"Michael“ war heuer der brisanteste Film in Cannes.
„Ein Film, scharf wie eine Rasierklinge“, schrieb Le Monde. „Ein Meisterwerk“, lobte der Nouvel Observateur. Der Wiener Regisseur Markus Schleinzer, 39, machte im Mai in Cannes mit seinem Debütfilm Michael Furore. In kühlem Reportage-Stil schildert das Drama eine Entführung, die ähnlich wie die Causa Kampusch verläuft: Ein biederer Bürger (Michael Fuith) sperrt einen Buben (David Rauchenberger) über Jahre in einem Keller ein.
Interview mit dem Regisseur.
ÖSTERREICH: Sie schildern den Entführer in Ihrem Film nicht als Monster, sondern als fast alltäglichen Charakter.
Markus Schleinzer: Bei realen Entführungsfällen sind alle begierig, der sensationsgesteuerten Berichterstattung zu folgen. Da muss ich mich auch selbst bei der Nase nehmen. Doch die Täter als Monster zu sehen, ist nicht zielführend, denn das erzeugt eine riesige Distanz. Und es verstellt den Blick darauf, dass ein Entführer in seinem Alltag viele Dinge tut, die wir vielleicht auch machen.
ÖSTERREICH: Wie entstand die Story?
Schleinzer: Ich habe sehr instinktiv geschrieben. Zu Beginn verbot ich mir, zu recherchieren, weil ich nicht mit existierendem Leid arbeiten wollte. Dieses Leid gehört den Opfern. Ich habe kein Recht, mich an etwas zu bedienen, das es real gibt.
ÖSTERREICH: Was sind Täter und Opfer für Typen?
Schleinzer: Michael ist auf herkömmliche Art nicht fähig, zu einem Beziehungspartner zu kommen. Er hat kein Schuldbewusstsein. Die Sexualität, die er dem Kind antut, wird von ihm als Pädagogik verstanden. Der Junge macht irgendwie mit – er sucht eine Normalität, die als Schutz für ihn wirkt. Das ist sein Überlebenstrieb.
Michael. Ab Freitag in Österreichs Kinos. www.michaelfilm.com