Star-Regisseur Peter Stein enthüllt intime Details des Salzburger Finanzskandals.
Regietitan Peter Stein inszeniert bei den Salzburger Festspielen Ödipus auf Kolonos von Sophokles. Die Titelrolle wird Klaus Maria Brandauer spielen, der nächste Saison in Steins Regie Shakespeares Falstaff sein wird. Im ÖSTERREICH-Interview enthüllt der Star-Regisseur intime Details zum Salzburger Finanzskandal.
ÖSTERREICH: Was sagen Sie als Salzburg-„Heimkehrer“ zum Finanzskandal?
Stein:
Ich habe den technischen Direktor Klaus Kretschmer schon 1994 als „Mister 10
Prozent“ bezeichnet, und als wir jetzt eine Besprechung zum Ödipus hatten,
habe ich ihn wieder so begrüßt. Diese technischen Direktoren haben große
Gelder zu verwalten, und da lassen sie sich halt zehn Prozent Provision
auszahlen. Das ist Bestandteil des subventionierten Systems. Dass man das in
Salzburg erst jetzt aufdeckt, liegt daran, dass man Dewitte raushaben und
mehr Geld für die Berliner Philharmoniker wollte. Ich fand dessen
Arbeitsweise ganz in Ordnung. Dass er sich für sein Privatbudget bedient
hat, ist freilich enttäuschend.
ÖSTERREICH: Man hat von den Provisionen gewusst?
Stein: Alle haben
das lange Zeit gewusst und die Augen zugemacht. Salzburg ist eine kleine
Stadt, da hackt eine Krähe der anderen nicht ein Auge aus. Alle nehmen sich
da ein bisschen die Gelder zur Brust, das ist eine typische Salzburger
Verhaltensweise. Man sollte das so schnell wie möglich bereinigen, und die
Presse sollte sich mit diesen unappetitlichen Dingen nicht so viel
beschäftigen, sondern mit der Kunst, die in Salzburg wunderbar gemacht wird.
Ich hab immer Lust gehabt, wieder in Salzburg zu arbeiten, seit dieser
Belgier (Anm.: Gerard Mortier) weg ist, aber weder Ruzicka noch dieser
komische Flimm haben mich jemals eingeladen. Der Ödipus geht auf Oberender
zurück.
ÖSTERREICH: Offenbar versuchen die Osterfestspiele sich an das
Sommerfestival anzuhängen?
Stein: Das Hauptproblem in Salzburg ist
die persönliche Bereicherung. Der „Brückenspringer“ (Anm.: Kretschmer), der
sich angeblich so viel in die eigene Tasche gesteckt hat, ist bis obenhin
voller Schulden. Das sind Leute, die mit Geld nicht umgehen können. Aber das
ist eher das Thema einer kulturgeschichtlichen Untersuchung.
ÖSTERREICH: Ist Brandauer Ihr Lieblingsschauspieler?
Peter Stein:
Brandauer ist meine einzige Motivation, im deutschsprachigen Theater zu
arbeiten. Die Begegnung mit ihm ist eine ganz wundersame, weil ich niemals
damit gerechnet hatte. Er ist ein österreichischer Schauspieler mit einer
Weltkarriere, der unheimlich viel Geld verdient. Seit unserem gemeinsamen
Wallenstein fühlen wir uns brüderlich verbunden.