"Before Midnight"

Delpy und Hawke steht an der Kippe

05.06.2013

Julie Delpy und Ethan Hawke kämpfen gegen Beziehungssorgen an.

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18 Jahre nach dem Auftakt in Wien und neun Jahre nach der Fortsetzung in Paris setzen US-Regisseur Richard Linklater und seine beiden Hauptdarsteller und Co-Autoren Ethan Hawke und Julie Delpy der romantischen Liebessaga rund um die Französin Celine und den Amerikaner Jesse ein vorläufiges Ende: In "Before Midnight" sind die beiden mittlerweile ein Paar in ihren 40ern und leben mit ihren Zwillingen in Paris. Im ausklingenden Sommerurlaub in Griechenland haben sie endlich wieder einmal Zeit zu reden - und dabei wird äußerst wortgewandt in nur sieben Sequenzen die Paarbeziehung im Konkreten und im Allgemeinen verhandelt. Ab 7. Juni im Kino.

Hier der Trailer zum Film



Von Selbstvorwürfen geplagt

Ausgangspunkt der mehr als eineinhalbstündigen intelligenten Diskussion zwischen Celine und Jesse sind dessen Selbstvorwürfe, dass er die Kindheit seines 13-jährigen Sohnes verpasst, den er gerade wieder in den Flieger nach Chicago gesetzt hat. Doch Celine hat keine Ambitionen nach Chicago zu ziehen, ganz im Gegenteil wartet auf sie ein gutes Angebot in Paris. Aus diesem Zwiespalt bezieht "Before Midnight" seine dramaturgische Energie, ohne sich allzu lang mit diesen Zukunftsplänen aufzuhalten. Vielmehr beginnen Celine und Jesse eine retrospektivische Analyse ihrer Paarbeziehung bis zum Jetztzustand, offen, schonungslos, scharfzüngig und erschütternd.

Außergewöhnliche Dialogmarathon   
Dabei beginnt der außergewöhnliche Dialogmarathon entspannt und gut gelaunt, die Autofahrt vom Flughafen zurück zum Anwesen des Autors Patrick, der Jesse nach Griechenland eingeladen hatte, hat mehrfach klassische Woody-Allen-Momente und macht klar, dass die beiden Protagonisten ihre Entscheidung füreinander nicht bereuen, die Romantik aber angesichts von komplizierten Lebensorganisationsabläufen zu kurz kommt. Zurück auf der wunderschönen Anlage von Patrick bewegen sich Jesse und Celine in den traditionellen Mustern: Während er mit den anderen Männern die Literatur bespricht, bereitet sie gemeinsam mit den Frauen das Essen vor, das einen zentralen Punkt im Film einnimmt.

Keine romantische Nacht in Sicht

Linklater hat dafür das Zwei-Personen-Konzept aus "Before Sunrise" und "Before Sunset" aufgebrochen und lässt eine muntere Runde verschiedener Generationen (darunter "Attenberg"-Regisseurin Athina Rachel Tsangari) über die Liebe und das Leben im digitalen Zeitalter diskutieren. Was folgt, ist ein langer Spaziergang von Jesse und Celine - und der lockere Plauderton vom Esstisch verwandelt sich rasch in ein persönliches Gespräch, dessen Stimmung sich von Minute zu Minute ändert und das die alten und neuen Wunden der komplizierten Beziehung offenlegt. Im Hotelzimmer angekommen, das ihnen für eine romantische Nacht geschenkt wurde, fliegen dann bald die Fetzen.

Resümee
Würde man den Plot des Films einfach nur in aller Kürze beschreiben, könnte das durchaus billig bis kitschig wirken. Doch die Figuren aus Linklaters Universum sind so lebendig, so voller Leben und Authentizität, dass immer wieder höchst wahrhaftige Momente entstehen - und sie haben nichts von ihrem einstigen Charme verloren. Ein wunderbares Kinopaar mit Schwächen also, das dem Zuschauer wohl genau deshalb so nah ist - er, selbstverliebt, wortgewandt und mit sich und der Welt größtenteils zufrieden, sie, selbstbewusst und mit Aufopferungswillen, aber auch mit einer Grundskepsis gesegnet. In "Before Midnight" prallen sie nun wieder aufeinander - und es sprühen die Funken. Sehr sehenswert!

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© oe24.at



 

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