Todesgrüße aus Moskau

Moritz Bleibtreu: "Ein Film muss rocken"

09.03.2012

Interview: Der Schauspieler über seinen aktuellen Kinohit "Die vierte Macht“.

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Moritz Bleibtreu spielt einen Society-Journalisten aus Berlin, den es beruflich nach Moskau verschlägt – und der sich plötzlich inmitten einer lebensbedrohlichen Intrige rund um einen Terroranschlag wiederfindet. Das ist der Plot des actiongeladenen deutschen Politthrillers Die vierte Macht von Dennis Gansel, der jetzt in Österreichs Kinos läuft.

Im Interview mit ÖSTERREICH spricht der Schauspieler über den Film, die Schauspielerei und seine österreichischen Wurzeln.

ÖSTERREICH: Die vierte Macht“ ist  ein Politthriller über Terror, Russland und Tschetschenien – und über die Frage, ob die Öffentlichkeit immer die Wahrheit über solche Attentate erfährt.
Bleibtreu:
Für mich ist der Film vor allem einmal ein packender  Thriller, die Story eines jungen Mannes, der vor die Räder gerät und der sich dann selbst wiederfindet und lernt, was es bedeutet, Zivilcourage zu haben. Natürlich ist dies aber auch ein Film, der Fragenstellt:  Was ist Terrorismus? Wie wird Terrorismus instrumentalisiert? Welche Rolle spielen dabei die Geheimdienste? Das sind Themen, die mich ganz persönlich sehr interessieren.

 ÖSTERREICH: Ihre Figur wird zu Beginn als extrem oberflächlicher Society-Journalist geschildert. Haben Sie dort recherchiert?
Bleibtreu:
Ich habe mir einmal eine Redaktion angeguckt und geschaut, wie dort gearbeitet wird. Für mich war es wichtig, die Gebrochenheit der Figur darzustellen: Wenn dieser Paul nach Moskau kommt, ist er ein Journalist, der sich selbst in jungen Jahren schon bis zu einem gewissen Grad aufgegeben hat. Seine Übersiedlung nach Moskau ist eine Art Flucht, und er versucht dann dort, sich abzulenken – wofür Moskau vorzügliche Mittel zur Verfügung hält, was Ablenkung betrifft.

ÖSTERREICH: Wird der Film ein großes Publikum anziehen?
Bleibtreu:
Ich hoffe es. „Die vierte Macht“ ist allerdings ein Film, der einen nicht unbedingt allerbester Laune aus dem Kino entlässt – es ist ein Film, der etwas vom Zuschauer erwartet.

 ÖSTERREICH: Damit passt der Film gut zu Ihrer Werkliste – Sie spielen ja gern in Filmen, die außer Unterhaltung auch einen tieferen Sinn bieten.
Bleibtreu:
Ja. Das Schönste sind Projekte, die beides verbinden. Ich würde aber nie einen Film nur aus aufklärerischen, erzieherischen oder politischen Motiven heraus machen, denn Filme sind zunächst einmal Realitätsflucht. Filme beflügeln die Fantasie, und wenn sie darüber hinaus eine zweite Ebene haben, wie Menschen die Welt und sich selbst betrachten, dann ist das sehr wünschenswert. Aber als Erstes muss ein Film rocken. Er muss die Leute packen und emotional involvieren und mitnehmen für ein paar Stunden. Umgekehrt gibt es nichts Ärgeres als Filme – oder auch Theaterproduktionen – die von vornherein mit so einem belehrenden Touch daherkommen. Das finde ich ganz furchtbar. 

ÖSTERREICH: Sie gehören zu den wenigen deutschsprachigen Filmschauspielern, die sich ihre Projekte aussuchen können…
Bleibtreu:
Das ist richtig. Ich kann es mir leisten, Projekte abzulehnen, die ich nur aus finanziellen Gründen annehmen würde, weil ich Geld brauche. Das ist ein großer Luxus.

ÖSTERREICH: Ihre Eltern, die Schauspieler Monica Bleibtreu und Hans Brenner, waren beide Österreicher. Haben Sie dadurch eine besondere Nähe zu Österreich?
Bleibtreu:
Klar. Ich habe viele Urlaube in Österreich verbracht und immer wieder meine Großmutter in Wien besucht. Wir waren am Neusiedler See, im Burgenland und in den Bergen. Natürlich habe ich eine starke Affinität zu Österreich.

ÖSTERREICH:  Könnten Sie in einem österreichischen Film im Dialekt spielen?
Bleibtreu:
Für ein deutsches Publikum sofort – aber nicht für die Österreicher. Für deutsche Ohren kann ich einen perfekten Wiener abgeben, aber die Wiener würden sagen, na geh… des musst no a bissl üben… des geht net… (lacht). Umgekehrt ist es das Dilemma der großartigen österreichischen Schauspieler, die Mundart loszuwerden, wenn sie in deutschen Produktionen reüssieren wollen. Und Österreich ist ja ein Fleckchen Erde, dass gesegnet ist mit einer großen Dichte an Talent, gerade was das Schauspiel betrifft. Mein Vater Hans Brenner, der aus Tirol stammte, war ja genauso: Der konnte ums Verrecken kein Hochdeutsch. Er wollte das auch nicht, weil er wusste, dass viel von seiner Kraft im Dialekt lag. Meine Mutter Monica Bleibtreu hat es hingegen geschafft, die österreichische Sprachfärbung komplett loszuwerden. Am Ende musste sie sich richtig bemühen, wenn sie einmal wienern sollte.

ÖSTERREICH:  Welcher von Ihren Filmen ist Ihre liebste Produktion?
Bleibtreu:
Das kann ich nicht sagen. Das Maß an Arbeit und Liebe, das in einen Film fließt, bleibt immer gleich. Ich kämpfe wie ein Löwe für jeden Film, auch wenn ich weiß, dass die Kritik an einem Projekt manchmal gerechtfertigt ist.

ÖSTERREICH: Ein ganz besonderer Film in Ihrer Karriere war aber „Lola rennt“.
Bleibtreu:
„Lola rennt“ war nicht nur für mich, sondern für den ganzen deutschen Film eminent wichtig. Ein Vorher-Nachher-Film, der den Beginn eines neuen Abschnitts markiert: „Lola rennt“ war seit Fassbinder, Schlöndorff und der großen Zeit des Autorenkinos der erste Film, mit dem das deutsche Kino international so richtig bemerkt wurde.

ÖSTERREICH:  Und gibt’s in Ihrer Karriere, was „Lola rennt“ betrifft, auch ein Vorher/Nachher?
Bleibtreu:
Ja, sicher. Der Film wurde ein riesiger Erfolg, der so gar nicht anvisiert worden war – geplant war die Produktion als kleiner Independent-Film, den Tom Tykwer in rasanter Eile geschrieben hatte und den wir ebenso rasant drehten. Das Ergebnis war für uns alle überwältigend. Keiner hätte damit gerechnet, dass das Ding so durch die Decke geht. Natürlich hat der Film den Lebensweg von jedem Einzelnen, der daran beteiligt war, verändert.

Interview: Gunther Baumann

"Die vierte Macht“. Politthriller von Dennis Gansel mit Moritz Bleibtreu. Jetzt in Österreichs Kinos.

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