Ab Freitag

Albertina zeigt Lichtenstein: "Sehr beliebt, nicht immer verstanden"

06.03.2024

Umfassende Retrospektive des Pop-Art-Künstlers aus Anlass des 100. Geburtstags - Von den Ikonen des Frühwerks über Skulpturen und Landschaften bis zu den letzten Gemälden 

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© APA/GEORG HOCHMUTH
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Im Oktober 2023 wäre Roy Lichtenstein, neben Andy Warhol vermutlich der bekannteste Vertreter der Pop-Art, 100 Jahre alt geworden. Zu diesem Anlass zeigt die Albertina ab Freitag (8. März) eine umfassende Retrospektive. Die Arbeiten des Amerikaners seien "sehr beliebt, weit verbreitet, aber nicht immer verstanden", sagte Klaus Albrecht Schröder, Generaldirektor des Hauses, bei einem Pressetermin am Dienstag. "Roy war der Kunst sehr verbunden", meinte seine Witwe Dorothy.

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Die über 90 Objekte umfassende Reise ins Lebenswerk des Künstlers beginnt mit rund 30 frühen Pop-Art-Gemälden nach Comics und Werbeinseraten. Schröder: "Die Vorlagen in den Comic-Heften kosteten ein paar Cent, die Bilder Lichtensteins werden mittlerweile mit 200 Millionen Euro versichert." Es folgen Landschaften und Emailschilder, Kunst-nach-Kunst-Bilder sowie spätere Interieurs, Frauenakte und Skulpturen sowie ausgewählte Zeichnungen und Vorlagenhefte, in denen Lichtenstein Comics und Inserate sammelte.

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"Er ist mit einer wachsenden Liebe zur Kunst groß geworden", erinnerte sich Dorothy Lichtenstein, zur Ausstellung nach Österreich gekommen, an ihren 1997 verstorbenen Ehemann. "Er hat viel Zeit in Museen verbracht." Als größten Einfluss auf ihn nannte sie Pablo Picasso. In den 60er-Jahren, in der Hochblüte des abstrakten Expressionismus, kehrte Roy Lichtenstein zu einer gegenständlichen, selbstreflexiven Kunst zurück "und reißt mit viel Ironie die Grenzen zwischen hoher Kunst und Alltagskultur nieder", wie Schröder erklärte. Spät, mit 39 Jahren, wurde er über Nacht zum Star. Der Durchbruch gelang 1961 mit "Look Mickey", einem Comicbild in eine monumentale Form eines Historienbildes gegossen - und in der Schau zu sehen.

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Lichtenstein isolierte und monumentalisierte den Comic und holt ihn ins Museum, sagte Kuratorin Gunhild Bauer. "Eine absurde und ironische Geste", so Schröder, die der Künstler dem Vorurteil der Abgehobenheit entgegensetzte, das die Konsumgesellschaft von modernder Kunst hat. Lichtenstein auf seine Comic- und Werbebilder zu reduzieren, wäre zu wenig. Die Schau "Zum 100. Geburtstag" gibt einen kompakten Überblick über das Schaffen: "Weil wir von den Ikonen des allerfrühesten Werks bis zu seinen letzten Gemälden alles bekommen haben, was wir haben wollten", betonte Schröder im APA-Gespräch. "Beim Frühwerk ist es uns gelungen, auch aus Privatbesitz einige ganz bedeutende Werke zu bekommen, darunter welche, die noch nie verliehen wurden oder eigentlich nicht mehr verliehen werden." Augenmerk wolle man auch auf das unterbelichtete skulpturale Schaffen Lichtensteins lenken.

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Zustande gekommen ist die Retrospektive in Zusammenarbeit mit der Roy Lichtenstein Foundation, gegründet von Dorothy Lichtenstein nach dem Tod ihres Mannes. Eine Schenkung von 95 Objekten, u.a. Pinselstrich-Skulpturen, Vorzeichnungen, Collagen und Keramiken, im Wert von 38 Millionen Euro wurde 2023 von ihr der Albertina übergeben.

Roy Lichtenstein, der High-Art mit Low-Art miteinander verschmelzen ließ, musste sich von Kunstkritikern den Vorwurf der Kommerzialisierung Gefallen lassen, ein Vorwurf, "der völlig daneben greift", wie Schröder ausführte. "Denn er macht nichts anderes, als ein Porträtist zu sein. Wenn im 17. Jahrhundert das Porträt der Gesellschaft im Gesicht eines Rembrandt-Gemäldes abzulesen war, so ist es in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts nur mehr in der Entsubjektivierung, als ob diese Kunst von einer Maschine gemalt worden wäre, in der Wiedergabe des Klischees." 

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