Nadja Benaissa

"Haben getrunken, dann ist es passiert"

17.08.2010

Nadja Benaissa sagte in AIDS-Prozess aus: Das Geständnis-Protokoll.

Zur Vollversion des Artikels
© Reuters
Zur Vollversion des Artikels

50 Minuten lang musste No Angels-Star Nadja Benaissa am Montag vor dem Amtsgericht in Darmstadt Rede und Antwort stehen. Der Sängerin wird vorgeworfen, trotz einer ihr bekannten HIV-Infektion ungeschützten Sex gehabt zu haben. Sie legte ein Geständnis ab: "Vorausschicken möchte ich, dass mir das Verfahren und die Zeit in U-Haft vor Augen geführt haben, dass mein Umgang mit der HIV-Erkrankung falsch war." Es tue ihr von Herzen leid, sagte sie unter Tränen.

Die deutsche Bild Zeitung veröffentlichte das Protokoll ihrer Aussage. Ausführlich spricht Benaissa über ihre schwierige Jugend: Mit nur zwölf Jahren begann sie Alkohol zu trinken und Drogen zu nehmen, schon mit 14 war Nadja cracksüchtig. Als sie 16 Jahre alt war wurde die Sängerin schwanger. Kurz darauf erfuhr sie von ihrer HIV-Infektion.

Das Protokoll

Teenie auf Drogen
Ich wurde 1982 geboren und wuchs in Langen auf. Mit zwölf bekam ich Probleme und geriet in den falschen Freundeskreis. Ich geriet auf die schiefe Bahn und nahm Drogen. Erst Alkohol und Gras. Mit 14 wurde ich dann cracksüchtig. Ich landete auf der Straße. Zu meinen Eltern hatte ich zu dieser Zeit ein sehr schlechtes Verhältnis.

Schwangerschaft
Mit 16 habe ich dann erfahren, dass ich schwanger war. Ich habe es als Chance gesehen, von der Droge loszukommen. Ich ging dann zur Abendschule, wollte mein Abitur nachmachen. Das hat mir sehr viel Spaß gemacht, ich war Klassenbeste.

Neues Leben als "No Angel"
Dann kam das Popstars-Casting. Ich wusste gar nicht, was das ist. Ich hatte auch gar kein Kabelfernsehen. Es ging dann alles sehr schnell. Ich war in der Band und hatte kaum noch Zeit für meine Tochter. Ich habe mich damals mir selbst entfremdet, es war alles zu viel. 2004 hatte sich die Band aufgelöst, da hatte ich noch mehr Probleme. Von 100 auf 0 – das ging nicht. Hinzu kamen falsche Freunde.

Das Leben mit der Krankheit
Mir wurde von Ärzten gesagt, dass das meine Privatsache ist. Ich wollte meiner Tochter ersparen, ausgegrenzt zu werden. Es gibt so viele Vorurteile, was Aids angeht. Als ich von meiner Infektion erfuhr, dachte ich: Okay, ich habe Mist gebaut und jetzt geht’s weiter. Meine Eltern wurden damals von der Klinik informiert, da ich noch minderjährig war. Sie haben geweint, als sie es hörten. Mir sagte damals eine Ärztin, ich hätte nur noch etwa acht Jahre zu leben. (...) Im Nachhinein war die Drogensucht schlimmer als die HIV-Infektion. Solange sich nichts ändert, habe ich die Infektion immer beiseitegeschoben und versucht, ein normales Leben zu führen. 2005 ging es mir dann nicht mehr so gut. Ich bekomme seitdem Medikamente. Danach ging alles gut bis zum Frühjahr dieses Jahres. Das war wohl die ganze Belastung. Seit der Entlassung aus der U-Haft war ich ständig gehetzt.

Das vermeintliche Opfer
Den Herrn S. habe ich etwa 2000 kennengelernt. Bei einem Konzert in München, das wir beide besucht haben. Es war zunächst nur eine oberflächliche Bekanntschaft. 2004 sind wir dann mal ausgegangen. Wir haben Alkohol getrunken. Schließlich gingen wir wieder nach Hause. Dort ist es dann passiert. Wir haben uns dann noch ein paar Mal getroffen. Ich hatte damals noch eine andere Beziehung. (...) Ich habe im Februar 2007 erfahren, dass Herr S. infiziert ist. Ich war damals in einem Hotel in Berlin. Es war genau die Zeit unseres Comebacks. Am nächsten Tag kursierten die Gerüchte bereits überall im Internet. Der Druck war unerträglich. (...) Herr S. hat gegenüber meinem Management angedeutet, dass er keine Strafanzeige stellt, wenn ich mich öffentlich zu meiner Infektion bekenne und 100 000 Euro an die Aids-Stiftung spende. Das war aber gerade zu dem Zeitpunkt, als ich absolut kein Geld hatte. Auch wenn das für Außenstehende nicht nachvollziehbar sein mag. Ich hatte nicht die Möglichkeit. Weder das Geld – noch wollte ich meiner Tochter die Öffentlichkeit antun.

Verdrängung
Ich habe alles verdrängt, weil so viel Schlimmes passiert ist. Das war wie ein schwarzer Vorhang. Dinge zu verdrängen war seit meiner Kindheit immer ein Überlebensinstinkt. Jetzt weiß ich, dass das falsch ist. Das habe ich gelernt.

Reue
Ich lebe jetzt sehr gesund und habe seit einiger Zeit überhaupt keinen Alkohol mehr getrunken. Es tut mir von Herzen leid, dass ich ihn angesteckt habe. Ich kann nur sagen, dass ich das nie wollte. Vielleicht ist das eine Chance, das alles zu verarbeiten. Es tut mir von Herzen leid.

Zur Vollversion des Artikels
Weitere Artikel