Wie wird man glücklich? Seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte versuchen wir das herauszufinden. Die Wissenschaft bietet nun immer mehr Antworten darauf und zeigt Wege zu einem guten, gesunden Leben.
Menschen sehnen sich seit eh und je nach Glück. Daher beschäftigen sich auch Forschende unterschiedlichster Fachbereiche mit diesem Thema. Für manche Menschen ist ein glückliches Leben abhängig von äußerlichen Faktoren wie Ruhm, Reichtum und hervorragenden Leistungen. Biologisch betrachtet sorgen aber Dopamin, Endorphine und Serotonin dafür, dass man glücklich ist, so Neurobiologe Dr. Marcus Täuber in „Gute Gefühle – Nutze die emotionalen Stärken deines Gehirns“. Diese drei Botenstoffe des Gehirns arbeiten idealerweise zusammen, um ein erfülltes Leben zu ermöglichen. Damit sie im Lot bleiben und regelmäßig Glücksgefühle erzeugt werden, benötigt man aber noch weitere wichtige Komponenten.
Die „großen drei“
Die „gehirneigene Droge“ Dopamin wird freigesetzt, wenn wir etwas anstreben, wofür wir uns eine Belohnung erwarten. Entweder kurzfristig angelegt, wenn man beispielsweise gut vorbereitet zu einem erfolgreichen Geschäftstermin geht, oder auch langfristig, wenn man eine Ausbildung beenden will und dafür jahrelang hart arbeitet. „Ist das gesetzte Ziel erreicht, tritt Dopamin in den Hintergrund“, so der Neurobiologe.
Man erlebt dann ein Gefühl der Zufriedenheit und dafür sind die morphiumähnlichen Botenstoffe „Endorphine“ zuständig. Sie seien eine interne Bestätigung des Gehirns für eine Sache, die man gut gemacht hat. Sie lindern Schmerz und machen auf spezielle Art happy – man wird entspannt und empfindet Stolz auf das Erreichte. Doch dieser Zustand von Zufriedenheit lässt rasch nach.
Serotonin kommt anschließend ins Spiel, wenn Körper und Geist eine Auszeit nehmen: Man hat gute Laune, kann regenerieren, gut schlafen und neue Kraft tanken. „Serotonin ist der Wellnessurlaub in unserem Gehirn“, schreibt der Autor. Dank dieser Auszeit könne man dann wieder mit frischem Schwung neue Ziele setzen und anstreben, um wieder ins Dopamin-Stadium zu gelangen. Diese drei Phasen könne man sich wie drei Felder auf einem Glücksrad vorstellen. Dreht es sich, ist alles gut, man wächst, performt, erholt sich wieder und führt ein erfülltes sowie stimmiges Leben.
Beziehungen zu anderen Menschen sind das wertvollste Instrument für unsere Gesundheit und unser Glück.
Dieser natürliche Lauf kann aber Täuber zufolge auch ins Stocken geraten. Man kann etwa in Serotonin baden und damit im Erholungsmodus stecken bleiben: „Es stellt sich zwar Langeweile ein, aber dieses unangenehme Gefühl stillen wir, indem wir ziellos auf sozialen Medien scrollen oder irgendwelche TV-Serien konsumieren“, erklärt der Neurobiologe. Oder man pendelt ausschließlich zwischen Dopamin- und Endorphine-Peaks hin und her: „Wie getrieben streben wir, sobald wir unser Vorhaben erreicht haben, nach dem nächsten höheren Ziel. Anstrengung – Erfolg – Anstrengung – Erfolg – Anstrengung – Erfolg.“ Dieser Zustand könne ins Burn-out führen.
Positive Gefühle fördern
Wir sind also glücklich, wenn das Botenstoff-System funktioniert, und das beeinflusst sogar unseren Erfolg. Das Glück komme aber zum Stillstand bei Bore-out und Burn-out, dauerhafter Unterforderung oder dauerhafter Überforderung. Mit einem ausgewogenen Lifestyle können wir jedoch dem natürlichen Fluss unserer drei Botenstoffe folgen, ohne in ein Extrem zu verfallen. Das gelinge zum Beispiel durch Förderung von positiven Gefühlen.
