Blockbuster
Professor: Kinoerfolg mit Formel planbar
19.04.2010
'Genau wie für Speiseeis gibt es auch für Filme gewisse Gesetzesmäßigkeiten'
"Titanic", "Keinohrhasen" oder "Avatar" waren keine Zufälle - Blockbuster sind planbar. Der deutsche Wirtschaftswissenschafter und Marketingprofessor Thorsten Hennig-Thurau hat Formeln entwickelt, die den Erfolg von Kinofilmen berechenbar machen sollen. Mit seinen Modellen könnten Studios und Geldgeber künftig Film-Flops verhindern. "Genau wie für Speiseeis oder Mobiltelefone gibt es auch für Filme gewisse wirtschaftliche Gesetzesmäßigkeiten", ist sich Hennig-Thurau sicher.
Wirtschaftswissenschafter mit Hollywood-Faible
Der Professor für
Marketing und Medien aus Münster beschäftigt sich schon seit Jahren mit der
Traumfabrik. "Natürlich ist die Filmindustrie spannender als der
Joghurtmarkt", bekennt der 43-jährige Wirtschaftswissenschafter mit
Hollywood-Faible. Für seine aufwendigen Prognosen benötigt der
Blockbuster-Professor Daten, Wahrscheinlichkeitsrechnung, Marktgespür und
Vergleichsfilme. Knapp 2.000 Werke hat Hennig-Thurau bereits in seinem
Datensatz. Bis auf eine Abweichung von durchschnittlich 20 Prozent war er
stets in der Lage, das Einspielergebnis der Filme vorherzusagen, er kann
urteilen: Flop oder Top. Sein Spezialgebiet sind Filmfortsetzungen.
Kompliziert
"BEV = (RPS - RPO) x 0,4886 = 52,67 Millionen
US-Dollar" lautet etwa eine der Formeln für "Spiderman 2". Dabei steht BEV
für den Wert der Marke Spiderman, RPS für das vorhergesagte Einspielergebnis
und RPO für das vorhergesagte Einspielergebnis eines vergleichbaren Films.
Der mit dieser Formel errechnete Millionenbetrag ist aber nur ein Teil -
nämlich der Anteil am Gewinn, für den allein schon die eingeführte Marke
"Spiderman" verantwortlich ist, berechnete Hennig-Thurau. Die Gesamtformel
ist also noch deutlich komplizierter. Ohne den Hauptdarsteller Tobey
Maguire hätte sich demnach die Einspielsumme von 374 Millionen auf 182
Millionen mehr als halbiert.
Treffsicherheit
Ende vergangenen Jahres bat ihn die britische
Wochenzeitung "The Observer", den Erfolg des zweiten Teils von "Twilight"
vorauszusagen. Hennig-Thurau berechnete die Einspielsumme für die USA und
kam auf 276 Millionen Dollar. Damit bewies der Forscher bemerkenswerte
Treffsicherheit: In der Realität spielten die Kino-Vampire auf dem US-Markt
295 Millionen ein. Übrigens sind von den zehn weltweit erfolgreichsten
Filmen sechs Fortsetzungen von Blockbustern. "Der zweite Teil eines
populären Films ist fast immer erfolgreicher als das Original", erläutert
der Experte, "obwohl das natürlich nicht heißt, dass die Fortsetzung auch
inhaltlich besser ist." Auch auf Filme ließen sich Marken-Konzepte anwenden.
"Bei einer Fortsetzung geht es um die Erweiterung der Marke", sagt
Hennig-Thurau. "Bei 'Indiana Jones' und 'Spider-Man' ist das sehr gut
gelungen, bei 'Basic Instinct' und 'Terminator' deutlich weniger."
Formel nur auf Hollywood-Streifen anwendbar?
Die Erfolgsformeln
des Forschers sind auch den Filmschaffenden nicht verborgen geblieben. Zum
Beispiel verfolgt der Chef vom Studio Babelsberg, Charlie Woebcken, die
Forschungen aufmerksam. Er zweifelt aber deren Aussagefähigkeit für
bestimmte Produktionen an. "Für Hollywood-Filme mögen die Prognosen des
Forschers relevant sein", sagt Woebcken. Er glaubt allerdings nicht, dass
das System auch bei japanischen, koreanischen oder russischen
Independent-Produktionen funktioniert. Zu groß seien seiner Meinung nach die
regionalen und kulturellen Unterschiede, um sie in einer Formel messbar zu
machen.
Bestimmte Faktoren sind Unbekannte
Woebcken, der erfolgreiche
Filme wie "Inglourious
Basterds" oder "Der Vorleser" produziert hat, liegt damit nicht
ganz falsch. "Natürlich ist es unfassbar schwierig, bestimmte Faktoren
messbar zu machen", gibt Hennig-Thurau zu. Bei der Fortsetzung von "Basic
Instinct" zum Beispiel wäre Sharon Stone einfach nicht mehr so sexy gewesen
wie 1992. Auch der Tod von Heath Ledger war nicht absehbar, habe sich aber
dennoch auf den Erfolg
des Batman-Films ausgewirkt. "Der 3D-Trend ist ebenfalls noch schwer zu
berechnen", gibt Hennig-Thurau zu. Darum arbeitet er gerade an einer Lösung.