind Cortison und die neueren Calcineurininhibitoren (Tacrolimus, Pimecrolimus). Für alle anderen angeblich entzündungshemmenden Mittel gibt es keine fundierten wissenschaftlichen Daten. Die ehemals so beliebte "Bioresonanz" hat sich in einer klinischen Studie als unwirksam herausgestellt.
"Nahrungsmittelallergien"
Völlig überschätzt werden die "Nahrungsmittelallergien". Der Wiener Kinderarzt: "Zehn bis 20 Prozent der Bevölkerung meinen, auf bestimmte Nahrungsmittel eine Unverträglichkeit zu haben." In Wahrheit stellen sich nach Erhebung der Symptome durch den Arzt, Labortest auf IgE-Antikörper und Hauttest) nur 0,1 bis 4,2 Prozent der Menschen als wahrscheinlich durch ein solches Problem belastet heraus. "Das ist ein Zehntel bis ein Zwanzigstel des Vermuteten", sagte Szepfalusi. Viel zu schnell werde oft eine "Diät" empfohlen, ohne dass die Symptome genau abgeklärt werden.
Auch beim "Asthma" sollten Ärzte und Eltern vorsichtig sein. Der Experte: "Mit 15 bis 20 Prozent (Symptome bei Kindern, Anm.) ist das häufig. Aber nicht alles, was nach Asthma 'riecht', ist Asthma."