Interview
Jetzt spricht Waris Dirie
12.03.2008
Zwei Tage in der Gewalt eines Entführers: Österreichs Supermodel Waris Dirie sagt, wasin Belgien passierte. Und: Taxifahrer bei Polizei gemeldet.
Polizei: Taxifahrer hat sich gemeldet
Sie liegt verletzt in einem Wiener Krankenhaus. Gehirnerschütterung, Prellungen an der Schulter, Kratzspuren an den Schenkeln. „Es handelt sich um typische Verletzungen, wenn eine Frau festgehalten wird im Zuge von sexueller Nötigung oder versuchter sexueller Nötigung“, sagt ihr Anwalt Gerald Ganzger.
Wie Prostituierte behandelt
Erst nach und nach stellt sich
heraus, welches Martyrium Waris Dirie (42, lebt seit vier Jahren in Wien) in
Belgien über sich ergehen lassen musste. Im Interview mit Filmer Hannes
Rossacher (dreht derzeit eine Doku über die gebürtige Somalierin) erzählt
Dirie erstmals in Details, wie sie verschleppt wurde – und von der Brüsseler
Polizei gedemütigt wurde. „Sie haben mich wie eine Prostituierte behandelt.
Nur wegen meiner Hautfarbe.“
Mehr als drei Tage lang war Waris Dirie in Brüssel vermisst. Sie verschwand nach einem Disco-Besuch, blieb wie vom Erdboden verschluckt. Das Ex-Model gab an, das Hotel nicht mehr gefunden zu haben und auf der Suche danach auf einen Taxifahrer gestoßen zu sein, der sie zwei Tage gefangen hielt. Der Mann gab an, Dirie bei der Suche helfen zu wollen, verschleppte sie dann aber in sein Haus.
Belgische Behörden handeln nicht
Gefahndet wird nach dem
Sex-Täter nicht. Denn die belgischen Behörden sehen keinen Anlass dazu. Der
Brüsseler Staatsanwalt Jozef Colpin verstieg sich Mittwoch dazu, Waris
Diries Vorwürfe gegen die Polizei als „Märchen“ zurückzuweisen. Die
Polizei-Beamten hätten Waris im Gegenteil im Polizeiauto mitgenommen und in
mehreren Hotels nachgefragt, wo für sie ein Zimmer reserviert sei, sagte
Colpin. In einem solchen Moment, in dem die Polizisten aus dem Fahrzeug
ausgestiegen waren, sei Dirie plötzlich verschwunden.
Ein Umstand, den Regisseur Rossacher verstehen kann: „Waris Dirie hat als ehemalige Staatenlose schlechte Erfahrung mit der Polizei gemacht. Kennt man diesen Hintergrund, ist leicht nachvollziehbar, dass sie Behörden und Polizei generell misstraut, die Situation im Polizeiauto offenbar als bedrohlich empfand und deshalb flüchtete!“
Dirie-Anwalt Ganzger will nun in Österreich Anzeige gegen den Sex-Täter erstatten. Diese werde dann an die belgischen Stellen weitergeleitet. Hoffentlich mit mehr Erfolg.
Das Interview
Frau Dirie, Sie waren mehr als drei Tage in Brüssel
verschollen. Nach Ihrer Heimkehr haben Sie nun schwere Vorwürfe
gegen die dortige Polizei erhoben. Was genau werfen Sie ihnen vor?
Nach dem Verlassen der Polizeistation haben Sie nach Ihren
Angaben den Taxifahrer, der Sie dann entführt hat, getroffen. Was
genau ist passiert?
Wie sind Sie entkommen?
Warum sind Sie nicht noch einmal zur Polizei gegangen?
Haben Sie der Polizei erklärt, warum Sie sie nicht um Hilfe
gebeten haben?
Wie fühlen Sie sich jetzt? |