Die Spezialambulanz im AKH Wien bringt Licht ins Dunkel und hat eine Lichttherapie-Stelle eröffnet. Hier können Tageslichtlampen auch ausgeliehen werden.
Die Sonne hat besondere Heilkräfte. Es ist vor allem ihr Licht, welches unsere Stimmung hebt und uns fröhlich macht. An sich ist der Herbst eine traumhafte Jahreszeit: Die Blätter leuchten bunt, und es beginnt eine Zeit der ausgedehnten Wald-Spaziergänge. Dennoch hat sie keinen guten Ruf: Denn jedem Dritten schlägt der Herbst aufs Gemüt. Während die einen nur gelegentlich in eine melancholisch-nachdenkliche Stimmung verfallen, wollen andere morgens erst gar nicht aus dem Bett. Ziehen sich zurück und entwickeln eine Gier nach Kohlenhydraten und Zucker wie Spaghetti oder Schokolade. „Gehen Sie so oft wie möglich raus ins Licht“, rät die Fachärztin für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin Dr. Edda Winkler-Pjrek. „Nutzen Sie die Mittagspause, machen Sie einen Spaziergang. Sonnenlicht ist die beste Prävention.“
Licht ist der beste Therapeut. Da die meisten Menschen heutzutage sehr wenig Zeit haben, um rauszugehen, und den ganzen Tag in beleuchteten Arbeitsräumen verbringen müssen, hat sich das Wiener AKH eine Lösung überlegt und verleiht bei bestehender saisonal abhängiger Depression Tageslichtlampen, welche das Sonnenlicht imitieren. Dazu die Expertin: „An einem Sonnentag werden über 100.000 Lux gemessen, bei bedecktem Himmel nur 10.000. Eine Glühbirne oder LED-Innenraumbeleuchtung schafft im Schnitt 300 bis 500. Leider zu wenig.“
So geht`s
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Beratungsgespräch
Lichtblick. „Es kann sich jeder mit depressiven Symptomen in der Herbst-Winter-Saison melden“, sagt Psychiaterin Dr. Edda Winkler-Pjrek. Die sympathische Ärztin berät beim Erstgespräch. Menschen mit Stimmungsschwankungen oder Depressionen sollen sich vom praktischen Arzt eine Überweisung holen. Eine Terminvereinbarung ist erforderlich.
Aufstellen – los geht’s
Redakteurin Sandra König hat getestet: Empfohlen wird, täglich mindestens 30 Minuten bei einem Abstand von 50 Zentimetern oder mehr vor oder neben einer Tageslichtlampe zu sitzen. Nebenbei kann gefrühstückt oder auch gearbeitet werden. Jede Minute soll man ganz bewusst für ein paar Sekunden direkt ins Licht schauen.
Licht ins Dunkel
Gesünder als das Sonnenlicht. Die Tageslichtlampe strahlt ohne schädliche UV-A-, UV-B- und UV- C-Strahlen. Die meisten Patienten profitieren bereits nach der ersten Woche davon. Am besten gleich in der Früh das Licht aufdrehen – so wird die Melatonin-Ausschüttung auf den richtigen Zeitpunkt verschoben.
Feedback-Gespräch
Was passiert? Nach einer 30-minütigen Lichtsitzung fragt Expertin Dr. Edda Winkler-Pjrek, wie es einem ergangen ist. Im Feedback-Gespräch erklärt die Ärztin genau die Abläufe im Gehirn. Danach nehmen Sie die Tageslichtlampe einfach mit nach Hause.
Klinik für Psychiatrie
AKH Wien. Ärztlicher Rat auf Krankenschein – Lichttherapie bei saisonaler Depression. An der Universitätsklinik für Psychiatrie und Psychotherapie in der Ambulanz, Währinger Gürtel 18–20, 1090 Wien
Tageslichtlampen haben 10.000 Lux
Aufgrund der kürzeren Tage fehlt es an Sonnenlicht und dadurch kann der Melatonin-Spiegel durcheinandergeraten. „Wenn wir bereits in der Früh“, so die Ärztin, „beginnen, unseren Körper mit Licht zu nähren, haben wir gute Chancen, einer Depression entgegenzuwirken. Wichtig ist es, Lichttherapie täglich für eine Zeitdauer von 30 bis 60 Minuten anzuwenden. Nur so kann der gestörte Stoffwechsel der Botenstoffe normalisiert werden.“
Zu spätes Melatonin macht müde. Bei SAD-Patienten (SAD bedeutet seasonal affective disorder/Herbstdepression) ist der Melatonin-Ausschüttungs-Zeitpunkt häufig um viele Stunden nach hinten verschoben. Daher kann dieses nicht mehr zeitgerecht abgebaut werden, wir sind in der Früh müde und schlapp. Die Licht-Therapie-Lampe soll diesen Ausschüttungs-Moment zuerst mal hemmen und dann zeitlich nach vor verlegen. Ein gesunder Mensch schüttet bereits vor Mitternacht Melatonin aus, welches für einen guten und festen Schlaf sorgt.
Machen Sie den Licht-Test: Setzen Sie sich daher täglich für eine halbe Stunde, am besten gleich in der Früh, im Abstand von 50 cm vor eine Lichtbox und schauen Sie einmal in der Minute für eine Sekunde in die Lichtquelle ohne schädliche UV-A-, UV-B- und UV-C-Strahlen. Viele Patienten profitieren bereits innerhalb einer Woche.
