Arroganter weißer Literaturprofessor wird in Südafrika mit zerrissener Gesellschaft konfrontiert.
Es ist wahrlich verstörend und beeindruckend, wie John Malkovich sich die Figur des David Lurie, eines 52-jährigen Literaturprofessors an der Universität von Kapstadt, angeeignet hat. Der arrogante und egoistische Protagonist des Bestsellers "Schande" (Disgrace) von Nobelpreisträger J.M. Coetzee wirkt in der werktreuen Verfilmung durch Steve Jacobs wie das unbeeindruckte und egoistische Gravitationszentrum seiner Welt - doch diese Auffassung gerät durch die heftige Konfrontation mit der neuen südafrikanischen Realität bald ordentlich ins Wanken. Am 21. Mai startet "Schande" im Kino.
Schande - Inhalt
Lurie ist egoistisch und unbelehrbar, aber wirkt in seiner kompromisslosen und intellektuellen Art nicht völlig unsympathisch. Er ist zweifach geschieden und verführt an der Uni eine seiner Studentinnen. Als die einseitige Affäre eine unheilvolle Wendung nimmt, wird Lurie entlassen. Er sucht Zuflucht bei seiner Tochter Lucy (Jessica Haines), die alleine eine abgeschiedene Farm auf dem Land bewirtschaftet. Doch die Zeiten haben sich geändert, die weiße Oberschicht ist nach dem Ende der Apartheid mit der zerrissenen Gesellschaft des Landes konfrontiert. Und diese Zerrissenheit wird vielfach mit Gewalt und Hass kompensiert.
Intensive Literaturadaption
Der australische Regisseur Steve Jacobs hat eine dramatische, intensive und erschütternde Literaturadaption geschaffen, in kühlen Bildern und symbolisch aufgeladen, mit einem fantastischen Darsteller-Ensemble und einem grandiosen John Malkovich an der Spitze. Es ist ein düsteres Bild von Südafrika, das hier nur wenige Wochen vor der Fußball-WM über die europäischen Leinwände flimmert, zwingend in seiner Konsequenz, überzogen in seiner scheinbaren Realitätsabbildung. Dafür musste auch schon Coetzee einiges an Kritik einstecken, vor allem von der wenig differenziert dargestellten dunkelhäutigen Bevölkerungsschicht.
Keine große Schnörkel
Jacobs verzichtet auf große Schnörkel, erzählt geradlinig und ohne Rücksicht, legt seinen Finger in die offene Wunde einer Gesellschaft, die nach dem Ende der Apartheid statt von der ursprünglichen Hoffnung im Wesentlichen von Ernüchterung geprägt ist. Vor wenigen Monaten hatte Clint Eastwood mit "Invictus" die Aufbruchsstimmung der 1990er Jahre unter Nelson Mandela pathosreich nachgezeichnet. Da ging es vor allem auch darum, dass die schwarze Bevölkerungsschicht der weißen vergeben sollte. In "Schande" dagegen wird klar, dass auch die Weißen Verantwortung für die Zukunft Südafrikas übernehmen müssen, anstatt verlorenen Machtverhältnissen nachzutrauern. Sonst, und das macht der Film sehr deutlich, sieht es für das Land düster aus.