Venedig-Favoriten

Ulrich Seidl trotz Anzeige gute Chance

06.09.2012

Nach der ersten Filmfestpiel-Woche stehen die ersten Favoriten fest.

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Einhellige Zustimmung für "Apres Mai" von Olivier Assayas, Lobeshymnen für Paul Thomas Anderson und "The Master", eine Anzeige für Ulrich Seidl und dennoch breite Zustimmung für seinen Film "Paradies: Glaube": Nach einer Woche kristallisieren sich bei den 69. Filmfestspielen von Venedig langsam die ersten Favoriten im Rennen um den Hauptpreis, den Goldenen Löwen, heraus. Doch mit dem US-Regisseur Michael Mann an der Juryspitze und dem noch ausstehenden Film "Passion" von Brian De Palma ist das Ergebnis der Preisverleihung am 8. September schwer abzuschätzen.

Top-Favoriten  
Michael Mann, der für Filme wie "Heat", "Miami Vice" oder "Public Enemies" verantwortlich zeichnet, steht für einen Hang zu Action und ausgefeilter Kameraarbeit. Ob einem Filmemacher wie ihm das vergleichsweise ruhige und einige Zeit scheinbar ziellos mäandernde Post-68er-Drama "Apres Mai" oder Seidls schwarzhumoriger und bissiger Religionsstreit im ehelichen Haushalt zusagen, gilt als fraglich. Ein prominent besetzter Sektenfilm wie "The Master", in dem Anderson nicht zuletzt auch formal mutig agiert, oder US-Autorenfilmkollege De Palma haben hier möglicherweise bessere Karten.

Auch sadistisches Drama dabei  

Geht es nach der internationalen Filmkritik, dann finden sich die genannten Filme jedoch allesamt im engeren Favoritenkreis. Auch Kim Ki-Duks drastische "Pieta" hat trotz seiner anfangs sadistischen Brutalität, die manche Besucher schnell wieder aus dem Kinosaal vertrieben hat, vielfach gute Kritiken erhalten. Als wahrscheinlicher gilt jedoch, dass die Darstellerin der angeblichen Mutter des grausamen Knochenbrechers, Jo Min-soo, eine heiße Kandidatin für den Preis der besten Darstellerin ist. Im Bereich der Schauspielerpreise haben mehrere Performances viel Lob erhalten.

Joaquin Poenix mit Top-Chancen  

Joaquin Phoenix könnte als traumatisierter ehemaliger Marinesoldat, der in den Bann einer Sekte gerät, in Venedig endgültig seine Adelung als einer von Hollywoods derzeit vielseitigsten Mimen erhalten. Auch Sektenführer Philip Seymour Hoffman liefert als charismatischer "Master" einmal mehr eine unheimlich konzentrierte und physische Leistung ab. Und während Terrence Malicks "To The Wonder" weitgehend abgelehnt wurde, stand Javier Bardems fein gearbeitete Darstellung eines Priesters, der angesichts der Armut um ihn herum an seinem Glauben zweifelt, außer Frage.

Franziska Petri, hinterließ Eindruck

Bei den Frauen hinterließ Franziska Petri, die im russischen Wettbewerbsbeitrag "Izmena" (Betrug) von Kirill Serebrennikow eine betrogene Ehefrau spielt, die langsam ihren eigenen Weg im Leben findet, Eindruck. Aber auch die Österreicherin Maria Hofstätter überzeugt als Frau mit einer bis ins Erotische reichenden Jesus-Liebe in "Paradies: Glaube". Wenn sie sich in ihrem religiösen Wahn selbst geißelt oder mit dem Kruzifix masturbiert, hält man im Publikum unweigerlich den Atem an. Hofstätter ist - wie auch ihr Regisseur Seidl und das Filmfestival selbst - für ihre Arbeit angezeigt worden.

Heuer reduziertes Programm  

Religion und Ideologien bestimmten in der ersten Woche den Wettbewerb der Filmfestspiele, die heuer nach mehrjähriger Pause erstmals wieder von Alberto Barbera geleitet werden. Barbera hat das Programm reduziert, was bisher am Lido auf wenig Gegenliebe gestoßen ist, und zum ersten Mal auch einen Filmmarkt etabliert. Die größte Filmindustrie, jene Hollywoods, setzte heuer dennoch erneut mehr auf Toronto, dessen Festival morgen beginnt. Mit Robert Redfords "The Company You Keep" (nicht im Wettbewerb) und De Palmas "Passion" warten aber zumindest noch zwei Hochkaräter.

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