Rund zehn Prozent des Bruttoinlandsproduktes werden in Österreich für das Gesundheitswesen ausgegeben. In den USA sind es gar 16 Prozent. In der öffentlichen Debatte über das System geht es aber zumeist nicht um den "Wirtschaftsfaktor Gesundheit", sondern um die Kosten.
Genau dieses Thema steht im Mittelpunkt des 2. Österreichischen Gesundheitswirtschaftskongresses, der am 24. Februar in Wien stattfindet. Bei einer Pressekonferenz betonten Experten vor allem den Wert gemeinsamen Vorgehens von Wirtschaft und öffentlicher Hand.
Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely: "Die Gesundheitswirtschaft ist ein zentrales Gegenwartsthema. Die Antwort kann nur sein 'öffentlich und privat'. Was nicht sein kann, ist, dass die Verluste verstaatlicht werden - und die Gewinne privatisiert." Man sollte auch aus der jüngeren Wirtschaftsgeschichte lernen, in der in den 1990er-Jahren plötzlich das Umlagesystem bei den Pensionen in Zweifel gezogen und private Vorsorge propagiert worden sei. Wehsely: "Was bin ich froh, dass nicht viele Leute von der 2. und 3. Säule (private Pensionen, Anm.) leben müssen." Sie hätten sonst mit einem Viertel weniger Geld monatlich zu leben.
International sind Gesundheit und Medizin jedenfalls ein Boom-Sektor. Das größte Beispiel ist wohl die internationale Pharmaindustrie. Doch es kommt auch zunehmend zu einer Marktbildung auf dem Personalsektor. Expertin Ilona Kickbusch: "Ein Land wie Brasilien positioniert sich derzeit als Land, das Produkte (für das Gesundheitswesen, Anm.) herstellt und die Gesundheitswirtschaft als Standbein betrachtet." Das Gesundheitswesen jedes Landes sei entscheidend für die Entwicklung und den Wettbewerb von Staaten. Das zeige sich auch darin, dass bei Personaldefiziten - in den deutschsprachigen Ländern fehlen derzeit 20.000 bis 50.000 Ärzte - sofort ein neuer Markt, eben für qualifiziertes Personal, entstehe.
15.000 offene Stellen
Die private Wirtschaft will an dem Boom jedenfalls mitnaschen, auch wenn sie das öffentlich finanzierte Gesundheitswesen oft als Kostenverursacher kritisiert. Martin Gleitsmann (Wirtschaftskammer Österreich): "Der Gesundheitswirtschaftsbereich ist jener Bereich, wo Wachstum stattfindet. Im Jahr 2009 hat es 15.000 offene Stellen gegeben. Das war ein Plus von 27 Prozent im Vergleich zu 2008. (...) Jeder (öffentlicher bzw. privater Sektor, Anm.) soll das machen, was er besser kann. Jeder kann vom Anderen lernen." Überall im Gesundheitswesen gebe es aber auch Konflikte, die man eben austragen müsse.
Der Chef des Wiener Krankenanstaltenverbundes, Wilhelm Marhold, will das Gesundheitswesen sozusagen als "normalen" Wirtschaftssektor sehen: "Es geht nicht nur um Kosten. Das ist eine Wirtschaftsbranche mit allen Kriterien. Wir brauchen eine neue Qualitätsdiskussion." Man sollte im Bereich der Spitäler jedenfalls Gleiches mit Gleichem vergleichen - womit er die anhaltende Diskussion zwischen Krankenhäusern mit privater Trägerschaft und den öffentlichen Spitälern ansprach. Beide Sektoren weisen oft - aber nicht immer - unterschiedliche Leistungsangebote auf.