Die drei Österreichischen Teilnehmer lesen am Freitag, 25.6. und Samstag, 26.6.
Die deutsche Autorin Sabrina Janesch hat am Donnerstag, 24.6. im Klagenfurter ORF-Theater das dreitägige Wettlesen um den Ingeborg-Bachmann-Preis eröffnet. Ihr Romanauszug "Katzenberge" über die Verwerfungen im polnisch-ukrainischen Grenzgebiet am Ende des Zweiten Weltkrieges kam bei der Jury gar nicht gut an. Nach ihr las Volker Altwasser seinen Text "Saudade", er erntete ebenfalls deutlich mehr Kritik als Lob. Über Christophler Kloebles Vater-Sohn-Erzählung gab es sehr kontroverse Debatten.
Janesch: Text über vertriebenen Bauern
Janesch, die am
Mittwochabend den undankbaren ersten Startplatz gezogen hatte, erzählte die
Geschichte eines polnischen Bauern, der seine Heimat verlassen musste, weil
sie plötzlich zur Ukraine gehörte. Der Mann zog mit einem Dutzend
Schicksalsgenossen nach Schlesien, um dort von Deutschen verlassene Höfe in
Besitz zu nehmen. Ihr Protagonist Janecko entdeckt auf einem verlassenen
Bauernhof am Dachboden den deutschen Eigentümer, der sich erhängt hatte. In
der ersten Nacht auf diesem Hof vermeint er, Stimmen und Schritte zu hören,
er beschließt, die Leiche wegzuschaffen. Erzählt wird das Ganze aus der
Perspektive des Enkels.
Hauptkritikpunkte
Probleme mit der Erzählperspektive waren denn
auch die Hauptkritikpunkte der Juroren. Karin Fleischanderl meinte trocken,
der Text interessiere sie eigentlich überhaupt nicht, sprachlich seien es
"wohlgesetzte, brave, biedere Bilder". Hubert Winkens sah grundsätzlich ein
"gutes, interessantes Thema", die Erzählweise und die Sprache der Autorin
würden den Ansprüchen allerdings nicht gerecht. Alain Claude Sulzer hob
hervor, dass Janesch die "Isoliertheit in der Fremde" thematisiert und
herausgearbeitet habe.
Geschichte über Fischverarbeiter mit vielen Theman von Altwasser
Altwassers
Text dreht sich um einen Fischverarbeiter, der vor der somalischen Küste auf
einem Fischtrawler arbeitet, er ist Spezialist für Kurznasenseefledermäuse,
deren Haut, im richtigen Moment abgezogen, unglaubliche Preise erzielt.
Während er an Bord ist, überlegt er ständig, ob er dem Drängen seiner Frau
nachgeben und künftig an Land bleiben soll. Am Ende wird - erwartbar - das
Schiff von Piraten geentert.
Zerfallen in zwei Teile
Für Karin Fleischanderl zerfiel die
Erzählung in zwei Teile, dem schloss sich auch Paul Jandl an. Alain Claude
Sulzer sah gleich "ganz viele verschiedene Texte", die letztlich aber nicht
zusammenpassten. Hubert Winkels meinte, der Stoff sei "aus dem 19.
Jahrhundert", Hildegard Keller fehlte der Zusammenhang der vielen
Anknüpfungspunkte, die sie in dem Text gefunden habe. Meike Feßmann, die
Altwasser vorgeschlagen hatte, verteidigte ihren Autor, der "die Geschichte
des Meeres erzählt". Die Figur sei Protagonist einer Trilogie und
funktioniere durchaus. Juryvorsitzender Burkhard Spinnen wandte ein, man
dürfe die anderen Texte nicht ins Kalkül einbeziehen. Dies sei zwar
vielleicht ungerecht, aber Voraussetzung dieses Wettbewerbs.
Vater-Sohn-Beziehung als Thema bei Kloeble
Auch Christopher
Kloeble las einen Romanauszug. "Der versteckte Mensch" befasst sich mit
einer Vater-Sohn-Beziehung, bei der der Sohn bereits im Kindesalter die
Vaterrolle übernimmt, da dieser zurückgeblieben ist. In der im Klagenfurter
ORF-Theater präsentierten Passage stellt sich heraus, dass der Vater
unheilbar krank ist und der Sohn beschließt, bis zu dessen Tod bei ihm zu
wohnen.
"Text der Putzigkeit"
Winkels sah den Text "völlig
abstürzen", weil der Sohn plötzlich beschließe, mit seinem Vater auf "ganz
normale Weise" zu kommunizieren. Feßmann widersprach, dies sei zu streng,
sie stieß sich eher an der Sprache des Protagonisten. Jandl konstatierte,
der Bachmannpreis sei ein "Auffangbecken" für Figuren mit Wahnvorstellungen
oder Demenz. Es sei ein "Text der Putzigkeit". Sulzer wandte ein, ihm habe
die Umkehrsituation der Figuren gefallen. Kloeble habe die Problemstellung
auf eine lockere Weise, und "gar nicht putzig" gelöst, es gehe auch
überhaupt nicht um Wahnsinn. Auch Fleischanderl gefiel der Text eigentlich
ganz gut. Spinnen sah eine "Versuchsanordnung", die ganz exakt angeordnet
sei. Der Gesamtanspruch, der anfangs erstellt werde, könne jedoch nicht ganz
eingelöst werden. Keller meinte, ihr Interesse sei "sehr geweckt" worden,
die Konstellation sei "anrührend und interessant, durchgespielt zu werden".
Die Lesereihenfolge
Donnerstag, 24.6.
Sabrina Janesch, Volker Altwasser, Christopher Kloeble, Daniel Mezger und Dorothee Elmiger, jeweils im Stundenabstand.
Freitag, 25.6.
Am Freitag macht Thomas Ballhausen den Auftakt,
gefolgt von Max Scharnigg, Aleks Scholz, Judith Zander und Josef
Kleindienst. Dieser wurde, wie auch Ballhausen, von der österreichischen
Jurorin Karin Fleischanderl vorgeschlagen. Die dritte Österreicherin, Verena
Roßbacher, wurde von Juryvorsitzendem Burkhard Spinnen ins Rennen geschickt.
Samstag, 26.6.
Am letzten Lesetag, dem Samstag, beginnt Peter
Wawerzinek, nach ihm sind Iris Schmidt und Christian Fries an der Reihe.
Verena Roßbacher hat den allerletzten Termin gezogen, sie beschließt das
Wettlesen.
Das Wettlesen beginnt jeden Tag um 10.00 Uhr, am Donnerstag und Freitag dauert es bis 15.00 Uhr, am Samstag ist schon um 14.00 Uhr Schluss.
Sonntag, 27.6.
Am Sonntag wird ab 11.10 der mit 25.000 Euro
dotierte Ingeborg-Bachmann-Preis vergeben. Weiters haben die Nominierten die
Chance auf den Kelag-Preis in der Höhe von 10.000 Euro, den 3sat-Preis
(7.500 Euro), den Ernst-Willner-Preis (7.000 Euro) sowie den Hypo
Group-Publikumspreis (7.000 Euro).
Infos
Die Porträts der Autoren
sowie ihre Texte (nach deren Lesung) sind im Internet außer auf Deutsch
in sieben Sprachen abrufbar, in Französisch, Italienisch, Englisch,
Spanisch, Slowenisch Tschechisch und Kroatisch. bachmannpreis.eu/de