Historienepos im alten Stil
"Der Medicus" erobert die Lichtspielhäuser
20.12.2013
Gordons Abenteuerroman als Leinwandschinken im Stile von "Lawrence von Arabien".
Noah Gordons Historienroman "Der Medicus" war einer der wenigen Bestseller, der als unverfilmbar galt - und das, obwohl sich das mittelalterliche Medizinabenteuer seit 1986 weltweit über 21 Millionen Mal verkaufte. Der deutsche Regisseur Philipp Stölzl hat sich nun aber an das Werk gewagt und ein bildgewaltiges Leinwandepos geschaffen, das am 25. Dezember ins Kino kommt.
Hier der Trailer zum Film
Tom Payne entzückt weibliches Publikum
Den Ausgang nimmt die Geschichte im mittelalterlichen England, wo der junge Waisenknabe Rob Cole (Tom Payne) bei einem Barbier (als herzerfrischendes Raubein Stellan Skarsgard) sein Handwerk lernt und dabei die besondere Gabe entdeckt, den Tod eines Menschen vorherzusehen. Die kleinen Taschenspielertricks und rudimentären Heilkenntnisse Europas zu dieser Zeit reichen dem aufstrebenden jungen Mann nicht. Er beschließt deshalb, sich auf die Reise ins persische Isfahan zu begeben, wo der große Ibn Sina (Ben Kingsley) Juden wie Muslime lehrt. So mutiert der Christ Rob kurzerhand zum Juden und eröffnet sich eine Welt der frühen Medizin und religiösen Toleranz, die vom regierenden Schah Ala ad-Daula (Olivier Martinez) kultiviert wird. Durch das Erstarken religiöser Fanatiker ist dieses Idyll jedoch in Gefahr.
Filmepos beeindruckt auf allen Ebenen
"Der Medicus" beschwört die großen Zeiten von Filmepen wie "Lawrence von Arabien" herauf und gemahnt in seiner Optik an "Das Parfum". Stölzl entwirft traumhafte Landschaftsaufnahmen des grünen Englands, in denen man stets erwartet, dass ein Hobbit um die Ecke trollt. Aber auch die kontrastierenden Wüstenpanoramen Persiens und die Innenaufnahmen inszeniert der Regisseur, der auf eine lange Opernerfahrung zurückblicken kann, stets mit hoher Ästhetik. So dreckig das mittelalterliche Europa ist, so lichtdurchflutet präsentiert sich der Hort des aufgeklärten Wissens in Isfahan. Dabei scheut Stölzl durchaus nicht die abschreckenden Bilder, wenn er etwa das brutale Handwerk des mittelalterlichen Barbiers inklusive Zehenamputationen zeigt oder den jungen Medicus seine erste Nekropsie en detail durchführen lässt. Die eigentliche Hürde, ein Monumentalwerk wie "Der Medicus" mit seinen ausufernden Erzählsträngen in einen zweieinhalbstündigen Film zu transponieren, meistert Stölzl dabei mit lakonisch schnellen Zeitsprünge und einer höchst filmischen Sprache. So verdeutlicht er mittels weniger Bilder elegant Beziehungen und Konstellationen, ohne diese in langen Dialogen auszubreiten.
Resümee
Dass dabei die Hauptfigur des Rob, charismatisch gespielt vom britischen Jungbeau Tom Payne, bisweilen etwas allzu moralisch hochstehend daherkommt, gestaltet sich analog zur Vorlage. Wenn er schon einmal von seiner großen Liebe verschmäht zu einer Prostituierten gehen will, hat er gleich die Vision, dass diese sterben muss, worauf er wieder zum Handkuss, sprich ärztlichen Einsatz kommt. Ergänzt wird das Ensemble von den Altstars Kingsley und Skarsgard, denen unter anderem auch der österreichischstämmige Elyas M'Barek ("Fack ju Göhte") zur Seite steht. Neben der Liebes- und Abenteuerhandlung setzt "Der Medicus" aber zugleich ein Zeichen der religiösen Toleranz, indem er dem westlichen Zuschauer die gleichsam verkehrten Entwicklungsstufen von Orient und Okzident vor Augen führt und das Gemeinsame der monotheistischen Religionen hervorstreicht. Alles in allem bietet das mit 26 Millionen Euro bis dato teuerste Kinoprojekt der Bertelsmann-Tochter Ufa Cinema mithin ein breites Spektrum an Zugängen, die das Werk zum idealen Post-Weihnachtsfilm für die Familie und Literaturfreunde macht. Und ein bisschen orientalische Sonne schadet im Winter ja auch nicht.
(Von Martin Fichter-Wöß/APA)
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