Emmerich Interview

"Anonymus": Das Shakespeare-Rätsel

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Star-Regisseur Emmerich einmal anders: Nicht Apokalypse sondern Shakespeare.

Roland Emmerich einmal anders: Der Blockbuster-Regisseur („2012“) schiebt das große Hollywood-Kino zur Seite und widmet sich in seinem neuen Film dem Dichterfürsten William Shakespeare.  Heute, Freitag, startet der Literaten-Thriller „Anonymus“ in Österreichs Kinos.

Emmerich folgt einer umstrittenen These, die aber von etlichen Forschern geteilt wird: Demnach hat der Schauspieler und Theater-Impresario Shakespeare seine Stücke nicht selbst geschrieben. Wahrer Urheber sei Edward De Vere gewesen, der 17. Earl of Oxford. Aus Standesgründen habe der Adelige nicht selbst als Autor auftreten können.

Schauplatz
Der Film spielt zwar im England des 16. und 17. Jahrhunderts, wurde aber komplett in Deutschland gedreht. Der wichtigste Schauplatz, das berühmte Globe-Theater, entstand im Studio Babelsberg neu. Die imposanten Stadtansichten des historischen London stammen aus dem Computer.

Ensemble
Emmerich holte ein erlesenes Ensemble britscher Schauspieler zum Dreh nach Berlin. Vanessa Redgrave und ihre Tochter Joely Richardson teilen sich die Rolle von Queen Elizabeth I. (der Film umspannt einen Zeitraum von mehreren Jahrzehnten). Jungstar Jamie Campbell Bower und Rhys Ifans teilen sich die Rolle des Earl of Oxford. Rafe Spall spielt einen (ziemlich dämlichen) Shakespeare.
 

Star-Regisseur Emmerich im Interview:

ÖSTERREICH: Herr Emmerich, wie kamen Sie als Blockbuster-Regisseur zum Thema Shakespeare?
Roland Emmerich: Vor neun Jahren las ich ein Skript über dieses Thema, das mich total umhaute. Und ich spürte sofort: Diesen Film muss ich machen. Es war Liebe auf den ersten Blick. Einen ersten Versuch musste ich 2005 aber wieder stoppen, weil das Projekt zu teuer wurde. Zwei Dinge haben mich gerettet: Erstens habe ich mit „2012“ für das Sony-Studio sehr viel Geld verdient. Zweitens fand ich einen Weg, den Film mit einem niedrigen Budget, 26 Millionen Dollar, zu realisieren.

ÖSTERREICH: Diesen Preis hätten Sie vermutlich auch aus der eigenen Tasche zahlen können.
Roland Emmerich: Ja. Zu einem frühen Zeitpunkt war ich durchaus bereit, das halbe Budget selbst zu finanzieren, und ich begann schon mit den Vorbereitungen des Projekts. Manchmal muss man sein Glück herausfordern. Aber für mich geht es nicht mehr ums Geld – überhaupt nicht mehr.

ÖSTERREICH: Was ist die Botschaft Ihres Films?
Roland Emmerich: Das Wort ist mächtiger als Schwert. Das ist das Thema. Die Dramen von William Shakespeare werden bis heute gespielt. Aber die Akteure aus jener Zeit sind großteils vergessen, bis auf Queen Elizabeth I. vielleicht.

ÖSTERREICH: Sie beziehen im Film früh Stellung und benennen den Earl of Oxfors als Autor der Shakespeare-Dramen.
Roland Emmerich: Ich bin mir hundertprozentig sicher: William Shakespeare war ein Business-Man, aber kein Schriftsteller. Natürlich ist die Autorschaft des Earl of Oxford auch nicht bewiesen, ich würde meine Hand nicht dafür ins Feuer legen. Aber ich finde, er ist der Kandidat, der am ehesten in Frage kommt.

ÖSTERREICH: Ist die im Film geschilderte Liaison zwischen dem Earl of Oxford und Queen Elizabeth I. historisch verbürgt?
Roland Emmerich: Ja. Es gab auch Gerüchte, dass sie schon mit 16 Mutter wurde, obwohl sie das immer zurückgewiesen hat – sonst hätte man sie umgebracht. Die wahre Geschichte über den Earl und Elizabeth wurde aber nie in einem zeitgenössischen Buch niedergeschrieben, denn England war ein totalitärer Staat. Man muss also zwischen Zeilen lesen: Zum Beispiel erließ Elizabeth ein Dekret, dass auch uneheliche Kinder König werden können. Warum sollte sie das tun? Wir sind vorgegangen wie Shakespeare bei seinen historischen Dramen: Wir machten aus den Fakten unsere eigene Story. Die Geschichte über die wahre Urheberschaft von Shakespeares Dramen ist selbst so etwas wie eine Shakespeare-Tragödie.

ÖSTERREICH:
Hätten Sie auch Lust, einmal ein Shakespeare-Stück zu verfilmen?
Roland Emmerich: Nicht wirklich. Ich mag solche literarischen Vorlagen nicht besonders – da komme ich mir so gebunden vor und gefesselt. Ich habe andere Interessen: Ich würde gern einen Film über den Pharaoh Tutanchamon machen, ich habe ein neues Projekt mit John Cusack über den amerikanischen Heiler Edgar Cayce. Und dann gibt’s noch meine großen Projekte. Ich arbeite zweigleisig. Ich versuche, einen großen Film zu machen, und dann wieder einen kleinen. Hoffen wir mal, dass das funktioniert.

ÖSTERREICH: Haben Sie sich in Ihren Filmen jemals bei Shakespeare bedient?
Roland Emmerich: Ein Mal. Bei „Independence Day“. Eine Ansprache des US-Präsidenten stammt aus Shakespeares „Heinrich V.“

ÖSTERREICH: Stört es Sie, wenn man Ihren großen Filmen Phantasterei vorwirft?
Roland Emmerich: Ach was. Der Weltuntergangs-Film „2012“ war so weit weg von aller Wissenschaft, dass man darüber lachen kann. Aber es ist eben eine Kunst, einen Film so glaubhaft zu machen, dass sich das Publikum in die Story hineinversetzt. Die Annahme lautete: Es gibt ein geheimes Wissen, dass die Welt untergeht. Was macht da eine Regierung? „2012“ war vor allem ein Film darüber, dass keiner den Leuten reinen Wein einschenkt. Das würden die Politiker auch nicht tun, denn sie hätten Angst vor der Panik. Ob die Handlung dazu weit hergeholt ist oder nicht, das macht für den Film überhaupt nichts aus. Etwas ganz anderes war es bei „The Day After Tomorrow“, meinem Film über die Folgen der globalen Erwärmung. Da war es für mich sehr wichtig, dass die wissenschaftliche Grundlage absolut korrekt ist. Und viele Wissenschaftler nennen den schwächer werdenden Golfstrom jetzt den „Day After Tomorrow“-Effekt. Ich dummer Junge hab’s also in die Wissenschaft geschafft!

ÖSTERREICH: Was ist Ihr nächstes Projekt?
Roland Emmerich: Ich habe jetzt mit Harald Kloser drei Monate ein neues Drehbuch geschrieben. Das Projekt heißt „Singularity“ und es wird ein Science-Fiction-Film. Mehr sage ich dazu noch nicht.
 

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