Doch laut der Harvard Study of Adult Development hat sich ein Faktor als absolut entscheidend für die körperliche Gesundheit, die psychische Gesundheit, die Lebensdauer und das Glücksempfinden erwiesen: erfüllende Beziehungen, zu denen nicht nur Partnerschaften zählen, sondern auch Familie, Freund:innen oder Kolleg:innen. Denn: „Der bloße Gedanke an einen Menschen, der uns wichtig ist, kann zu einer Ausschüttung von Hormonen und anderen Botenstoffen führen, die über das Blut zum Herzen, ins Gehirn und zu zahlreichen anderen Körpersystemen transportiert werden. Diese Wirkung könne sogar ein Leben lang dauern“, schreiben die Harvard-Forschenden Dr. Robert Waldinger und Dr. Marc Schulz in „The Good Life“. In diesem Buch haben die vierten und derzeitigen Leiter der Langzeitstudie die wichtigsten Erkenntnisse in puncto Glücksempfinden zusammengefasst.
Beziehungen zu anderen Menschen sind sinnstiftend, schenken Kraft und machen uns glücklich.
Längste Studie der Welt
Die Glücksstudie von Harvard startete bereits 1938, um herauszufinden, was dem Menschen wirklich guttut, welche Investitionen sich am Ende wirklich bezahlt machen und die Gesundheit fördern. Die meisten Teilnehmer:innen der Studie antworten auf die Frage „Wenn Sie auf Ihr Leben zurückblicken, was wünschten Sie, hätten Sie dann weniger tun sollen, was mehr“: „Ich habe meine Freunde nicht oft genug gesehen, ich habe meinen Kindern nicht genug Aufmerksamkeit geschenkt, ich habe so viel Zeit mit Dingen verbracht, die mir gar nicht wichtig waren oder ich hätte mehr Zeit mit meinem Mann/mit meiner Frau, meiner Mutter, meinem Vater verbringen sollen. „Zeit und Aufmerksamkeit sind die wesentlichen Mittel zum Glück“, schreiben daher die Harvard-Wissenschaftler.
Der Faktor Mensch
Sowohl der Neurobiologe Dr. Täuber als auch die beiden Harvard-Studienleiter empfehlen daher emotionale Intelligenz sowie soziale Fitness zu trainieren und auszubauen. Denn mit diesen Skills fördert man auch die Gesundheit, stärkt Beziehungen, und das macht glücklich. In Zeiten von KI und Automatisierung verschaffen uns diese Fähigkeiten darüber hinaus einen gewaltigen Vorteil gegenüber Maschinen, die uns in Zukunft u. a. Jobs wegnehmen werden. Der Faktor Mensch soll daher in uns zur großen Stärke gemacht werden: „Soziale Fitness zu einem zentralen Punkt der Gesundheitserziehung zu machen ist vor allem im Kontext rasant fortschreitender Technologien wichtig, die Einfluss darauf nehmen, wie wir miteinander kommunizieren und unsere Beziehungsfähigkeiten entwickeln“, steht im Buch „The Good Life“.
Gemeinsames Lachen macht nicht nur glücklich, es kann auch Beziehungen verbessern.
Soziale Fitness anzutrainieren sei aber nicht so leicht wie körperliche. Man kann sich weder auf die Waage stellen, noch in den Spiegel schauen oder Blutdruck messen. Dafür sei zunächst Selbstreflexion wichtig. Das heißt eine Bestandsaufnahme von unseren Beziehungen vornehmen und dabei ehrlich zu uns selbst sein. Diese Selbstanalyse sei der erste Schritt auf dem Weg zu einem guten Leben. Dann wird einem auch klarer, wo man gern stehen würde. Man muss aber regelmäßig an sich arbeiten und die Beziehungen zu anderen pflegen. „Das gute Leben ist aber kein Zielort“, geben die Harvard-Forscher außerdem zu denken, „das gute Leben ist der Weg selbst und die Menschen, die ihn mit Ihnen zusammen gehen.“