Zahl der HIV-Neuinfektionen steigt in Österreich
26.11.2009Die Zahl der HIV-Neuinfektionen dürfte in Österreich leicht ansteigen. Die moderne Therapie verleitet möglicherweise zu Sorglosigkeit. Dies erklärten Repräsentanten der Aids-Hilfe Wien bei einer Pressekonferenz aus Anlass des bevorstehenden Welt-Aids-Tages (1. Dezember). Außerdem seien Betroffene noch immer mit Diskriminierung und Stigmatisierung konfrontiert.
"Es ist ganz besonders wichtig, nicht nur am Welt-Aids-Tag an Aids zu denken. Hinter jeder Infektion bzw. Erkrankung verbergen sich Menschen. Wir haben das Problem, dass die ehemals ganz große Gefahr ein bisschen an Schrecken verloren hat. Auf der anderen Seite kann das zu Leichtfertigkeit verleiten. Wichtig ist der Kampf gegen das 'soziale Aids'. (...) Wie kann man Stigmatisierung bekämpfen? Indem man darüber spricht", sagte Wiens Gesundheitsstadträtin Sonja Wehsely (S). Mit "Aids 2010" (18. bis 23. Juli 2010) stehe der Bundeshauptstadt die nächste Welt-Aids-Konferenz ins Haus, was zu einer Fülle von Aktivitäten führen werde. Erwartet werden rund 25.000 Teilnehmer (100.000 Übernachtungen, geschätzte 45 Mio. Euro Umsatz).
In Sachen Aids hat sich international die Situation ein wenig aufgehellt. Dennis Beck, Obmann der Aids-Hilfe Wien: "Laut Welt-Aids-Bericht haben sich bisher 60 Mio. Menschen mit dem HI-Virus infiziert. Circa 25 Mio. Menschen sind seit Ausbruch der Epidemie gestorben. Derzeit leben rund 33,4 Mio. Menschen mit HIV/Aids. 2008 haben sich weltweit 2,7 Mio. Menschen neu infiziert, zwei Millionen Personen sind gestorben. Trotz der hohen Zahl an Neuinfektionen ist in den vergangenen Jahren die Zahl der Ansteckungen um 17 Prozent gesunken. In den vergangenen fünf Jahren ist die Zahl der Aids-Todesfälle um fünf Prozent zurückgegangen."
Die Daten für Österreich, so Beck: "Bis 30. Oktober sind 1.502 Menschen an Aids verstorben, insgesamt 2.749 Personen an Aids erkrankt. Es leben mit Aids derzeit 1.247 Menschen. Es gibt in Österreich zwischen 12.000 und 15.000 Menschen, die mit HIV leben, davon etwa die Hälfte in Wien."
Insgesamt steigt die Zahl der HIV-Neuinfektionen offenbar leicht an: Im Jahr 2007 waren es in Österreich 515, im Jahr 2008 dann 505 bestätigte positive Tests, nach drei Viertel des Jahres hochgerechnet werden es im Jahr 2009 wohl um die 523 sein. Das Plus dürfte etwa fünf Prozent betragen.
Lage vieler Betroffener schlecht
Zum Teil erschütternd ist offenbar die Lage von HIV/Aids-Betroffenen. Wiltrut Stefanek, Proponentin der Frauen-Selbsthilfegruppe PULSHIV: "Ich weiß seit 14 Jahren, dass ich HIV-positiv bin. Ich habe 1996 durch einen Anruf erfahren, dass mein damaliger Mann HIV-positiv ist." Ihr Sohn war von der Infektion verschont geblieben, doch Wiltrut Stefanek wurde schließlich von ihrem Hausarzt "zwischen Tür und Angel" über ihre HIV-Infektion informiert.
Die Aktivistin: "Ich setzte damals die Diagnose mit meinem Todesurteil gleich. Aber noch schlimmer war es, dass mir mein Mann das zehn Jahre verschwiegen hatte. Ich hatte Angst, dass die Leute mir ansehen, dass ich HIV-positiv bin."
Wiltrut Stefanek entschied sich schließlich zum offenen Umgang mit ihrer Situation: "Meine Eltern wurden beschimpft. Mein Sohn wurde in der Schule beschimpft als Sohn einer aidskranken Hure. Aber wir haben keinen Grund, uns zu verstecken. Es geht um das soziale Aids. Viele meiner Leute (aus der Selbsthilfegruppe, Anm.) leben am Existenzminimum. Wir fordern ein bundesweites Anti-Diskriminierungsgesetz für Menschen, die mit HIV leben. Die Mitarbeiter von Polizei und Rettung müssen entsprechend ausgebildet werden."
Ganz eigenartig ist offenbar, wie Informationen über eine allfällige HIV-Infektion an Stellen wie das Arbeitsmarktservice fließen dürften. Aids-Aktivist Günter Tolar hatte davon bereits vergangenen Dienstag bei einer Pressekonferenz in Wien gesprochen. Klienten würden beim AMS auf ihren HIV-Status angesprochen. Von ähnlichen Erfahrungen berichtete am Donnerstag auch Wiltrut Stefanek: "Es gibt immer wieder die Situation, dass das Arbeitsamt Bescheid weiß über eine Infektion. Wir haben auch Fälle, in denen Personen darauf angesprochen werden. Wir wissen nicht, woher das Arbeitsamt das hat."
Der Wiener Aids-Hilfe-Obmann Dennis Beck erklärte dazu, "standardmäßig" könne man das für das AMS nicht bestätigen. Es gäbe aber immer wieder Einzelfälle. Hier sei es dann sehr schwierig, den Informationsfluss aufzuklären.
Die Aids-Hilfe Wien hat seit dem Sommer ihr Testangebot ausgeweitet. Geschäftsführer Philipp Dirnberger wies darauf hin, dass man nunmehr auch einen Schnelltest anbiete, bei dem der Klient binnen einer halben Stunde das Ergebnis erfahren könne. Von 190 Personen, die sich auf diese Weise untersuchen ließen, waren aber alle HIV-negativ. Zusätzlich angeboten werden Tests auf Hepatitis B, Hepatitis C und Syphilis. Ein Red Ribbon Award 2010 richtet sich an Jugendliche in ganz Österreich, die in Bild, Ton, Schrift (bis hin zu SMS) oder Video Ideen für die Formulierung von Gedanken zur Solidarität mit den Betroffenen.
AMS bestreitet aktive Nachfrage nach HIV-Status
Das AMS bestreitet die von Aids-Aktivisten bei Pressekonferenzen in Wien erhobenen Klagen, wonach die Arbeitsämter Daten über den HIV-Status von Betroffenen hätten. "Fakt ist, dass wir selbstverständlich nicht aktiv fragen", sagte AMS-Sprecherin Beate Sprenger gegenüber der APA.
Einzelne Klienten würden allerdings aktiv von ihrer HIV-Infektion erzählen. Es sei selbstverständlich, dass nicht jeder Mensch gleichermaßen an jedem Beschäftigungsort einsetzbar sei, sagte die Sprecherin. Die einzige Möglichkeit, wie das AMS sonst von einer HIV-Infektion erfahre, so Beate Sprenger: "Wenn die Arbeitsfähigkeit durch einen Amtsarzt beurteilt wird und dieser feststellt, dass jemand HIV-positiv ist. Dann bekommen wir die Informationen."