Dr. Edda Winkler-Pjrek im Talk
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Wie lange wird die Lichttherapie-Lampe verliehen und wann setzt die Wirkung ein?
Dr. Edda Winkler-Pjrek: Da bereits nach drei Tagen eine Wirkung merkbar sein kann, verleihen wir diese Geräte für vier Wochen. Bevor sich Patienten eine eigene, relativ teure Lampe kaufen, zahlt es sich aus, diese vorerst hier bei uns auf der Ambulanz zu testen, ob die Patienten auf diese Therapie ansprechen.
Warum wirkt Licht auf unser Gehirn?
Winkler-Pjrek: Das weiß man gar nicht so genau – vieles ist spekulativ. Das Licht wird über die Augen wahrgenommen und die nervalen
Impulse werden über eine spezielle Bahn – den Tractus retinohypothalamicus – weiter zur obersten inneren Uhr, dem suprachiasmatischen Kern, geleitet. In der Folge kommt es zu einer Melatonin-Suppression und Veränderungen von Botenstoffen wie Serotonin und Dopamin. Die Melatonin-Ausschüttung wird unterdrückt. Doch bekommen wir zu wenig Licht, wird Melatonin zu spät produziert. So kommt es dazu, dass die Patienten eine morgendliche Müdigkeit haben, länger schlafen müssen. Aber eine ausreichende Lichtexposition normalisiert bei Menschen mit einer saisonalen Depression den Neurotransmitter-Haushalt.
Licht wirkt auf unseren Biorhythmus?
Winkler-Pjrek: Ja genau. Wenn man den Schlaf-Wach-Rhythmus verändern will, wie beim Jetlag, kann man Lichttherapie verwenden. Dadurch normalisiert sich die gestörte Neurochemie wieder.
Beeinflusst die Lichttherapie nicht auch den Serotonin-Spiegel?
Winkler-Pjrek: Man glaubt, dass eine depressive Erkrankung durch den Mangel verschiedener Neurotransmitter zustande kommt. Hier sind vor allem Serotonin, Dopamin und Noradrenalin wichtig. Gegenwärtig führen wir an unserer Klinik eine Studie durch, im Rahmen derer mit modernsten bildgebenden Verfahren der Effekt von Lichttherapie auf die Botenstoffe im Gehirn untersucht wird.
Licht macht glücklich und treibt den Serotonin-Spiegel in die Höhe, heißt es doch.
Winkler-Pjrek: In den letzten Jahren haben wir zunehmend begonnen, das komplexe Gefüge der gestörten Neurotransmission im Gehirn bei Depressionen zu verstehen. Serotonin ist einer der wichtigsten Botenstoffe und spielt bei Lichttherapie sicher eine Rolle.
AKH Wien verleiht Glücks-Lampen
Da die Preise für die Tageslichtlampen sehr hoch angesiedelt sind – eine gute Lampe mit mindestens 10.000 Lux (auch bei einem Abstand von mind. 50 cm) bekommt man ab 300 Euro aufsteigend –, hat sich das AKH Folgendes überlegt: Sonne zum Mitnehmen: Gehen Sie zu dem Arzt Ihres Vertrauens, am besten zum Hausarzt, und lassen Sie sich eine Überweisung für die Spezialambulanz im Wiener AKH ausstellen. Dort werden diese Glücksbringer nach ärztlicher Indikationsstellung und bestehender Herbst-Winter-Depression für einen Zeitraum von vier Wochen verliehen.
Fakten über Depression
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Definition
Im medizinischen Sinne versteht man unter dem Begriff Depression eine psychische Erkrankung, die
mit gedrückter Stimmung, Lust- und Interessenlosigkeit sowie Antriebsschwäche einhergeht.
Wer ist betroffen?
Gegen Depression ist niemand gefeit. Die Krankheit kann jeden treffen. Aus diesem Grund wird sie auch als die „menschlichste der menschlichen Erkrankungen“ bezeichnet. Meist tritt die Krankheit erstmals im dritten oder vierten Lebensjahrzehnt auf.
Ursachen
Fest steht, dass sich eine Depression nicht auf eine einzelne Ursache zurückführen lässt. Fast immer ist es das Zusammenspiel mehrerer Faktoren, das über einen bestimmten Zeitraum zur Depression führt. Prinzipiell sind es innere und äußere Umstände, welche die Krankheit hervorrufen. So können beispielsweise die Jahreszeit, aber auch eine Schilddrüsenunterfunktion schuld an einer Depression sein. Außerdem zeigen statistische Aufzeichnungen, dass es zu einer familiären Häufung kommt. Demnach werden auch genetische Faktoren als Ursache in Betracht gezogen. Bei einer Depression ist der Stoffwechsel des Gehirns verändert. Der Serotonin- und Noradrenalinspiegel ist im Vergleich zu Gesunden niedriger.
Symptome
Die gängigsten Symptome sind Lust- und Antriebslosigkeit. Das Interesse an allem geht zurück.
Fällt man in ein depressives „Loch“, nimmt das Wohlbefinden stetig ab. Seltener ist die „manisch-depressive Erkrankung“ – ein ständiges Auf und Ab der Gefühlslage.